13.43

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Bürger und Bürgerinnen, EinwohnerInnen des Landes, insbesondere ungarische BewohnerInnen und Gäste in diesem Land! Wir müssen uns – das wurde mehrfach gesagt – deutlich mit der Situ­ation in Ungarn auseinandersetzen.

Kollege Leichtfried hat es vorhin angesprochen: Es gab vor zwei Tagen eine Erklärung, in der sich 13 europäische Regierungen geäußert haben. Die österreichische war nicht dabei. Ich bin dafür auch ein bisschen verantwortlich, weil ich, als diese Erklärung vor­gelegt wurde – da wird Ungarn nicht einmal erwähnt; das ist eine Wischiwaschi­erklä­rung, dass man ein bisschen auf Rechte achten muss –, gesagt habe: Da brauchst ned dabei sein, wenn Ungarn ned drinsteht! So schaut es nämlich aus.

Ich habe das fast falsch gefunden, ich habe mir fast gedacht: Na, vielleicht hätten wir das doch mittragen müssen!, bis heute etwas Besonderes passiert ist: Ungarn, die Regierung Orbán, hat sich dieser Erklärung angeschlossen. Die Erklärung ist so ein Wischiwaschi, dass sogar Orbán selber erklären kann, man muss die Demokratie schützen.

Das kann es nicht sein. Wir brauchen etwas Schärferes, wir brauchen etwas Kon­kreteres. Wir müssen Ungarn beim Namen nennen (Beifall bei den Grünen), und aus diesem Grund werden wir einen solchen Antrag einbringen und werden das tatsächlich beim Namen nennen.

Ich begrüße ausdrücklich die Anträge der NEOS und der SPÖ, die an dieser Aus­einan­dersetzung vollkommen richtig Dinge kritisieren. Wir haben versucht, das zusam­men­zufassen und noch etwas einzubringen. Mir fehlt nämlich eine Sache, und die halte ich für irrsinnig wichtig: Wir als österreichischer Nationalrat, als österreichisches Parla­ment, sollten uns mit jenen Parlamentariern in Ungarn solidarisch erklären, sie unter­stützen und ihnen unsere Unterstützung aussprechen, die sich gegen diese Selbst­ausschaltung durch eine Mehrheit des Parlaments wehren und die versuchen, die alten Rechte des Parlaments in Zukunft wiederherzustellen. Die haben es verdient, dass wir als Parlament erklären, dass wir an ihrer Seite stehen – und das werden wir in unserem Antrag machen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich lade Sie ein, da mitzugehen und das zu unterstützen. Ich halte das für dringend notwendig. In diesem Sinne möchte ich den Entschließungsantrag einbringen, es ist ein Antrag von mir und von Kollegen Lopatka.

Wenn Sie mir eines noch erlauben – das ist wichtig –, 30 Sekunden: Die öster­reichi­sche Bundesregierung hält den Gesprächskontakt zur ungarischen Regierung aufrecht, und das ist wichtig. Ich weiß, es gibt immer diese Grundsatzdiskussion: Wie lange soll man mit Erdoğan noch reden? Wie lange soll man mit den Saudis noch reden? – Wir müssen mit einer europäischen Regierung reden. Europaministerin Edtstadler ist da jeden Tag dran. Der Druck kann auch nur durch Reden entstehen. Insofern ist das vollkommen richtig.

Der Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Michel Reimon, MBA, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „aktuelle Situation in Ungarn“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

- sich weiterhin im direkten Gespräch mit ungarischen Regierungsvertretern für eine sofortige Rücknahme aller Notstandsgesetze und Sonderrechte nach Bewältigung der Corona-Krise einzusetzen“ (Abg. Scherak: Nicht nach der Krise, jetzt! – Abg. Meinl-Reisinger: Jetzt, nicht nach der Krise!),

„- sich auf europäischer Ebene weiterhin dafür einzusetzen, dass die Notmaßnahmen, die von EU-Mitgliedstaaten einschließlich von Seiten der ungarischen Regierung ge­troffen worden sind, im Hinblick auf die Wahrung der Europäischen Grundwerte von Seiten der Europäischen Kommission genau beobachtet werden.

- darauf hinzuwirken, dass diese Sonderrechte nach Beendigung der jetzigen Krise umgehend wieder zurückgesetzt werden.“ (Abg. Meinl-Reisinger: Wieso „nach“?) – Frau Meinl-Reisinger, es wäre respektvoll, wenn Sie zuhören würden, wie die unga­rische Regierung kritisiert wird; gleich hineinzureden, bevor Sie es sich angehört haben, ist schwierig –

„- sich dafür einzusetzen, dass die in den EU Mitgliedstaaten beschlossenen Sonder-Maßnahmen in Zusammenhang mit COVID-19 nicht zu einer Aushöhlung europäischer Werte führen.“ – Und schließlich, dabei geht es um die Kontrolle des Geldes: –

„- sich weiterhin dafür einzusetzen, dass im nächsten MFR ein Rechts­staatlich­keits­mechanismus eingeführt wird, um die Vergabe von EU-Mitteln stärker mit den euro­päischen Grundprinzipien zu verknüpfen.“

*****

Das ist der Antrag. Beim Geld wird es Orbán wohl am meisten spüren. Ich bitte Sie, das zu unterstützen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Reinhold Lopatka, Michel Reimon, Kolleginnen und Kollegen

betreffend aktuelle Situation in Ungarn

eingebracht in Zuge der Debatte zu TOP 1 Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema "Aktuelle Entwicklungen zum CoronaVirus SARSCoV-2/COVID-19"

Weltweit ergreifen Staaten Maßnahmen um ihre Bevölkerung vor COVID-19 zu schüt­zen, auch in Österreich ist die Bundesregierung bereits seit Wochen damit beschäftigt, die Verbreitung des Virus zu verhindern, gleichzeitig das Gesundheitssystem best­möglich auf die kommenden Wochen vorzubereiten und auch Sofortmaßnahmen, die viele Bereiche der in Österreich lebenden Menschen betrifft, vorzunehmen. Dabei wird selbstverständlich darauf geachtet, dass alle diese Maßnahmen den Grundrechten nicht widersprechen und im Einklang mit den auf Demokratie und Freiheit basierenden Europäischen Grundwerten stehen.

Auch in Ungarn gibt es aufgrund der Situation rund um COVID-19 Entwicklungen, die den ungarischen Premierminister Victor Orbàn dazu veranlasst haben, ein Notstands­gesetz auf den Weg zu bringen, das dem Premierminister umfangreich Ermäch­ti­gungen während dieser Krisenzeit und darüber hinaus erteilt. Die Durchführung und Beendigung dieser Maßnahmen - unter Einhaltung geltender europäischer demokra­tischer Werte und Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit - wird genau zu beobachten sein.

Ein entschiedenes Vorgehen gegen Desinformation ist essentiell, diesbezügliche Maß­nahmen müssen jedoch verhältnismäßig und im Einklang mit europäischen Grundprin­zipien wie der Pressefreiheit sein.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommentierte die Entwicklungen in Ungarn so, dass es von größter Wichtigkeit sei, dass „die Notmaßnahmen nicht auf Kosten unserer grundlegenden Prinzipien und Werte gehen, wie sie in den Verträgen festgelegt sind“. Auch die zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission Věra Jourová hat das Gesetz bereits prüfen lassen, die Anwendung wird sehr genau von Seiten der Europäischen Kommission verfolgt.

Eine grundlegende Prüfung dieser Maßnahmen unter allen Blickwinkeln der Einhaltung der Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit wurde, wie es von Seiten der Europäischen Kommission zugesagt wurde, von den unterfertigten Abgeordneten begrüßt.

Als Abgeordnete des österreichischen Nationalrats unterstützen wir die Bemühungen aller ungarischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die für eine Stärkung ihres Parlaments und die Wiederherstellung seiner ursprünglichen Kompetenzen umgehend nach Beendigung der Krise eintreten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

- sich weiterhin im direkten Gespräch mit ungarischen Regierungsvertretern für eine sofortige Rücknahme aller Notstandsgesetze und Sonderrechte nach Bewältigung der Corona-Krise einzusetzen

- sich auf europäischer Ebene weiterhin dafür einzusetzen, dass die Notmaßnahmen, die von EU-Mitgliedstaaten einschließlich von Seiten der ungarischen Regierung ge­troffen worden sind, im Hinblick auf die Wahrung der Europäischen Grundwerte von Seiten der Europäischen Kommission genau beobachtet werden.

- darauf hinzuwirken, dass diese Sonderrechte nach Beendigung der jetzigen Krise umgehend wieder zurückgesetzt werden.

- sich dafür einzusetzen, dass die in den EU Mitgliedstaaten beschlossenen Sonder-Maßnahmen in Zusammenhang mit COVID-19 nicht zu einer Aushöhlung europäischer Werte führen.

- sich weiterhin dafür einzusetzen, dass im nächsten MFR ein Rechtsstaatlich­keits­mechanismus eingeführt wird, um die Vergabe von EU-Mitteln stärker mit den euro­päischen Grundprinzipien zu verknüpfen.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, zu reinigen – auch die Glasscheibe. – Danke.

Gemäß dem in der Präsidialkonferenz einvernehmlich festgelegten Abstimmungs­pro­zedere werden wir die Abstimmung am Ende der Sitzung durchführen.