9.59

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Vielleicht kurz zum Kollegen Ofenauer: Herr Kollege, Sie haben sich an die Seite (in Richtung SPÖ zeigend) der Genossinnen und Genossen im Saal gewendet und gesagt: Immer dann, wenn es vor Wahlen schnell gehen muss, wenn es nämlich um die Zuckerln geht, braucht es keine Begutachtungen.

Herr Kollege, ich wende mich jetzt an diese Seite (in Richtung ÖVP zeigend) der Ge­nossinnen und Genossen in diesem Saal. Ich erinnere mich an die doppelte Pensionserhöhung, die Sie beim letzten Mal mit beschlossen haben; ich erinnere mich an die abschlagsfreie Frühpension, bei der die ÖVP mitgestimmt hat; und ich erinnere mich auch an die Abschaffung des Pflegeregresses ohne Gegenfinanzierung. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Schauen Sie in Ihren eigenen Reihen! (Beifall bei den NEOS.)

Kommen wir aber zum Thema, über das wir heute hier diskutieren.

Wir haben ja die Diskussion hier schon öfter gehabt: Wir leben immer noch in einem Land, in dem das Parlament aus zwei Kammern besteht. Es gibt den Nationalrat und den Bundesrat, und man kann ohne Weiteres über die Rolle des Bundesrates sehr trefflich diskutieren; da stehe ich ja nicht an. Ich glaube auch, dass es nicht sonderlich sinnvoll ist, dass er nur Beharrungsbeschlüsse machen kann. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Er sollte entweder inhaltlich mehr verändern können, oder man sollte sich darüber Gedanken machen, ob es so sinnvoll ist. Momentan ist es aber halt einmal so, das sieht unsere Verfassung so vor. Diese beiden Kammern sind nicht ganz gleich­berechtigt, aber nichtsdestotrotz arbeiten sie gemeinsam die Gesetzgebung des Bun­des aus.

Es gab ja einmal eine politische Partei in Österreich, die sich immer ganz besonders der Demokratie verschrieben hat, die ganz besonders für Parlamentarismus einge­standen ist, die immer Begutachtungen eingefordert hat, die die Einbindung der Zivilgesellschaft immer groß eingefordert hat, und dann, Frau Kollegin Maurer, gab es halt diese Aussage vom „zynischen Sabotageakt“. Das war schon einigermaßen irritierend. Jetzt haben Sie gesagt, das war anders gemeint. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) – Ich nehme einmal an, das war wirklich so, Sie haben sich entschuldigt. Stellen wir uns aber einmal vor, ein Innenminister Kickl hätte das gesagt. Der Auf­schrei, der durch dieses Land gegangen wäre – insbesondere von den Grünen –, wäre so dermaßen gewesen. Dementsprechend sollte man vielleicht besonders aufpassen, welche Worte man in den Mund nimmt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Neuer­licher Zwischenruf der Abg. Maurer.)

Wir haben uns gefragt, worum es inhaltlich geht, und uns die Frage gestellt, ob die Ein­sprüche des Bundesrates inhaltlich gerechtfertigt sind. Es steht mir ja nicht an – der Bundesrat hat momentan eine Mehrheit aus FPÖ und SPÖ, und diese können, aus welchen Gründen auch immer, Einspruch erheben. Sie haben es aber auch inhaltlich begründet, und dazu möchte ich kurz kommen:

Kollege Loacker hat schon die Frage der Daten angesprochen. Auch dazu hat der Gesundheitsminister gesagt, da gibt es unterschiedliche Ansichten. Insofern hat der Bundesrat das also inhaltlich begründet, weil er offensichtlich unterschiedliche An­sichten als ÖVP und Grüne hat.

Dann gibt es die Frage im Zusammenhang mit den Veranstaltungen. Ich habe mir die momentane Gesetzeslage noch einmal ausgedruckt. Momentan ist es so, dass § 15 Epidemiegesetz besagt, dass die Bezirksverwaltungsbehörde „Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen, zu untersagen“ hat, „sofern und solange dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist.“

Das soll heißen: Ich mache eine Veranstaltung und da kommen 100 Leute in einem schmalen Raum zusammen, ohne Mundschutz vielleicht. Nach der momentanen Ge­setzeslage würde die Bezirksverwaltungsbehörde sagen: Ja, das ist unbedingt erfor­derlich, um eventuell das Auftreten einer meldepflichtigen Krankheit zu verhindern, und deswegen muss ich das untersagen. – Dann würde ich mir als Veranstalter überlegen: Vielleicht mache ich die Veranstaltung anders, unter gewissen Voraussetzungen, und schaue, dass Abstand gehalten wird. Die SPÖ hat ihren Parteivorstand – ich glaube, so heißt es – mit unfassbar viel Abstand gemeinsam gemacht, und sie haben das, glaube ich, auch selber zustande gebracht, dass sie diesen Abstand halten. Dem­entsprechend hat das ja auch ohne Weiteres durchgeführt werden können. (Zwischen­ruf des Abg. Matznetter.)

In Zukunft soll es so sein, dass die Behörde nach bestimmten Ermessensdingen entscheiden kann, ob die Veranstaltung durchgeführt wird. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Herr Bundesminister, jetzt ist halt das Problem, dass das eine Vertrauenssache ist. Es ist eine Vertrauenssache, Herr Bundesminister! Es waren Sie, der es geschafft hat, eine Verordnung zu erlassen, die mit ziemlicher Sicherheit ursprünglich gesetzwidrig war. Sie erinnern sich, vor dem Betreten öffent­licher Orte kann man einzelne Orte abschließen. Sie haben beschlossen, es sind alle öffentlichen Orte nicht mehr zu betreten – es war Ihr Ostererlass. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Es ist die Situation, dass Behörden Leute strafen, ohne dass es ge­setzliche Grundlagen gibt. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Da ist mir die momentane Gesetzeslage schlichtweg lieber, weil da klar ist, dass nur dann die Veranstaltung verboten werden kann, wenn es unbedingt erforderlich ist. (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.)

Wir haben vor Kurzem gehört, dass es zum Beispiel im Bezirk Reutte keinen einzigen mit Corona Infizierten mehr gibt. Es kann keinen Grund geben, dass auch nur eine einzige Veranstaltung beispielsweise im Bezirk Reutte verboten wird, denn es wird keine Möglichkeit geben, dass die Erkrankung entsprechend weitergegeben wird.

Das i-Tüpfelchen auf dem Ganzen ist die berühmte Sunsetclause. Ich höre immer wieder: Ja, das ist nicht so schlimm, denn das ist ja eine sinnvolle Änderung, die wir jetzt machen. – Ich bin der Meinung, dass man bei all diesen Maßnahmen eine Sunsetclause brauchen sollte. Sie sagen uns ja auch immer, Sie wollen das grund­legend ändern. Jetzt kann man sagen, man könnte dem glauben, dass Sie sagen, Sie wollen das grundlegend ändern, ich jedenfalls habe meine Zweifel, dass das nachher auch wieder hinausfällt.

Dann höre ich immer wieder die Expertinnen und Experten, die sich dazu gemeldet haben. Selbstverständlich sind viele oder wahrscheinlich alle von diesen anerkannte Verfassungsjuristen, aber es ist ein Unterschied, ob ich ein paar Expertinnen und Experten einlade und dazu befrage oder ob ich ein formelles Begutachtungsverfahren mache. Ich bin kein Universitätsprofessor, aber ich bin zumindest auch Verfas­sungs­jurist, und ich habe meine Zweifel, dass diese Regelung besser ist, und ich habe auch meine Zweifel, ob sie verfassungsrechtlich entsprechend hält.

Mein letzter Punkt noch: Sie haben ja gewusst, dass FPÖ und SPÖ im Bundesrat nicht zustimmen werden. Das heißt, in meinem Verständnis von parlamentarischen Frak­tionen ist es so, dass höchstwahrscheinlich die FPÖ-Nationalratsfraktion mit ihren Kollegen im Bundesrat redet und sie wahrscheinlich eine gemeinsame Meinungs­bildung machen. Ich gehe einmal davon aus, dass das die SPÖ detto gemacht haben wird. Ich weiß nicht, wie das bei den Grünen ist, vielleicht reden sie nicht mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat. Es war also schon absehbar, dass sie nicht zustimmen werden. Sich dann zu wundern, dass man keine Mehrheit in einem Gremium kriegt, wenn man von Anfang an weiß, dass man sie nicht kriegt, ist schon einigermaßen absurd.

Da muss man halt auf die Opposition zugehen und alle – egal, wie viele es sind – Einwürfe, die die Opposition hat, auch entsprechend ändern, Frau Kollegin Maurer, denn sonst wird man keine Mehrheit kriegen. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Maurer und Jakob Schwarz.) Das ist eine einfache mathematische Rechnung. Die Regierungsparteien haben keine Mehrheit im Bundesrat. Wenn sie dort eine haben wollen, dann müssen Sie mit den Forderungen, die in dem Fall SPÖ oder FPÖ haben, auch entsprechend umgehen.

Im Ergebnis ist eines klar: Die Grünen haben ja eh schon vor Wochen quasi als Rechtsstaatspartei abgedankt. Sie haben als Grundrechtspartei abgedankt, und jetzt haben Sie es auch noch geschafft, als Partei des gelebten Parlamentarismus abzu­danken. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Leichtfried: Das war eine recht anstän­dige Rede!)

10.06

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.