12.22

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch nie war ein Budget so schnell obsolet wie dieses. Das ist kein Vor­wurf an irgendjemanden, aber ich glaube, 4 Stunden nachdem es dem Parlament über­mittelt worden war, war es eigentlich schon Geschichte – das zeigt, in welch rasanter Zeit wir leben –, weil das Budget, in dem nur 4 Milliarden Euro vorgesehen waren, auf­grund der Erhöhung des Pakets von 4 Milliarden Euro auf 38 Milliarden Euro natürlich massiv umgeschrieben werden muss. Das werden wir jetzt im Parlament machen.

Ich glaube, das ist auch richtig so, denn am Ende dieser Krise wird man den Erfolg nicht daran messen, wie hoch das Defizit war, wie hoch die Verschuldung ist, sondern man wird ihn daran messen, wie wenige Menschen gestorben sind, wie wenige Men­schen arbeitslos geworden sind und wie wenige Betriebe zusperren mussten. Das sind die Zahlen, auf die wir uns konzentrieren müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von ÖVP, FPÖ und NEOS.)

Ich glaube, dass es gerade in einer Situation wie jetzt notwendig ist, dass wir schnell helfen und dass wir auch Klarheit und Sicherheit schaffen, das heißt, dass die Leute klar wissen, was gilt.

Das ist uns zum Beispiel betreffend Kurzarbeit nicht ideal gelungen. Wir werden diese Woche – wir sind knapp davor, es ist ja nur noch der heutige Tag – die Grenze von 100 000 zusätzlichen Arbeitslosen überschreiten. Es ist leider nicht gelungen, zu erreichen, dass bereits letzten Sonntag jeder Unternehmer, jede Unternehmerin ganz genau wusste, wie dieses Paket aussieht, und die Sicherheit hatte, dass die Kurzarbeit das bessere Modell ist – für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch für die Unternehmer. In der Zwischenzeit ist das gelungen, aber wir haben da Zeit verloren.

Es ist vieles in diesem zweiten Coronapaket, das heute beschlossen wird, richtig, aber es gibt einige Dinge, da weiß man jetzt schon, dass das zu wenig ist, zu klein ist oder nicht schnell genug hilft und mitunter auch nicht die notwendige Sicherheit schafft. Das 1-Milliarden-Euro-Paket, der Härtefonds für die kleinen Unternehmen, für die EPUs, für die Non-Profit-Organisationen ist natürlich zu klein. Da gibt es einen Deckel von 1 Mil­liarde Euro. Das bedeutet, die kleinsten Unternehmen bekommen, obwohl sie fast 20 Prozent der Beschäftigten haben, etwa 8 Prozent der Hilfe. Das ist zu wenig. Es gibt keinen Deckel für die Großen. Wieso gibt es einen Deckel für die Kleinen? Wir müssen diesen Deckel für die Kleinen wegbekommen, der ist zu niedrig. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Die Abwicklung im Zusammenhang mit diesem Härtefonds, bei dem es wirklich um die kleinsten und kleinen Unternehmen geht – bis zehn Beschäftigte, bis 20 Beschäftigte –, um die Zehntausenden Einpersonenunternehmen, die Non-Profit-Organisationen, wird jetzt nicht vom Finanzamt vorgenommen, wie wir das vorgeschlagen haben – obwohl wir wissen, das Finanzamt arbeitet wahnsinnig effizient, wahnsinnig schnell. Der Fi­nanzminister hat gerade gesagt, 90 Prozent der Anträge, die diese Woche reingekom­men sind, wurden diese Woche erledigt.

Das, was man jetzt macht, ist, dass man innerhalb der Wirtschaftskammer eine Struk­tur aufbaut, eine neue Datenbank. Man hat die Daten nicht, die Leute dort müssen erst eingeschult werden. Alle Daten sind im Finanzministerium, die müssen erst rübertrans­feriert werden, und das Finanzministerium hat dreimal so viele Mitarbeiter wie die Wirt­schaftskammer. Es wird dreimal so lange dauern, bis diese Soforthilfe, diese Schnell­hilfe die Kleinunternehmen erreicht, weil man das über die Wirtschaftskammer und nicht über die Finanzämter macht. Das halten wir für falsch. (Rufe bei FPÖ und NEOS: Wir auch!) Wir müssen schnell helfen, und über die Finanzämter können wir schnell helfen. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Es gibt zumindest zwei Punkte, betreffend die nicht jene Klarheit herrscht, die alle brauchen. Das eine sind die Mieten: Ein kleines Unternehmen, das jetzt behördlich zu­gesperrt wurde, das keinerlei Einnahmen mehr hat, hat jetzt eine Lösung für die Mit­arbeiter, aber es hat keine Lösung für die Miete. Jetzt wochen- und wahrscheinlich mo­natelang Miete zu zahlen, ohne Einnahmen zu haben, das wird nicht gehen.

Es gibt ein allgemeines Gesetz, ein 100 Jahre altes Gesetz, von dem viele sagen, das gelte eh (Abg. Scherak: 300 Jahre! – Abg. Meinl-Reisinger: Nicht über das ABGB schimpfen!); andere sagen, das werde nicht gelten. Das ist nicht die Sicherheit, die wir brauchen. Unterschiedliche Richter werden das womöglich unterschiedlich sehen. Wir brauchen Klarheit, deswegen haben wir gesagt: Schreiben wir das ins Gesetz hinein! Die Unternehmen, die behördlich zugesperrt worden sind, brauchen für die Dauer der Sperre keine Miete zu zahlen, weil wir sie dazu zwingen, zuzusperren. Diese Klarheit fehlt. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Eine weitere Unklarheit betrifft die Steuerbefreiung. Im ursprünglichen Entwurf war ein­fach eine Klarstellung drinnen: Alle Hilfen aus diesen verschiedenen Töpfen sind steu­erfrei. – Das ist jetzt gestrichen worden. Die im Finanzministerium sagen, wir brauchen das nicht reinzuschreiben, weil das eh steuerfrei sei. – Ganz ehrlich: Dann schreiben wir es trotzdem rein, weil es dann für alle klar ist, wenn es dort schwarz auf weiß steht, dann ist es klargestellt; und wir brauchen diese Klarheit für die Arbeitnehmer, wir brau­chen diese Klarheit für die Kleinstbetriebe und auch für die großen Betriebe. Wir brau­chen diese Klarheit, und das kann man auch reinschreiben, um diese Klarheit zu er­reichen, damit es nicht, wie es betreffend Kurzarbeit war, ein paar Tage Unklarheit gibt und Zigtausende Arbeitslose, die wir uns hätten ersparen können. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Worauf wir auch wirklich achten müssen, sind Ungerechtigkeiten. Im Moment ist es so, dass zum Beispiel Betriebe in Ischgl 100 Prozent Ersatz bekommen, Betriebe in Obertauern nicht. – Das geht nicht. Wir brauchen die gleichen Regeln für alle Betriebe in Österreich. Die Hotels in Obertauern leiden jetzt genauso wie die Hotels in Ischgl oder in Sankt Anton, aber die einen bekommen mehr, die anderen weniger. Das geht nicht. Wir brauchen eine faire Behandlung aller, und da ist vor allem der Bundeskanzler gefordert, dass er dafür sorgt, dass die Verordnungen, die es in Tirol gegeben hat, ge­nau so sind, wie sie für ganz Österreich gelten. Das brauchen wir. Wir brauchen diese Gerechtigkeit.

Ein letzter Punkt noch: Wir müssen jetzt über Themen reden, die vor wenigen Wochen noch unklar und strittig waren. Ich bringe jetzt nur zwei Beispiele: Das eine ist natürlich ein bedingungsloses Grundeinkommen; wenn das einen Sinn macht, dann muss man darüber nachdenken, ob wir das jetzt zumindest befristet brauchen. Das Zweite ist das sogenannte Helikoptergeld, das ist ein Notenbankinstrument.

Das sind Dinge, über die wir jetzt einfach tabulos diskutieren müssen, dahin gehend, ob wir das brauchen, denn ich fürchte, diese Krise ist nicht eine Krise von Tagen oder von Wochen, sondern da wird es – wie der Gesundheitsminister immer sagt – um Mo­nate gehen, und da werden wir über weitere Instrumente nachdenken müssen. – Vie­len Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

12.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte.