16.44

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Herr Bundeskanzler, Sie haben Frage 11, „Warum wurde das Angebot der EU-Kommission zur Beschaffung von Schutzausrüstung bereits im Jänner 2020 von Ihrer Seite abgelehnt?“, nicht richtig beantwortet. Es gibt Sitzungsprotokolle von einem nicht unbedingt regierungskritischen Journalisten aus Brüssel, der bestätigt, dass das Gesundheitsministerium die Beorderung von Schutzausrüstung abgelehnt hat, weil sozusagen alles im Griff war. Das möchten wir ganz klar darstellen, so ist es.

Ich gebe Kollegen Haubner recht, es gibt kein Handbuch. Das ist völlig richtig, es gibt natürlich kein Handbuch für eine Coronakrise. Was ich hier aber schon feststellen muss, und das macht mich eigentlich traurig, ist, dass es bei einer Regierungspartei wie der ÖVP eigentlich auch kein Mitgefühl und kein unternehmerisches Denken gibt. Dahin ge­hend gibt es relativ wenig, und das möchte ich auch klar darlegen; ich komme in einem Moment dazu.

Der Bundeskanzler hat einmal gesagt, wir alle werden bald jemanden kennen – aus un­serer Umgebung, aus unserer Familie, aus unserem Bekanntenkreis –, der sterben wird. Er hat von 100 000 Toten gesprochen. Eines muss ich Ihnen sagen: Wir werden, wenn wir nicht jetzt das Ruder herumreißen, Hunderttausende Unternehmer haben, die in­solvent gehen. Das ist das Kernproblem. Und woran liegt es? Zu Ihrer Huldigung, dass wir so gut sind: Was die Kurzarbeit betrifft, brauche ich nur zu unserem Nachbarn Schweiz zu schauen. In der Schweiz ist die Arbeitslosenrate – im Verhältnis zu Öster­reich – nicht sehr stark gestiegen, in der Schweiz wurden 100 Prozent der Kosten der Kurzarbeit übernommen, in der Schweiz gab es eine Regelung, die Unternehmenshilfen sehr rasch und unbürokratisch ermöglicht hat. Es gab Kredite, mit 0 Prozent verzinst, innerhalb von fünf Jahren zurückzuzahlen, mit hundertprozentiger Haftungsübernahme, und innerhalb von 24 Stunden war das Geld auf dem Konto. – Bis heute sind wir noch nicht so weit.

Es gibt eine Vielzahl an Unternehmen, und auch wenn Kollege Haubner sagt, es gibt manche, die es bekommen haben, so darf man eines nicht außer Acht lassen: Das sind Kredite, die die Unternehmer zurückzahlen müssen, es sind Steuerstundungen, es ist ein Rucksack, den die Unternehmer schultern müssen. Sie müssen diese Steuerstun­dungen auch bewerkstelligen, und ich glaube nicht, dass es wahnsinnig viele Betriebe gibt, die diesen Rucksack bis zum 31.12. abgebaut haben werden.

Ich habe es heute Vormittag mit dem Herrn Finanzminister gespielt, und ich möchte es jetzt mit Ihnen spielen: Stellen wir uns vor, Sie wären Unternehmer und ich Bundes­kanzler, und ich würde Ihnen versprechen, dass 14 Milliarden Euro fließen, dass – wie von der Frau Wirtschaftsminister versprochen – 38 Milliarden Euro fließen. Sie als Unter­nehmer warten auf das Geld und kriegen es nicht, weil es ein Problem dabei gibt. Das Problem ist die Anordnung, das Hin- und Herschicken der Unternehmer zwischen Bank, AWS-Förderstelle, dann wieder zurück und dann wieder hin, und dann sagt man: Die Cofag ist noch nicht so weit! – Das ist ein Kernproblem der ganzen Geschichte. Der Fixkostenzuschuss ist ein Kernproblem, der Betriebskostenzuschuss ist ein Kernpro­blem, weil wir es nicht anders geregelt haben. Wenn eine Expertin wie Frau Trenkwalder sagt, da werden 40 Prozent aller Tourismusbetriebe rausfallen, dann haben wir wieder ein Problem.

Herr Bundeskanzler, ich ermutige Sie dahin gehend, mit uns dorthin zu gehen und zu tun, was jetzt notwendig ist. Entweder wir regeln es über die Basel-III-Kriterien, oder wir regeln es über etwas anderes, nämlich die Kriterien der Europäischen Investitionsbank betreffend Haftungen. Wir müssen den Druck von den Unternehmen bringen, weil sonst die Bank die Forderungen 2021 fällig stellen muss, und das ist ein Kernproblem.

Daher gibt es drei Handlungsstränge: zum einen sind das steuertechnische. Setzen Sie durch, dass das Wirtschaftsjahr 2019 mit dem Wirtschaftsjahr 2020 gleichgesetzt wird! Das ist ganz wichtig, auch für die ganzen Vorauszahlungen, was die Sozialversicherung betrifft. – Kollege Kopf ist meiner Meinung.

Setzen Sie einen Schutzschirm für die Tourismusbetriebe durch! Die werden auch mit 50 Prozent der Übernachtungen nicht überleben. Wenn man die Deutschen dazurech­net – und wir prognostizieren nicht 50 Prozent –, werden es maximal 55 Prozent. Da gibt es kein wirtschaftliches Auskommen. Wir brauchen eine Freezeregelung für 365 Tage, damit Betriebe die Zahlungen einfrieren können, gerade im Tourismus. Wir müssen auch Sektoren stilllegen können. Dazu braucht es eine Aufwertungsbilanz, ansonsten sind die Unternehmer mit ihrem Hab und Gut gescheitert. Das ist das Kernproblem: Viele Be­triebe können gar nicht mehr zusperren, sie vegetieren dahin. Das ist ein Kernproblem, da brauchen wir eine Aufwertungsbilanz.

Wir brauchen aber auch – und das hat Herr Treichl heute gesagt – eine Mittelstands­finanzierung. Das müssen wir jetzt auf den Weg bringen: Risikokapitalbereitstellung, die steuerlich begünstigt sein muss. Wir haben auch so viel auf den Sparkonten vieler Ös­terreicherinnen und Österreicher oder in Österreich Lebender, es braucht eine Mittel­standsfinanzierung und eine Risikokapitalbereitstellung. Wir brauchen aber auch – und das ist sozialpolitisch – eine sofortige Entlastung des Faktors Arbeit. Nur so, wenn wir die Arbeitskosten senken, können wir umso mehr aus der Arbeitslosigkeit wieder in den Betrieb, in die Beschäftigung hineinbringen, damit sie zu einem höheren Erwerb kom­men. Das ist ganz wichtig.

Der dritte Punkt, der Ihnen besonders am Herzen liegt, bei dem halt nur noch überhaupt nichts weitergegangen ist, ist die Entbürokratisierung. Erleichtern Sie Gewerbegründun­gen jetzt! Machen Sie mit uns zusammen eine Gewerbeordnungsreform! Die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Das ist besonders notwendig. Wir werden Betriebe verlieren, ja, aber wir dürfen bei Weitem keine 100 000 verlieren. Jetzt liegt es in Ihrer Verantwor­tung, und jetzt liegt es auch in der Verantwortung der Grünen, dass Sie etwas umsetzen, dass Sie die Schienen dafür legen, wie Unternehmertum 2021 funktioniert. Das ist mein Appell an Sie: Arbeiten Sie mit uns zusammen!

Ich muss es wirklich sagen: Wir alle haben gemeinsam etwas beschlossen. Der Schulter­schluss funktionierte am Anfang. Der Schulterschluss funktionierte aber nur, als es da­rum ging, das Epidemiegesetz auszuhebeln und das Covid-19-Gesetz zu beschließen. Danach war es eine Einbahnstraße, die zur einer Sackgasse für viele Unternehmen führte, weil – und das ist der Punkt – die Gelder nicht geflossen sind. Von 14 Milliarden Euro sind 500 Millionen Euro geflossen. Das betrifft die Liquidität. Ich kann es Ihnen von meinem eigenen Betrieb in Salzburg erzählen: Ich habe da relativ wenig Geld gesehen. Wenn sich das im touristischen Bereich nicht ändert, wird es viele Betriebe geben, die sterben, auch aufgrund der geringen Eigenkapitalstruktur, weil sie in der Vergangenheit nichts an Reserven aufbauen konnten, weil der Kostenfaktor Arbeit so hoch und die Bürokratie ein Wahnsinn war. Das ist der Punkt. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

16.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzleit­ner. – Bitte. (Abg. Vogl: Jetzt wird es erfrischend!)