10.38

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gut, Herr Klubobmann Kickl, dass ich Sie direkt vor mir habe. (Abg. Kickl: Es ist auch gut, dass eine Scheibe dazwischen drin ist!) Ich glaube, Sie haben die Europastunde mit einer Therapiestunde der FPÖ verwechselt. Wenn es um Ihren Vorgänger Johann Gudenus geht, wenn es um Ihren Vorvorgänger H.-C. Strache geht (Abg. Kickl: Sie haben ja jetzt Gelegenheit, auf den Herrn Schmid einzugehen! Tun Sie das in epischer Breite!), dann machen Sie das in Ihren Klub­sitzungen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Behelligen Sie nicht das Hohe Haus mit der Aufarbeitung Ihrer parteiinternen, zugegebenermaßen sehr, sehr großen Probleme! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn Sie zu dem von Ihnen gewählten Thema der Europastunde von Wahnsinn sprechen: Das, was bei Ihnen vorgeht, das erinnert mich viel, viel mehr an Wahnsinn als das, was Sie als Wahnsinn anprangern, Herr Klubobmann Kickl! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Sie waren auch mit dabei!) Machen Sie Ihre Therapiestunden – da sind Sie ohnehin gut – im Klub, aber nicht hier im Plenum. Das ist schlichtweg meine Bitte. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Jetzt erzählen Sie was zum Herrn Schmid! Bleibt der Schmid oder geht er?)

Ich finde es schade, dass in einer Europastunde die Europaabgeordneten der SPÖ nicht mitdiskutieren, jene von uns, von den Grünen, von den NEOS tun das sehr wohl. Dass die SPÖ diese Möglichkeit, die wir seinerzeit gemeinsam geschaffen haben, nicht nützt, ist schade, denn ich halte die bestmögliche Zusammenarbeit der nationalstaatlichen Parlamente mit der europäischen Ebene, um zur richtigen Balance zu kommen, gerade in dieser Zeit für sehr wichtig.

Dass uns niemand missversteht, auch der Finanzminister hat es schon deutlich ange­sprochen: Ja, natürlich sind wir bereit zu großer Solidarität, aber unter den richtigen Rahmenbedingungen! Denn eines dürfen wir nicht vergessen, um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn nun von dieser 750-Milliarden-Euro-Hilfe ein Betrag von mehr als 80 Mil­liarden Euro – das ist die Größenordnung, die unser Budget vor der Coronakrise hatte – an Italien geht, dann erwarte ich mir schon – wir haben sehr gute Beziehungen zu Italien –, dass man, wenn man bis zu 500 Euro pro Familie dafür bekommt, dass sie an die Strände zurückkehren, um den Menschen wieder Lebensfreude zu geben, gleich­zeitig bereit ist, wenn das Geld also in Anspruch genommen wird, entsprechende Reformen durchzuführen. Diese sind in einzelnen Staaten bitter notwendig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kassegger: So wie die letzten 40 Jahre! Italien ist bekannt dafür, dass es die Reformen schnell umsetzt!)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum: weil diese Staaten schon vor der Coronakrise große Probleme hatten. Seit wir den Euro haben, seit der Jahrtausendwende hat sich die Eurozone sehr, sehr gut entwickelt. Wir haben da insgesamt beim Bruttoinlandsprodukt eine Steigerung von 18 Prozent, Österreich und Deutschland haben mehr als 25 Pro­zent, die Niederlande mehr als 20 Prozent. Italien hatte in diesem Zeitraum – vor der Coronakrise – ein Minus von 2 Prozent. Das, was wir nach 2007 gemacht haben, näm­lich die notwendigen Reformen, wurde in Italien verabsäumt. Auch wir hatten nach der Finanzkrise große Probleme, aber wir haben unsere Hausaufgaben erledigt, und wir erwarten uns, dass auch von diesen Staaten die Hausaufgaben erledigt werden, denn man kann sich nicht mit Milliardenhilfen von der europäischen Seite her über notwendige Reformen im eigenen Land hinwegschwindeln.

Hausaufgaben sind zu Hause zu erfüllen, und wir haben nun einmal keinen Zentralstaat Europa, sondern eine Struktur, bei der die Nationalstaaten die Hauptverantwortung haben. Das ist das, worum es uns geht – uns, den Schweden, den Dänen, übrigens sozialdemokratisch regiert, den Niederlanden, eine liberale Regierung, Frau Klubobfrau. (Abg. Meinl-Reisinger: Wo der andere liberale Partner dafür sorgen wird, dass das ...! Ich würde da den Mund nicht zu voll nehmen!) Das sind unsere Partner.

Ich sage Ihnen auch Folgendes: Nicht nur wir sehen das kritisch (Abg. Meinl-Reisinger: Dänemark ist eh schon draußen! Ihr steht allein da!), völlig unabhängig, Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger, sind sicherlich die Richter des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat jetzt auch darauf hingewiesen, dass neben dem, was die Kommission mit einer riesigen Hilfsleistung vorhat, die notwendig ist, weil wir vor einer einzigartigen Herausforderung nach dieser Coronakrise stehen, die Verhältnismäßigkeit stimmen muss, wenn die EZB eingreift. Eine Zeitlang kann die EZB da natürlich noch helfen, indem sie entsprechende Ankäufe von Staats­anleihen vornimmt, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben ist. (Abg. Steger: Der ist doch schon seit Langem erreicht! Das hat Sie noch nie gestört!) Und das wird richtigerweise vom deutschen Bundesverfassungs­gericht eingefordert. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt, der da ganz wichtig ist: Man muss wieder zu einer Trennung von Geld- und Fiskalpolitik kommen. Es kann wirklich nicht die Aufgabe der EZB sein, neben der Geldpolitik so massiv in die Fiskalpolitik einzugreifen. (Ruf bei der FPÖ: Das macht sie jetzt schon ...!)

Daher sage ich Ihnen: Das, was hier auf europäischer Ebene vorgesehen ist, ist kein Wahnsinn, Kollege Kickl, sondern das sind schwierige und notwendige Hilfsmaß­nah­men. Was aber auch richtig ist, ist: Wir müssen da achtsam sein. Solidarität ja, aber unter klaren Rahmenbedingungen und zeitlich befristet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger – in Richtung ÖVP –: Da ist eh schon nichts mehr übrig von eurer Position!)

10.44

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Leichtfried. – Bitte.