17.01

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Wir diskutieren hier ja auch um­fassende Änderungen im Verwaltungsstrafverfahren, und ich glaube, es ist daher ganz spannend, sich einmal zurückzuerinnern, mit welchen Auflagen, mit welchen Verboten und Geboten die Bürgerinnen und Bürger in den letzten Wochen konfrontiert waren.

Wir haben gehört, dass man nicht außer Haus gehen darf, und wenn, dann nur aus vier bestimmten Gründen. Wir haben gehört, dass man, wenn, dann nur kurz außer Haus gehen darf. Wir haben gehört, dass man nicht auf einer Parkbank sitzen darf, wir haben gehört, dass man in der Öffentlichkeit nicht mehr Bier trinken darf. Die Men­schen haben gehört, dass man sich nicht mit Menschen aus anderen Haushalten tref­fen darf. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Leute haben gehört, dass sie nicht mit ihrem Lebenspartner laufen gehen dürfen. Man hat gehört, man darf niemand anderen zu Hause besuchen. Wir haben gehört, dass man im Supermarkt nur das einkaufen darf, was unbedingt notwendig ist. – Das sind alles Verbote oder Anweisungen, die in den letzten Wochen einerseits von der Bundesregierung oder auch von Polizistinnen und Polizisten kommuniziert wurden, und ich sage Ihnen etwas, liebe Österreicherin­nen und Österreicher: Das stimmt alles nicht. Diese Gesetze gibt es schlichtweg nicht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Bundesregierung erzählt uns aber jede Woche irgendetwas Neues und erzählt – in Wirklichkeit – von einem neuen Wunsch, und heute hat sie ein neues Kapitel aufge­schlagen: Wir haben am Vormittag eine E-Mail vom Kabinettschef des Bundeskanzlers bekommen – vielen bekannt, ein gewisser Herr Bonelli –, der eine Presseinformation – überraschenderweise, glaube ich, nur an die Oppositionsklubs – geschickt hat, in der steht, dass auch im privaten Bereich empfohlen wird, dass man sich weiterhin an die Regeln hält. – Empfehlungen kann man ja abgeben, das ist ja schön.

Weiters steht darin: Es wird im privaten Bereich vorerst keine Kontrollen geben. – Frau Bundesministerin, meinen Sie das ernst? Auf welche Gesetze beruft Herr Bonelli sich da? Gibt es diese Gesetze jetzt schon? – Ich sage Ihnen etwas: Dieses Gesetz gibt es nicht. Es gibt das unumstößliche Hausrecht aus dem Staatsgrundgesetz, und Sie ha­ben gar nicht die Möglichkeit, bei mir zu Hause irgendetwas zu kontrollieren und zu schauen, was ich gerade mache. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Wenn Sie aber vorhaben, die Gesetze zu ändern, dann sage ich Ihnen, dass das eine ganz schlechte Idee ist. Es gibt nämlich einen guten Grund, dass wir in Österreich so fundamentale Grund- und Freiheitsrechte haben und Sie diese Gesetze nicht einfach so mit Ihren Wünschen, Ihren Hoffnungen, Ihren Ideen ändern können. Wir leben näm­lich in einem Rechtsstaat, und das, was Sie mittlerweile machen, hat mit einem Rechtsstaat sehr, sehr wenig zu tun. Das ist Angstmache und das ist reine Willkür. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn wir als NEOS, oder auch Expertinnen und Experten, davor warnen und verfas­sungsrechtliche Bedenken äußern, dann sagt der Herr Bundeskanzler: Na, über „juris­tische Spitzfindigkeiten“ reden wir vielleicht später. – Bundesminister Anschober hat heute gesagt, er finde die Debatte über das Treffen von Menschen bei sich zu Hause „bizarr“.

Weiters ist natürlich auch spannend, was dann im Verfassungsausschuss des österrei­chischen Parlaments passiert. Da gab es beim letzten Mal einen Antrag der FPÖ, in dem wörtlich gestanden ist: „Alle Regierungsmitglieder, die Verordnungen und Erlässe im Zusammenhang mit der ,Covid-19-Krise‘ erlassen haben werden aufgefordert, diese auf ihre Gesetzes- und Verfassungskonformität unter Einbindung“ von Ihnen, Frau Bundesministerin, und vom Verfassungsdienst „zu überprüfen und gegebenenfalls ab­zuändern“. – Und was machen ÖVP und Grüne? – Sie stimmen dagegen!

Es ist ÖVP und Grünen egal, ob unsere Gesetze verfassungskonform und die Ver­ordnungen gesetzeskonform sind. Es ist Ihnen egal – Sie wollen nicht, dass der Ver­fassungsdienst sie prüft. Ich habe dann gehört, er dürfe eh, aber Sie sind gegen diesen Antrag, weil es Ihnen vollkommen egal ist, wie unsere grundlegenden Freiheitsrechte in den letzten Wochen mit Füßen getreten wurden. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

Frau Kollegin Rössler hat dann etwas Besonderes gemacht, sie hat um Verständnis gebeten: Sie hat um Verständnis gebeten, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsministerium ja in einer besonderen Situation sind und jetzt besonders viel arbeiten und dass da halt auch Fehler passieren können. Ich habe eh Verständnis – das ist eine besondere Situation für alle –, das Verständnis ändert aber noch nichts daran, dass jegliche Maßnahmen gesetzeskonform sein müssen und jegliche Gesetze verfassungskonform sein müssen und dass es eben nicht um juristische Spitzfindig­keiten geht, sondern um unsere fundamentalen Grund- und Freiheitsrechte. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Besonders beschämend finde ich es ja, dass die Grünen gegen solche Anträge stim­men. Sie waren ja angeblich einmal eine Grundrechtspartei. Sie haben sich angeblich einmal für den Rechtsstaat eingesetzt. Wissen Sie, was Sie jetzt sind? – Sie sind eine Schönwettergrundrechtspartei, denn in der Krise sind Ihnen unsere Grund- und Frei­heitsrechte vollkommen egal, und wir hören jedes Mal: Wir können uns das nach der Krise anschauen. – Das haben Sie bei Ungarn schon gemacht: Den Parlamentarismus in Ungarn sollen wir dann wiederherstellen, wenn die Krise vorbei ist. Sie sagen uns jetzt, wir sollen all die Gesetze dann prüfen, wenn die Krise vorbei ist. – Sie haben als Grundrechtspartei vollkommen abgedankt. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeord­neten von SPÖ und FPÖ.)

Ich finde das Verständnis ja auch so spannend – man soll Verständnis für die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsministerium haben. Ich frage Sie einmal, wer Verständnis für die Bürgerinnen und Bürger in Österreich hat, die in den letzten Wochen mit Strafen eingedeckt wurden: Wer hat denn Verständnis für den Mindest­pensionisten, der 500 Euro zahlen musste, weil er am Weg in die Apotheke war? Wer hat denn Verständnis für die Mutter, die 500 Euro zahlen musste, weil ihre Kinder an­deren Kindern zu nahe gekommen sind? – Da bringt es mir nichts, wenn mir der Bun­deskanzler sagt: Na ja, man kann ja eh dann nach der Krise zum Verfassungsgerichts­hof gehen. – Diese Leute werden das nicht beeinspruchen und sie werden auch nicht zum Verfassungsgerichtshof gehen, weil sie Angst haben, weil Sie ihnen Angst ma­chen und uns andauernd irgendwelche Dinge erzählen, die schlichtweg nicht stimmen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Fürst.)

Als wir als NEOS dann vorgebracht haben, dass man beim Verfassungsgerichtshof vielleicht Eilverfahren braucht, wie es sie zum Beispiel in Deutschland schon gibt, so­dass man ganz schnell schauen kann, ob entsprechende Gesetze verfassungskonform sind, haben mir wiederum die Grünen, aber auch die ÖVP, erklärt: Na ja, wir sollten da jetzt nicht schnell etwas machen. Wir schauen uns das nach der Krise an. Wir können nach der Krise darüber diskutieren, wie das denn ist und ob man vielleicht in Zukunft auch den Verfassungsgerichtshof schnell etwas prüfen lässt.

Wir können uns nach der Krise anschauen, ob Sie unsere Grund- und Freiheitsrechte über das notwendige Ausmaß eingeschränkt haben; wir sollen jetzt bitte Verständnis haben, dass ja vielleicht einmal ein paar Fehler passieren können. – Das hat mit einem Rechtsstaat schlichtweg nichts mehr zu tun. (Beifall und Bravorufe bei den NEOS sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.08

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.