11.41

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das Privileg des Letzten, dass er allen zuhören durfte und sich von dem, was wir hier gehört haben, ein Bild machen konnte.

Was haben wir hier gehört? – Zum Beispiel drei junge Frauen – Frau Vana, Frau Gamon, Frau Holzleitner –, die sehr engagiert über ihr, über unser gemeinsames Europa ge­sprochen haben. Bei Frau Kollegin Thaler war ich schon ein bisschen enttäuscht: Sie hat sehr proeuropäisch angefangen und ist dann in das, was in der ÖVP im Moment vor­gegeben ist, verfallen. Da ist mir auch aufgefallen – Frau Kollegin Meinl-Reisinger hat es ja schon gesagt –: Wo ist denn die Regierungslinie? Auch diesbezüglich habe ich nämlich sehr genau zugehört, und ich habe, auch wenn die Redebeiträge von Kickl und Blümel sehr unterschiedlich waren, festgestellt: Inhaltlich sind sich die ja ziemlich nahe. (Abg. Steger: ... Wording! Handeln tun sie anders!) Sie sprechen beide von einer Schuldenunion, sie sprechen beide davon, dass wir helfen müssen, und sie sprechen beide überhaupt nicht davon, wie die Zukunft Europas aussehen wird. Sie sprechen nicht von dieser gemeinsamen Union.

Der Präsident des Deutschen Bundestages Schäuble, der hier hoffentlich geschätzt wird, ist ja schon genannt worden. Er hat in den Interviews, die er jetzt gegeben hat, nicht nur über die finanzielle Komponente gesprochen, sondern er hat auch sehr deutlich über die Zukunft Europas gesprochen. Er hat gesagt, dass das, was wir jetzt mit dem vielen Geld machen, uns in Europa zusammenbringen wird, zu einer politischen Union führen wird, und dass das genau das ist, was er will. Das ist etwas, was ich von der ÖVP nie höre. (Abg. Kickl: Aber man darf schon eine andere Meinung haben, oder?)

Von Kollegen Leichtfried habe ich auch Interessantes gehört, nämlich, ganz wichtig, dass auf diesem Kontinent immer Krieg geführt wurde. Ich beschäftige mich gerade intensiv mit Europa und habe ein bisschen zurückgeschaut: Nicht weit von hier, in Asparn an der Zaya, kann man Ausgrabungen finden: 5 000 vor Christus haben sich dort schon die Leute den Schädel eingeschlagen. Es ist die Wahrheit: Sobald Europa besiedelt wurde, haben die Menschen angefangen, sich den Schädel einzuschlagen. Nur die letzten 75 Jahre war das nicht so – vergessen Sie das bitte nicht! Die einzig friedliche Zeit in Europa waren die letzten 75 Jahre – innerhalb der Europäischen Union; in den Teilen, die noch nicht dazugehören, etwa am Balkan, war es anders, und das ist auch einer der vielen Gründe, warum wir dafür sorgen müssen, dass natürlich auch die Balkanstaaten Teil der Europäischen Union werden.

Solidarität mit der eigenen Bevölkerung: Wer Solidarität mit der eigenen Bevölkerung üben will, liebe FPÖ, kann das nur innerhalb Europas. Es ist doch jetzt schon oft genug gesagt worden, dass wir als Österreich auf Europa angewiesen sind – wirtschafts­politisch ohnehin, aber auch weltpolitisch. Deswegen habe ich Ihnen ein Buch mitge­bracht, das Sie wirklich lesen sollten: „Weltordnung“ von Henry Kissinger (ein Exemplar des genannten Buches in die Höhe haltend). Es ist ein bisschen dicker, aber in nächster Zeit haben Sie ja Zeit.

Warum ist es so spannend? – Henry Kissinger hat dieses Buch 2014 geschrieben. Natürlich ist er ein guter Analytiker und ein hervorragender Historiker, ein Prophet ist aber auch er nicht, deswegen hat er noch geschrieben, Amerika müsse seine Weltrolle beachten und weiter innehaben. Er wusste nicht, dass Donald Trump das ruinieren wird. Er schreibt auch, Amerika sei auch auf Europa angewiesen: Wir sind von dieser transatlantischen Partnerschaft abhängig; wir sind darauf angewiesen, wir brauchen sie.

Leider ist es jetzt aber so, dass Donald Trump da sehr viel zerstört hat und dass wir aufpassen müssen, was das für Europa bedeutet. Eines bedeutet es jedenfalls ganz sicher, nämlich dass wir stärker werden müssen, und noch etwas – diesen einen Halb­satz möchte ich zitieren –: „Eine Weltordnung der Staaten, die sich zur Würde des Einzelnen und zu einer auf Partizipation beruhenden inneren Ordnung bekennen“. – Also eine Weltordnung von Staaten, die Würde des Einzelnen und die Demokratie – darum geht es.

Wo sind aber die Staaten, die dazu noch stehen? – Die Chinesen, die dabei sind, uns wirtschaftlich zu überfallen, sind es nicht. Für die Sozialdemokraten – die kennen das Zitat von den Proletariern, die ihre Ketten verlieren müssen, genau –: Wir kommen in eine Zeit, in der wir möglicherweise unsere Blockchains verlieren müssen, weil die Algorithmen uns leiten, anleiten und führen werden. Wenn man sich in China umschaut, wo man ohne Handy nicht mehr leben kann, dann weiß man, dass das the way of life, die Lebensart ist, die wir nicht haben wollen.

Wenn wir unsere gemeinsame freiheitliche, freie, liberale Weltordnung und Gesell­schafts­ordnung aufrechterhalten wollen, dann müssen wir dafür kämpfen und etwas dafür tun und dürfen uns nicht diesen wirtschaftlichen Mächten ausliefern. Deswegen kann es nur ein gemeinsames Europa sein. Ich bitte Sie, aus wirtschaftlichen Gründen darauf zu achten, aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen: Für unsere Lebensart, für unsere Freiheit, für unsere Art zu leben müssen wir kämpfen, aber auch für den Frieden. Da wird es Mächte geben, die dagegen sind, aber wenn wir stark genug sind, werden wir es schaffen. Als kleines Österreich allein werden wir es sicher nicht schaffen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.46

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.