11.32

Mitglied des Europäischen Parlaments Barbara Thaler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Europäerinnen und Europäer! Ich habe heute im Wortlaut des Titels der Aktuellen Europastunde ein bisschen suchen müssen, worüber wir eigentlich diskutieren. Wir diskutieren eigentlich über das Comeback von Europa, und das ist untrennbar mit dem österreichischen Comeback verbunden, weil Europapolitik Innenpolitik ist. Wer das nicht erkennen kann oder will, riskiert, dass wir als relativ kleines Land am Ende im globalen Wettbewerb vollkommen alleine dastehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn man in den letzten Wochen und Monaten diese europäische Debatte über den EU-Finanzrahmen und den Coronawiederaufbaufonds mitverfolgt hat, dann möchte man manchmal meinen, dass man nur dann als guter Europäer gilt, wenn man immer mehr und mehr Geld von den Nationalstaaten in die Europäische Union transferiert. Oder man wäre nur dann ein guter Europäer, wenn man nur von Zuschüssen spricht und das Wort Kredite nicht in den Mund nimmt. (Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte!)

Die Europäische Kommission hat, wie auch Frankreich, Deutschland und Österreich, ihre Ideen zum nächsten MFF, zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen präsentiert. Das sind für uns alle die Diskussionsgrundlagen. Was wir jetzt erleben, ist eine lebendige Debatte über die Gestaltung dieses Weges, den wir logischerweise alle gemeinsam gehen müssen. Am Ende wird es einen Kompromiss geben, weil so die Europäische Union ist. Aber eines ist sie sicher nicht: Die EU ist kein Bankomat!

Und da dürfen Sie mich bitte nicht falsch verstehen: In einer Gemeinschaft gilt es, immer denen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können. Allerdings bedeutet Solidarität nicht gleichzeitig auch die vollkommene Abschaffung von Eigenverantwortung. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn es nach so manchem Premierminister geht, dann bedeutet Solidarität genau das: Reformen nein und Geld ja. – So überbrücken wir vielleicht die nächsten Jahre, so kann man etwas zudecken, aber ein Konzept für die Zukunft ist das nicht. Ich will ein bisschen konkreter werden: Italien und Spanien sind nicht Schuld an den wirtschaftlichen Kon­sequenzen der Coronakrise, aber sie tragen sehr wohl Verantwortung für ihre alten Schulden.

Die österreichische Sozialdemokratie hat vor ein paar Wochen den Vorschlag von Österreich zum EU-Budget inklusive der Coronahilfen als mutlos und, wenn ich mich richtig erinnere, den Vorschlag der Kommission als eh okay, aber eigentlich viel zu wenig bezeichnet. (Abg. Yılmaz: Das stimmt ja gar nicht! – Ruf bei der SPÖ: ... keine Ahnung! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Liebe Sozialdemokratie, es ist nicht mutig, alte Löcher mit neuem Geld zu stopfen. Es ist auch nicht mutig, Geld nach dem Gießkannenprinzip, ohne zu wissen, wofür man es verwenden will, auszuschütten. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Mutig ist für mich, wenn man Reformen angeht, die schon Jahrzehnte gemacht hätten werden sollen, wenn man zum Beispiel ganz gezielt in europäische Gesundheitssysteme investieret, und mutig sind für mich auch Investitionen in europäische Infrastruktur. Als Verkehrspolitikerin könnte ich Ihnen einige Projekte nennen, die wir aus der Coronakrise heraus sofort neu starten und umsetzen könnten, denn nur so geht für mich auch eine langfristige Perspektive für den ganzen Kontinent. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Das ist aber nur möglich, wenn wir sachlich über die Verteilung sprechen und sachlich über die Balance von Zuschüssen und Krediten reden, und auch, und das hat heute noch niemand erwähnt, sachlich über seriöse Rückzahlpläne diskutieren. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Das ist der Mut, den ich mir von der Europäischen Union erwarte, und deshalb steht für mich fest: Wenn wir Coronahilfen ohne Kriterien ausschütten, dann haben wir am Ende nur mehr Schulden. Wenn wir klare Vorgaben vergeben, dann reden wir von Investitionen in die Zukunft. Ich glaube, das ist das Wichtigste daran, denn Politik sollten wir immer für mehrere Generationen machen.

Sie können von mir als Europaabgeordneter erwarten, dass wir das Kontrollrecht, das wir im Parlament haben, sehr, sehr stark nützen werden und genau darauf achten wer­den, wo und wie die Mittel eingesetzt werden. Es geht nicht darum, ob wir helfen, sondern darum, wie wir helfen, und das ist für mich die eigentliche Frage, wenn wir über das Comeback Europas diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.38

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.