10.32

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Vizekanzler Kogler, heute möchte ich mich in besonderem Maß mit Ihnen auseinandersetzen, einfach deshalb, weil ich glaube, dass Sie gegenwärtig in einer Situation sind, in der man Sie ein wenig be­dauern muss, und ich werde Ihnen auch erklären, warum.

Erstens einmal, weil wir heute zum wiederholten Male vor den Augen der Öffentlichkeit etwas vorgeführt bekommen haben, was ich als ÖVP-Projekt vom betreuten Regieren bezeichnen möchte: Ihr Betreuer hat gerade den Raum verlassen, aber etwas anderes als betreutes Regieren ist es ja nicht, wenn Sie als der Vizekanzler, und das sind Sie nun einmal, bei der Präsentation einer Staatssekretärin – und das ist jetzt nicht eine Megageschichte oder ein epochales Ereignis –, die in Ihr Haus gehört, nicht einmal alleine agieren dürfen, sondern dass Sie da als Zweitredner nach dem Bundeskanzler aufgestellt werden. Also das nenne ich betreutes Regieren, das ist eine Art koalitionäre Besachwaltung, die sich von Anfang an bis zum heutigen Tag in dieser Koalition ja durchgezogen hat! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Und, Herr Kogler, jetzt weiß ich nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist, aber ich würde an Ihrer Stelle etwas nachdenklich werden: Ihre Wunschkandidatin als Staatssekretärin ist weg, Ihr Wunschkandidat im Kabinett ist weg. Na was glauben Sie, wer als Nächster weg sein wird, wenn er nicht schön langsam in die Gänge kommt, Herr Vizekanzler? – Also ich wäre an Ihrer Stelle etwas nachdenklich. Ich glaube, es wird Abend auf der Puszta, was Sie betrifft.

Zum Zweiten sind Sie wegen der Tragödie zu bedauern, die Sie ja gemeinsam mit der – na ja, sagen wir es so – halb vertriebenen und halb selbst geflüchteten Ex-Staatssekretärin Lunacek im Kunst- und Kulturbereich bisher während Ihrer Regie­rungstätigkeit aufgeführt haben.

Meine Güte, Herr Vizekanzler, was wäre das nicht für eine tolle Sache gewesen, grüne Kunst- und Kulturpolitik, ein ganzer Strauß von vielen, vielen bunten Zutaten! Was ist da alles drin? Das Hofieren der linken Kunstszene: Die anderen werden natürlich igno­riert oder ausgegrenzt, das ist eine Selbstverständlichkeit, man hat immer stramm antifaschistisch zu agieren und die selbsternannten linken Eliten auch im Kunst- und Kulturbereich zu subventionieren und zu unterstützen, ganz in gutem gutmenschlichem Stil. – Das wäre eine solche Zutat gewesen.

Sehr viel Ausdruck, unglaublich viel Moderne und Fortschritt – oder dasjenige, was Sie dafür halten – hätte es gegeben. Eine unglaubliche Menge an Pluralität, ja fast so etwas wie eine pluralistische Pluralität wäre über dieses Land hereingebrochen – unter normalen Umständen –, ein ordentlicher Schuss Ethno – das hat es ja auch gebraucht in der Kunst- und Kulturszene –, Multikulti allerorts, selbstverständlich ein Herum­tran­sen und Herumgendern in vielen Bereichen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Das wären alles großartige Zutaten Ihrer Kulturpolitik gewesen. (Beifall bei der FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

So wäre es gewesen, ja! Und während die einen im Kleinen Walsertal traditionell beflaggt haben, hätten Sie halt überall, bei jedem Kulturevent Ihre Regenbogenfahnen hinausgehängt. Jetzt tragen Sie sie teilweise vorm Gesicht.

Vernissagen hätte es gegeben, Lesungen, Auszeichnungen, Preisverleihungen, ein bisserl was vom Opernball, damit man auch dazugehört, aber ich glaube, der Höhe­punkt des Kulturjahres wäre gewesen: ein elektrobetriebener Lastwagen mit der Frau Lunacek am Ring bei der Regenbogenparade. Das wäre das Highlight des Kultur­be­triebs aus Sicht der Grünen gewesen. – So schön wäre es gewesen, Herr Vizekanzler! (Beifall bei der FPÖ.)

So schön wäre es gewesen, und im Gegenzug hätten Sie natürlich Dankbarkeit er­warten können – ich glaube, die wäre fast ins Uferlose gestiegen – seitens Ihrer linken Schützlinge aus diesem Bereich, und die hätten sich dann natürlich auch mit einem entsprechenden politischen Aktionismus gegen all diejenigen, die Ihnen nicht ins Kon­zept passen, revanchiert.

So war das angedacht! Das war der Masterplan, und das war die Grundkonzeption dieses Staatssekretariats – einer seltsamen Kreuzung aus Versorgungsposten für eine ehemalige Parteiobfrau eben mit dem Bedürfnis, in diese Zielgruppe ganz speziell hineinzuwirken.

Ja, aber wer hat wissen können, dass dann dieses Virus daherkommt? Das hat ja wirklich niemand wissen können, und das hat Ihnen einen Strich durch diese Rech­nung gemacht. Aber Ihnen, Herr Kogler, kann man da überhaupt gar keinen Vorwurf machen, Sie sind da konsequent ans Werk gegangen. Sie sind geradezu grund­satztreu vorgegangen, möchte ich sagen, denn wir wissen ja alle, dass es eine linke Doktrin in Sachen Kunst gibt, und die lautet ungefähr so, dass die Kunst idealerweise möglichst wenig oder noch besser überhaupt nichts mit Können zu tun haben soll. Ja und wenn das so ist, verdammt noch einmal, warum soll das dann nicht auch für die Staatssekretärin gelten?

So ist es dann auch zur Auswahl von Frau Lunacek gekommen. Das ist ja nur logisch, da sind Sie grundsatztreu geblieben. Und wenn Sie es mir nicht glauben, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann rufe ich an dieser Stelle Herrn Resetarits in den Zeugenstand, der es so schön auf den Punkt gebracht hat, der gesagt hat: Weil es eh wurscht ist! (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) – Das war seine Zusammen­fas­sung zu Ihrer Personalbesetzung. (Beifall bei der FPÖ.)

So, aber jetzt ist dieses Weltoffenheitsprojekt in die Hose gegangen, und zwar in vollem Umfang, und ich denke, es wäre eine Riesenchance für Sie gewesen, jetzt ein wirklich vernünftiges und positives Signal zu setzen, ein positives Zeichen angesichts der 1,9 Millionen Menschen in Österreich, die arbeitslos oder von Kurzarbeit betroffen sind, angesichts der Pleitewelle, die über dieses Land im Herbst noch herein­schwap­pen wird, ein echtes Symbol der Einsparung, und es wäre so einfach gewesen: Sie hätten nur den Gürtel bei Ihrer Regierungsmannschaft enger schnallen müssen. Sie hätten einfach auf dieses Staatssekretariat verzichten und diese Arbeit selbst schultern sollen, Herr Vizekanzler. Das wäre ja nicht zu viel verlangt, dass Sie Ihr selbst ge­wähltes Kurzarbeitsprogramm im Vizekanzleramt durch einen Vollzeitjob ersetzen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Hätten Sie die Kultur doch zur Chefsache gemacht! (Beifall bei der FPÖ.)

Das wäre einmal ein vernünftiger Ansatz gewesen. Und weil ich weiß, dass das natür­lich ein gewisses Ungleichgewicht in diesem koalitionären Gefüge gebracht hätte: Die ÖVP hätte ja nachziehen können und den Staatssekretär im Infrastrukturministerium, dessen Namen ohnehin niemand kennt und der bis jetzt nur in einem Zusammenhang aufgefallen ist, nämlich, ja wie soll man denn sagen, fast als Fanboy in dieser Kara­wane, in diesem Andachtszug des Kanzlers durchs Kleine Walsertal (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch) – da ist er aufgefallen –, auch gleich mit einsparen können. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Ottenschläger und Haubner.)

Und ich sage Ihnen: Das wäre eine strukturelle Einsparung gewesen, das wäre etwas Vernünftiges und tausendmal effizienter als Ihre seltsame Spendenshow, die Sie da vor ein paar Wochen abgezogen haben.

Auf diese Idee aber sind Sie nicht gekommen. Sie machen etwas ganz anderes, aber das ist auch ein interessanter Zugang: Sie haben ja bis jetzt, wie soll man sagen, in dieser Koalition eine feste Zweierbeziehung gehabt, nicht? Der schwarze Gust und die grüne Sigi waren quasi symbolisch diese Zweierbeziehung der Koalition.

Diese Zweierbeziehung machen Sie jetzt auf und zu einer offenen Partnerschaft. Das ist jetzt eine offene Partnerschaft, und Sie machen es dadurch zur offenen Partner­schaft, dass Sie eine Sozialistin mit in die Regierung hineinnehmen. Die neue Frau Staatssekretärin ist natürlich eine Sozialistin, die ist so rot wie der knallrote Autobus, den wir alle kennen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das hat nur noch niemand gesagt. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Wir erleben heute etwas sehr, sehr Interessantes, wir erleben auf offener Bühne das­jenige, was sich hinter den Kulissen der grünen Regierungsmitglieder schon seit län­gerer Zeit in Gestalt von Generalsekretären und führenden Beamten abspielt. Da gibt es ja schon so etwas Ähnliches wie eine rote Machtübernahme. Den Regierungseintritt der Sozialdemokratie in die Koalition Kurz & Kogler erleben wir jetzt also auch auf offener Bühne. Das ist das Ergebnis dieser Neubesetzung im Staatssekretariat. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Koza.)

Na ja, ich sage das ja nur deshalb, weil Sie immer so tun, als wollten Sie mit der Sozialdemokratie überhaupt nichts zu tun haben. Das ist ja sozusagen Ihr allererster Glaubensgrundsatz: Bei der Sozialdemokratie bitte nur nicht anstreifen. Dann nicken Sie es ab, dass Sie, wie der Herr Bundeskanzler es zum Ausdruck gebracht hat, der heute ein überraschend langes Telefonat da draußen vor der Tür führt (Heiterkeit bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ), in diesem so wichtigen Kunst- und Kultur­bereich ausgerechnet die SPÖ zum Zug kommen lassen. Wie auch immer, das zeigt, dass bei Ihnen nicht immer alles so zu nehmen ist, wie Sie es sagen.

Ich wünsche der Frau Staatssekretärin trotzdem auf jeden Fall alles Gute für ihre Arbeit, vor allem deswegen, weil es mir um die Künstler geht, und zwar um die Künstler und Kulturschaffenden in der breiten Masse. Da gehört natürlich die Volkskultur genauso dazu, über die Sie verächtlich die Nase rümpfen – ich sehe es Ihnen ja schon an (Beifall bei der FPÖ) –, nicht nur diese linke Blase, die von vielen, auch in der grünen Fraktion, immer mit der Kunst- und Kulturszene gleichgesetzt wird. Nicht nur die Kunst- und Kulturschaffenden selbst brauchen wirkliche Unterstützung – das ist wichtig –, sondern mit ihnen auch all diejenigen, die in der Organisation und im Betrieb dieses ganzen Systems mit dabei sind.

Bevor ich es vergesse: Eine tut mir ganz besonders leid, das ist die Frau Blimlinger. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist denn da passiert? Jetzt wird sie zum zweiten Mal politisch verschmäht, zum zweiten Mal! Das erste Mal, Herr Kogler, deswegen, weil sie für den Versorgungsposten einer geschei­terten Parteichefin Platz machen musste, das war ja noch irgendwo einzusehen, aber dass Sie jetzt nicht auf die eigenen Personalressourcen, die auf Ihrer Nationalratsliste gelandet sind, weil sie der Ausdruck der Kunst- und Kulturkompetenz der Grünen gewesen sind, zurückgreifen, das ist doch einigermaßen überraschend, möchte ich sagen, und sagt auch einiges über Ihre Glaubwürdigkeit aus. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Sie tun mir also ein bisserl leid, Frau Kollegin Blimlinger, das wollte ich Ihnen gegenüber hier einfach zum Ausdruck bringen.

Ich möchte noch etwas loswerden, weil es, wie ich glaube, wichtig ist: Sie werden schon herausgehört haben – unschwer zu erkennen –, dass ich kein besonderer Freund der Ex-Staatssekretärin Lunacek bin. Das hat jetzt weniger mit diesem Kunst- und Kulturintermezzo als mit ihren verqueren Ideen in der Europapolitik zu tun, wo sie ja gar nicht europäisch genug sein konnte. Das habe ich wirklich noch in schauder­hafter Erinnerung. Ich weiß gar nicht, warum man sich als österreichischer Bundes­kanzler hierherstellen und diese Europapolitik im Nachhinein auch noch loben kann. Alleine das ist ja ein Affront für jeden heimatliebenden Österreicher.

Ich bin kein großer Freund von ihr und sage: Natürlich ist die Kritik an ihr für ihren Bereich, für den ganzen Wahnsinn, den sie da zu verantworten hat, indem sie einen Schaden viel größer gemacht hat, als es notwendig gewesen wäre, angebracht ge­wesen. Sie hat das allerdings nie in einem Alleingang gemacht, sondern immer in einer Koproduktion, im wunderschönen Verbund mit anderen Regierungsmitgliedern, denn jede einzelne ihrer Maßnahmen oder Nichtmaßnahmen braucht die Einstimmigkeit im Ministerrat, und da waren Sie alle mit dabei, und aus dieser Verantwortung können Sie sich nicht herausstehlen.

Mit dem gleichen Recht aber, mit dem man Frau Lunacek kritisiert, oder vielleicht sogar noch mit viel mehr Recht kann man diese Kritik an jedem anderen der Regierungs­mitglieder anbringen. Ja viel mehr noch ist die Kritik am Bundeskanzler, der immer noch telefoniert – das ist etwas ganz Neues, aber immerhin nicht hier herinnen, immer­hin draußen (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch) –, für seine Angstmacherei ange­bracht, von der wir schon gehört haben – Stichwort die 100 000 Toten –, für sein Ge­schwafel von Geldern, von Strömen von Finanzflüssen, die sich auf den Weg zu den Hilfsbedürftigen in Österreich gemacht haben, bei denen bis jetzt noch nicht einmal ein Tropfen angekommen ist. Das ist doch alles noch viel, viel schlimmer als das, was Frau Lunacek zu verantworten hat! (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Oder: Kritik am Finanzminister für sein Fakebudget, in dem Sie vieles finden, nur keinen einzigen Ansatz, wie wir die Arbeitslosigkeit in diesem Land bekämpfen und wie wir unsere Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Das ist kein kleines Vergehen, wie man es Frau Lunacek vorwerfen kann, das ist eine Todsünde, würde ich sagen, für einen Finanzminister in dieser Situation. (Beifall bei der FPÖ.)

Oder: Kritik am Gesundheitsminister, der sich mit seinem Verordnungswahnsinn schon selber überdribbelt. Es kennt sich ja kein Mensch mehr aus, was man wo noch darf. Da brauchst du ja einen solchen Beipacktext (mit den Händen etwa einen halben Meter andeutend), wenn du dich in der Öffentlichkeit bewegst und vielleicht irgendein Lokal oder irgendeine Räumlichkeit aufsuchst, weil du schon nicht mehr weißt, was du tun sollst.

Im Übrigen steht er auf Kriegsfuß mit der österreichischen Rechtsordnung. – Das ist ja alles viel, viel schlimmer!

Oder: Der Bildungsminister, der die Eltern und die Schüler mit seiner seltsamen Vor­gangsweise bei der Schulöffnung und dem Beibehalten einer Maskenpflicht, die man in diesem Bereich wirklich nur noch als absurd bezeichnen kann, traktiert. Das ist reine Schikane und sonst gar nichts. – Das ist ja mindestens genauso schlimm, wenn nicht noch schlimmer. (Beifall bei der FPÖ.)

Oder: Der Herr Innenminister – weil er heute wieder da sitzt –, der jeden Infizierten am liebsten von der Kriminalpolizei einvernehmen lassen möchte, aber gleichzeitig irgend­welche aufgegriffenen Asylwerber ohne jede Quarantäne in einen Zug setzt und quer durch Österreich verfrachtet – da ist dann alles wurscht. Das ist dann der Beitrag des Herrn Innenministers zur österreichischen Volksgesundheit.

Das alles ist viel schlimmer als das, was Frau Lunacek aufgeführt hat, aber Frau Lunacek musste gehen. Sie war das berühmte Bauernopfer. Irgendjemanden muss man dann quasi vor die Tür hinausstellen, damit die Verhaltensauffälligkeiten der an­deren damit unter den Teppich gekehrt werden können – ein Bauernopfer!

Abschließend sage ich Ihnen aber eines, meine sehr geehrten Damen und Herren: Irgendwann einmal ist dann auch der Punkt erreicht, wenn die Bauern geopfert sind, dann kommen die Herrschaften dran. – Ich sage Ihnen hier an dieser Stelle: Jede Stunde rücken wir diesem Zeitpunkt näher. (Beifall bei der FPÖ.)

10.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abge­ord­nete Ernst-Dziedzic zu Wort gemeldet. – Bitte.

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