16.04

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Es ist natürlich der Job der Frau Ministerin und des Herrn Klubobmann Wöginger, zu sagen, dass alles super ist. Da mache ich der Frau Ministerin auch keinen Vorwurf, denn das wurde ihr so vorgegeben.

Herrn Wöginger wurde es nicht so vorgegeben beziehungsweise hat er sich, glaube ich, in der Fahrt, in der er gerade war, nicht genau an das Skript gehalten. – Also mache ich es dir ein bisschen mehr zum Vorwurf, Kollege Wöginger. (Heiterkeit bei NEOS und FPÖ. – Abg. Wöginger: Hast du eines?)

Es ist nämlich nicht alles so super. Blickt man auf die Zahlen von Mai und vergleicht die deutschen, die Schweizer und die österreichischen Zahlen (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer), dann muss man halt sagen: In Deutschland ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent gestiegen, in der Schweiz um 53 Prozent und in Österreich um 69,7 Prozent. Es ist also nicht alles so super, wie Sie es da beschreiben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Jetzt bringen die Freiheitlichen den Antrag ein und sagen: Wir wollen 70 Prozent Arbeitslosengeld, nämlich 70 Prozent vom Netto und nicht, wie bisher, 55 Prozent. Das hat 2009 der damalige Sozialsprecher der Grünen, Öllinger, gefordert. Die Grünen haben sich jetzt von dieser Forderung gelöst, und der damalige Sozialminister Hundstorfer hat 2009 gesagt: Das werden wir noch in dieser Legislaturperiode machen. – Irgend­etwas ist zwischenzeitlich seit 2009 verloren gegangen (Abg. Stöger: Öllinger! – Heiter­keit bei der SPÖ), und jetzt haben sich die Meinungen dahin gehend geändert. (Zwi­schenruf des Abg. Wurm.)

Nun kann man aber auch schauen, wie andere Länder das lösen und was heute international beim Arbeitslosengeld State of the Art ist. Da wird man fairerweise sagen müssen, in vielen Ländern ist am Beginn der Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld durchaus höher, als es jetzt bei uns in Österreich ist, aber – und das ist in Österreich nicht der Fall – es sinkt im Zeitverlauf. Jemand, der kurz arbeitslos wird – und das kann einfach jedem passieren, dass er seinen Job verliert, sei es, weil im Betrieb etwas nicht passt, sei es, weil es wirtschaftlich nicht läuft, das kommt im Leben leider vor –, wird in diesen Ländern stark abgefangen, aber Menschen, die lange arbeitslos sind, müssen in Kauf nehmen, dass die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung sinkt.

Das haben wir in Österreich nicht. Die Notstandshilfe ist so gut wie gleich hoch wie das Arbeitslosengeld und ist zeitlich nicht befristet. Diese zeitlich unbegrenzte Leistung aus der Arbeitslosenversicherung gibt es in der ganzen EU nur in zwei Ländern, nämlich in Belgien und in Österreich. Insofern ist das System, das wir haben, ein sehr großzügiges. Ich glaube, da muss man einfach beide Seiten sehen.

Wir hätten aber gerne eine Angleichung an das internationale System, nämlich am Beginn höher und im Zeitverlauf sinkend. Daher bringe ich nachstehenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zeitliche Staffelung des Arbeitslosengeldes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine umfassende Reform von monetären Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vorsieht. Dabei sollen Arbeits­losengeld und Notstandshilfe in ein System zusammengeführt werden, in welchem die Ersatzrate am Beginn einer Arbeitslosigkeit höher sein und im zeitlichen Verlauf kontinuierlich reduziert werden soll. Zudem ist eine zeitliche Begrenzung dieser Leistung aus der Arbeitslosenversicherung vorzusehen.“

*****

Dann zu den Maßnahmen, die unter anderem auch Kollege Koza so gepriesen hat, zu diesen 450 Euro Einmalzahlung: Die kriegt man jetzt, wenn man von Juli bis September einen zweimonatigen Zeitraum der Arbeitslosigkeit hat. Wann haben in der Coronakrise die Arbeiter ihren Job verloren? – Ziemlich gleich, noch im März oder im April. Arbeiter haben kürzere Kündigungsfristen, da wird schnell aufgeräumt. Die kriegen es nicht. Wenn jemand in der Zwischenzeit wieder einen Job gefunden hat, bekommt er diese 450 Euro nicht, obwohl er im März, im April, im Mai und vielleicht auch im Juni arbeitslos war. Angestellte mit Kündigungstermin zum Quartalsende, zum Beispiel 30.6., haben eine höhere Chance, dieses Geld zu bekommen.

Überlegen Sie: Wer wählt wen? Wen wählen die Arbeiter und wen wählen eher die Angestellten? Dann wissen Sie auch, warum die ÖVP das so regelt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die machen das gezielt, ziehen diese Grünen über den Tisch, und die glauben, die Reibungswärme wäre Nestwärme. So schaut es aus. (Allgemeine Heiter­keit. – Beifall bei NEOS und FPÖ sowie der Abg. Yılmaz.)

Die Ärmsten im ganzen Spiel sind die Mitarbeiter im AMS, denn die erfahren von diesen Vorschlagsblumensträußen aus den Medien. Ihre Klienten im AMS fragen, wie das funktioniert, und der redliche Mitarbeiter dort muss sagen: Ich weiß es nicht, das hat die Ministerin im Fernsehen gesagt, wir wissen auch nicht mehr. – Und das passiert denen die ganze Zeit.

Die Mitarbeiter im AMS werden von den Klienten noch ihre Watschen kassieren, zu Unrecht, und ich sage Ihnen, warum: Jetzt ist einer im Juli und im August arbeitslos und kriegt im September wieder einen Job, weil eben in der Herbstsaison das eine oder andere Geschäft wieder Leute aufnimmt. Dann wird er der Meinung sein: Ich war zwei Monate arbeitslos, ich kriege 450 Euro. Er wird sie aber in vielen Fällen nicht kriegen, denn wenn er vom alten Job noch einen Urlaubstag offen gehabt hat, der ihm nach­gezahlt wird, verlängert das seine Versicherung in den Juli hinein, und dann waren es nicht zwei volle Monate und er kriegt die 450 Euro nicht. Und wer muss ihm das erklären? – Nicht die Frau Minister, nicht Klubobmann Wöginger, sondern der arme Mitarbeiter des AMS muss ihm erklären, dass er das Geld, das Sie ihm in vielen Pressekonferenzen versprochen haben, nicht bekommt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dann muss man auch noch überlegen, welchen Anreiz man setzt. Es könnte natürlich auch sein, dass die Leute – die sind ja schlau – optimieren. Es könnte auch sein, dass einer einen Job bekommen hat, bei dem er am 20. August anfangen könnte, und er merkt: Ah, wenn ich mit dem neuen Chef rede, und frage, ob ich nicht ein bisschen später anfangen kann, dann komme ich über die zwei Monate und kann diese 450 Euro noch lukrieren. – Man setzt so also sogar einen Anreiz, zu verhandeln, eventuell noch 14 Tage länger arbeitslos zu sein, und das kann nicht im Sinne der Maßnahmen sein. Das ist aber das, wie Sie es konzipiert haben, und da sieht man, dass in dieser Regierung Leute sitzen, die vom Arbeitsmarkt einfach Nüsse Ahnung haben. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dann noch zu diesem Neustartbonus: Ich weiß, das ist ein Liebkind der Regierung. Es ist ein Bonus, es ist neu und es ist ein Start – das sind drei Wörter, die alle super klingen, also muss es ganz toll sein. Aber: Da wird man gefördert, wenn man Teilzeit arbeitet; also wer Vollzeit arbeitet, kriegt nichts, und wenn man 50 Prozent arbeitet, kriegt man diese Förderung und wird auf 80 Prozent aufgestockt.

Wer wird freiwillig 80 Prozent arbeiten, wenn man auch 50 Prozent arbeiten und gleich­zeitig 80 Prozent verdienen kann? Das ist der falsche Anreiz. Sie verstehen nicht, dass die Leute optimieren und wie sie denken. Sie setzen einen Anreiz, in Teilzeit zu arbeiten, und wir wissen, was Teilzeitarbeit langfristig auslöst. Wir haben zum Beispiel Probleme bei den Pensionsleistungen für die Frauen, weil zu viele Anreize gesetzt werden, dass sie in Teilzeit arbeiten. Und was machen Sie? Sie setzen noch einen Anreiz, in Teilzeit zu arbeiten, und das ist der Fehler. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dann kommt noch dazu, dass Sie jetzt Maßnahmen wie die Kurzarbeit setzen, die ihre Verdienste, aber auch ihre Abrisskanten hat. Sie setzen mit den 450 Euro Maßnahmen, die irgendwie versuchen, am Bewahrenden herumzuarbeiten. Was Sie aber nicht tun, ist, nach vorne zu schauen, auf das Entstehende. Krisen beschleunigen Veränderungs­prozesse, und so wird diese Krise zum Beispiel auch die Digitalisierung und die Verän­derung in der Arbeitswelt beschleunigen, und dann muss man hergehen und qualifizie­ren, in die Leute investieren. Und was machen Sie bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik? – In Wirklichkeit nichts, die Budgetmittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik sind sogar gesenkt worden, und das ist das Gegenteil dessen, was wir aktuell brauchen würden. Die Maßnahmen gehen eins zu eins an dem vorbei, was der Arbeitsmarkt heute brauchen würde. (Beifall und Bravoruf bei den NEOS.)

16.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend zeitliche Staffelung des Arbeitslosengeldes

eingebracht im Zuge der Debatte in der 36. Sitzung des Nationalrats über Dringlicher Antrag gem. § 74a Abs 1 iVm § 93 Abs 2 GOG-NR betreffend Erhöhung der Netto­ersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19- Maßnahme)

Die wirtschaftlichen und technischen Veränderungen haben zu einer Veränderung eines sozialpolitischen Paradigmas in Europa geführt. In modernen Politikkonzeptionen werden die Elemente aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik nicht als getrennte Sys­teme verstanden, sondern vielmehr als interagierende Mechanismen (Hemerick 2017). Eine Reform der Arbeitsmarktpolitik muss immer Maßnahmen der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik umfassen, um zu einem nachhaltigen und ausbalancierten Ergebnis zu kommen. Die Ausgestaltung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung ist eine zentrale Frage, wenn es darum geht, Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, einerseits angemessen sozial abzusichern, andererseits diese Personen auch wieder rasch in Beschäftigung zu bringen und die Dauer der Arbeitslosigkeit kurz zu halten.

Ziel ist es, den Versicherten Werkzeuge in die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben zu führen. Das bedeutet, dass die Zeiten von Arbeitslosigkeit möglichst kurz sein sollten, um die negativen sozialen Folgen, aber auch die negativen Auswirkungen auf die Arbeitsmarktchancen der Betrof­fenen zu reduzieren. Gerade im Hinblick auf die Dauer der Leistungen der Arbeitslosen­versicherung ergibt sich für Österreich ein interessantes Bild: Ein europäischer Vergleich zeigt (siehe Grafik 1), dass die österreichische Ausgestaltung von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht den europäischen Standards und vor allem nicht ökonomisch sinnvollen Konzepten entspricht.

Gerade die dauerhaft auf gleichem bzw. kaum verändertem Niveau bezahlte Leistung führt langfristig dazu, dass die Höhe des Arbeitslosengeldes nicht mehr mit dem Reservationslohn der betroffenen Person zusammenpasst. Im Laufe einer Arbeitslosig­keit nimmt nämlich der Reservationslohn aufgrund langsamer Dequalifizierung ab. Das bedeutet, es sinkt für eine arbeitssuchende Person im zeitlichen Verlauf die Höhe jenes Lohnes, den sie potenziell am Arbeitsmarkt erwirtschaften könnte. Dieser Tatsache wird in der passiven Arbeitsmarktpolitik in Österreich bis dato nur unzureichend Rechnung getragen durch den Übergang vom Arbeitslosengeld zur annähernd gleich hohen Not­standshilfe.

Grafik 1: Arbeitslosengeld im zeitlichen Verlauf in Europäischen Ländern 2018 (In Pro­zent des Letzteinkommens)

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(Quelle: https://data.oecd.org/benwage/benefits-in-unemployment-share-of-previous-income.htm)

Zu dieser Grafik inhaltlich zu ergänzen ist der Umstand, dass nicht alle EU-Länder eine gesetzliche Arbeitslosenversicherung haben und manche Länder (z.B. Dänemark, Schweden) mit Systemen der freiwilligen Arbeitslosenversicherung arbeiten.

International anerkannte Standards setzen mit einer langsamen Variation bzw. Reduk­tion der Nettoersatzrate Arbeitsanreize und erhöhen diese Anreize im Zeitverlauf (Agen­da Austria 2017, Weishaupt 2019). Dies geschieht in Ländern wie Dänemark, Schweden aber auch in den Niederlanden. In Österreich verändert sich die Nettoersatzrate im zeitlichen Verlauf sehr wenig bis gar nicht. Ein derartiges System gibt es, mit Ausnahme von Österreich, in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat (Siehe Grafik 1). Im europäischen Vergleich ist die österreichische Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zwar am Beginn der Arbeitslosigkeit eher niedrig (gemessen an der Nettoersatzrate), im Zeit­verlauf, z.B. nach 6 Monaten, im Mittel - doch im Unterschied zu fast allen anderen EU-Ländern bei langer Arbeitslosigkeit über-durchschnittlich hoch und zeitlich unbegrenzt verfügbar.  Um die Arbeitslosenversicherung zeitgemäßer zu gestalten, wurden von wirt­schafts­wissenschaftlicher aber auch sozialpolitischer Seite unterschiedliche Einfluss­faktoren beleuchtet und Lösungsvorschläge für etwaige Problemstellungen erarbeitet. Eine lange bzw. zeitlich unbegrenzt verfügbare Arbeitslosenversicherung hat signifikant negative Effekte auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt (Katz and Meyer, 1990). Dem internationalen Standard entspräche also ein am Beginn der Arbeitslosigkeit etwas höheres Arbeitslosengeld, das im Zeitverlauf sinkt und insgesamt zeitlich begrenzt ist. Das Arbeitslosengeld sollte z.B. aus Sicht der Agenda Austria in den ersten 17 Wochen von derzeit 55 Prozent des Netto-Letztverdienstes auf 65 Prozent erhöht und dann schrittweise abgesenkt werden. Demnach läge die Nettoersatzrate in den nächsten 18 Wochen auf dem Niveau von 55 Prozent und würde nach einer Gesamtbezugsdauer von 35 Wochen auf dann 45 Prozent absinken. Wer länger ein-gezahlt hat, soll auch länger anspruchsberechtigt sein, so die Agenda Austria.

Im Bereich der passiven Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ergeben sich aus diesen mikroökonomischen Überlegungen umfangreiche Vorschläge zu einer optimalen Ausgestaltung derselben. Insbesondere in Bezug auf die zeitliche Ausgestaltung von Ersatzraten, Dauer und Verpflichtungen für den Erhalt der Versicherungsleistung selbst. In anderen europäischen Ländern ist das Arbeitslosengeld zu Beginn höher als die österreichischen 55 Prozent, sinkt aber im zeitlichen Verlauf je nach Dauer auch deutlich unter diese 55 Prozent Nettoersatzrate. (Zu beachten ist auch, dass in anderen Ländern daneben keine oder weniger weitere Sozialtransfers erfolgen, als in Österreich neben dem Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung möglich sind.).

Eine zeitliche Staffelung würde auch ermöglichen, dass die Ersatzraten am Beginn einer Arbeitslosigkeit erhöht werden könnten. Denn gerade im Falle kurzer Arbeitslosigkeit (bzw. in den ersten Monaten einer Arbeitslosigkeit) zeigt sich, dass die österreichischen Nettoersatzraten im internationalen Vergleich leicht unterdurchschnittlich sind.  Alle diese Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen deutlich, dass in der öster­reichischen Arbeitsmarktpolitik die Steuerungsmöglichkeiten über passive Leistungen bisher nicht genutzt werden.

Abgesehen von der wirtschaftswissenschaftlich fragwürdigen Ausgestaltung fehlt auch eine Berücksichtigung von Interessen der Versichertengemeinschaft. Gleichzeitig ist die finanzielle Belastung der Arbeitslosenversicherung im Auge zu behalten. Das Versiche­rungsprinzip wird überspannt, wenn die Arbeitslosenversicherung Leistungen der Not­standshilfe zeitlich unbegrenzt ausbezahlt. Das überfordert die Solidarität der Versicher­tengemeinschaft, denn das Arbeitslosengeld und die ihr folgende Notstandshilfe stellen eine Geldleistung zur Kompensation des vorübergehenden Einkommensentfalls auf­grund eines Jobverlustes dar. Logisch folgt daraus eine Überführung von Notstands­hilfebezieher_innen in die Mindestsicherung nach einem länger andauernden Bezug und damit eine Zusammenführung der verschiedenen sozialen Sicherungssysteme in eine Logik. Eine Zusammenführung der sozialen Sicherungssysteme Notstandshilfe und Min­destsicherung zu einem gemeinsamen System der sozialen Absicherung fordert seit Jahren auch der Rechnungshof.

Eine effizienzsteigerndere Umgestaltung von Leistungen in der Arbeitslosenver­siche­rung in Bezug auf die Höhe der Nettoersatzraten kann aufkommensneutral gestaltet werden: Am Beginn der Arbeitslosigkeit können die Nettoersatzraten höher sein als bisher, um dann im zeitlichen Verlauf zu sinken - auch unter das derzeitige Niveau. Außerdem ist der Leistungsbezug zeitlich zu begrenzen (Siehe Grafik 2).

Grafik 2: Beispiel einer zeitlichen Staffelung des Arbeitslosengeldes

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(Quelle: Agenda Austria)

Bei der Bestimmung und Veränderung der Nettoersatzrate muss eben darauf geachtet werden, dass Arbeitsangebot und -nachfrage am Arbeitsmarkt tatsächlich zueinander­passen. Um unerwünschte ökonomische aber auch soziale Effekte und Mitnahmeeffekte durch ein zeitlich gestaffeltes Arbeitslosengeld zu vermeiden, kann z.B. die Bezugsdauer in Wochen je Stufe angepasst werden. Eine solche Ausgestaltung des Arbeitslosen­geldes soll einem "Mismatch" am Arbeitsmarkt entgegenwirken, die betroffenen Per­sonen finanziell absichern, aber auch genügend Anreize für eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt setzen. Außerdem ist die Durchrechnung der Versicherungszeit so zu optimieren, dass wiederkehrende Phasen der Arbeitslosigkeit in kurzer Zeit nicht jedes Mal aufs Neue zum Ausnützen der ersten, erhöhten Stufe des Arbeitslosengeldes führen.

Eine umfassende Reform der Arbeitsmarktpolitik muss immer Maßnahmen der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik umfassen. Ergänzend zum gegenständlichen Antrag werden daher parallel weitere Anträge eingereicht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine umfassende Reform von monetären Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vorsieht. Dabei sollen Arbeits­losengeld und Notstandshilfe in ein System zusammengeführt werden, in welchem die Ersatzrate am Beginn einer Arbeitslosigkeit höher sein und im zeitlichen Verlauf kontinuierlich reduziert werden soll. Zudem ist eine zeitliche Begrenzung dieser Leistung aus der Arbeitslosenversicherung vorzusehen."

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.