11.37

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir debattieren einen Antrag des Finanzministers, ihm eine Ermächtigung zu geben, im Rahmen des ESM Finanzhilfen gewähren zu können. Bevor ich zu einer politischen Bewertung komme, möchte ich gerne kurz die technische Umsetzung dieses Programmes erläutern, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass man einmal die technische Umsetzung versteht, bevor man zu einer politischen Bewertung kommt.

Ausgangspunkt des ESM war natürlich die Finanzkrise 2008, das hat dann zu einer europäischen Solidarität geführt. Einzelne Staaten sind ins Trudeln gekommen, ich nenne Griechenland, ich nenne Zypern, ich nenne Irland, aber auch andere. Was hat man dann gemacht? – Vereinfacht gesagt ist man hergegangen und hat auf euro­päischer Ebene eine ähnliche Institution geschaffen wie eine Bank, eine Institution, die quasi Mitgliedstaaten, die ins Trudeln kommen, entsprechend günstige Kreditlinien zur Verfügung stellen kann.

Wie funktioniert das technisch im Hintergrund? – Der ESM wurde mit Eigenkapital aus­gestattet, in Summe waren es 19 Milliarden Euro, davon wurden 2,8 Prozent aus Österreich beigesteuert, das sind 2,2 Milliarden Euro; das ist die Eigenkapitalbasis. Gleichzeitig gibt es aber auch Haftungen dahinter. In Summe sind das 700 Milliarden Euro, die als Rettungsschirm über das gesamte Volumen gespannt worden sind, und 19 Milliarden Euro davon kamen aus Österreich.

Die Gründung des ESM erfolgte 2012, das ist jetzt acht Jahre her, und es ist vielleicht auch an der Zeit, den ESM zu bewerten: Hat dieses Instrument funktioniert oder hat es nicht funktioniert? – Wenn man sich die Entwicklungen in den einzelnen Programm­ländern anschaut, dann, glaube ich, kommt man ganz eindeutig zur Erkenntnis, dass der ESM als Stabilitätsmechanismus auf europäischer Ebene und damit auch in den Mitgliedsländern hervorragend funktioniert hat. Er hat Vertrauen in der damals wirtschaftlich sehr, sehr unsicheren Zeit geschaffen.

Wichtig war auch – und das möchte ich schon auch politisch betonen –, dass auch intensiv über die Konditionalitäten diskutiert wurde, gar keine Frage. Die große politi­sche Frage steht immer dahinter: Die einen haben die Haftungen und die anderen geben das Geld aus. Klar ist ja auch, dass es da entsprechende Rahmenbedingungen braucht, unter denen das funktionieren kann.

Der ESM hat ein AAA-Rating, das beste Rating, das auf internationalen Kapitalmärkten möglich ist. Der ESM hat – und das halte ich schon auch für wichtig – eine eigene Budgetpolitik in den jeweiligen Mitgliedsländern ermöglicht, weil es natürlich niemals – und da bin ich bei den Coronabonds – zu einer Vergemeinschaftung der Schulden kommen soll und darf. Und das Allerwichtigste vielleicht zum Schluss: Der ESM hat den einzelnen Mitgliedstaaten 2018 eine Ersparnis von 17 Milliarden Euro gebracht. Das ist eine ganz konkrete Hilfe, die über diese technische Lösung funktioniert.

Kurzer Blick in die Programmländer: Zypern: 6,3 Milliarden Euro Inanspruchnahme; vor der Coronakrise – muss man natürlich dazusagen – wieder auf einem Wachstumskurs; der Finanzmarkt hat sich stabilisiert; 2019 hat es sogar einen Budgetüberschuss gegeben. Wenn man das mit der Zeit während der Wirtschaftskrise vergleicht, dann ist das, muss man sagen, eine beachtliche Entwicklung.

Das größte Sorgenkind, das wissen wir alle, war Griechenland: zahlreiche Programme auf europäischer Ebene, 200 Milliarden Euro in Summe; große Kritik damals, es sei so quasi der Sozialstaat, und so weiter. Aber man muss halt zu Griechenland auch immer dazusagen: hohe Militärausgaben, hohe Ausgaben im öffentlichen Sektor, Probleme bei der Steuereinhebung und mittlerweile vieles mehr. Aber auch Griechenland hat es im letzten Jahr, vor der Coronakrise, geschafft, wieder auf einen Wachstumspfad zurückzukehren. Die Arbeitslosigkeit ist Gott sei Dank wieder gesunken, und die Pri­märüberschüsse waren sehr beachtlich.

Zu den anderen Programmländern: Spanien: 41 Milliarden Euro Inanspruchnahme; vorzeitige Rückzahlung dieser Gelder. Auch dort hat dieses Programm hervorragend funktioniert.

Irland – das Land, in dem es vielleicht sogar am besten funktioniert hat –: 18 Milliarden Euro Inanspruchnahme, im Vorgängerprogramm; mittlerweile ist der Schuldenstand stark reduziert worden, ist die Arbeitslosigkeit gesunken.

Das Vorzeigeland ist Portugal, dort hat die Stabilisierung am besten funktioniert.

Ich möchte schon betonen, dass wir natürlich als Österreich gerade als Exportnation auch vitales Interesse daran haben, dass diese Systeme funktionieren. Italien zum Beispiel ist für uns ein wichtiger Exportmarkt, und nur, wenn der nationale Markt dort funktioniert, haben wir auch die Chance, in Zukunft wieder entsprechend exportieren zu können.

Ich halte diese Lösung, die jetzt getroffen worden ist, für sehr ausgewogen. Wir haben schon gehört, der ehemalige Staatssekretär Fuchs, der ja, denke ich einmal, vor eineinhalb Jahren noch eine ganz andere Position in dieser Frage hatte, hat gesagt, das gehe alles gar nicht, und zumindest in den Ausschussberatungen war es so, dass die SPÖ gesagt hat, das sei alles zu wenig und da müsse noch viel mehr passieren. Wir werden sehen, wir stehen da schön in der Mitte, sehr ausgewogen, zeigen europäische Stabilität, aber natürlich mit entsprechenden Rahmenbedingungen.

Ich möchte mich abschließend noch beim Finanzministerium bedanken. Aus meiner Sicht ist der Ausschuss sehr gut vorbereitet worden; ich schaue da direkt Frau Kollegin Doppelbauer an. Es hat ein technisches Briefing gegeben, es hat aus meiner Sicht gestern auch eine sehr, sehr gute Diskussion im Ständigen Unterausschuss gegeben. Ich darf mich für diese Informationen bedanken, die wir da im Vorfeld bekommen haben, um das auch intensiv und gut diskutieren zu können.

Aus meiner Sicht, aus unserer Sicht liegt ein sehr, sehr ausgewogener Vorschlag auf dem Tisch, und wir können mit ruhigem Gewissen den Finanzminister ermächtigen, die entsprechenden Beschlüsse auf europäischer Ebene mitzutragen. – Herzlichen Dank und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.43

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt bin ich neugierig! – Abg. Leichtfried: Ja, aber zu Recht!)