16.12

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, es ist schon erschreckend, wie sozial kalt die ÖVP und die Grünen bei diesem Thema reagieren. Für die ÖVP ist die Situation am Arbeitsmarkt offensichtlich nicht sehr dramatisch, und die Grünen sagen zwar: Ja, es sind schon relativ viel, aber Genaues wissen wir Grüne nicht.

Ich bemühe mich jetzt, das für die Grünen und für die ÖVP und auch für die Mitglieder auf der Regierungsbank ein bisschen plastischer darzustellen: Wenn man die Arbeits­losen in Österreich und jene, die in Kurzarbeit sind, mit dem ominösen rosaroten Elefan­ten des Herrn Minister in einer Reihe mit 1 Meter Abstand aufstellt, dann steht diese Gruppe an Österreichern, die derzeit eingeschränkt arbeiten oder gar nicht arbeiten, bis kurz vor Moskau. Von Wien bis Moskau reicht diese Schlange an Personen, die das, was diese Regierung am Arbeitsmarkt angerichtet hat, derzeit betrifft. Ich hoffe, die Grünen haben jetzt vielleicht verstanden, welche Dimension das ausmacht.

Es freut mich, dass mittlerweile auch die Mitglieder auf der Regierungsbank ihre Masken abgelegt haben, es hat einiger Zeit und viel Einsatz unsererseits bedurft, um jetzt endlich wieder in den Normalzustand zu kommen. Ich darf schon sagen – im Grunde genommen ist es heute klar oder sollte es jedem klar sein, vor allem der Regierung –: Es ist we­sentlich leichter, zu zerstören als aufzubauen. Sie haben mit allen Ihren Corona­maßnahmen das Haus Österreich zerstört. Sie haben nicht nur den Dachboden oder den ersten Stock kaputtgemacht, nein, Sie haben im Grunde genommen wirtschaftlich und sozialpolitisch das Haus Österreich bis auf die Grundmauern beschädigt, und alle Versuche, die Sie jetzt starten, dieses Haus wieder aufzubauen, sind sehr, sehr mangel­haft und kommen leider Gottes weder bei der Wirtschaft noch bei den Arbeitnehmern wirklich an.

Zur Erinnerung noch einmal: knapp 500 000 Arbeitslose, 1,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit; das heißt, diese Gruppe von 1,6 Millionen Menschen hat jedes Monat deutlich weniger Geld am Konto. Bei den Arbeitslosen ist es so, dass wir da eben diese Nettoersatzrate von 55 Prozent haben, und unser Antrag und unsere Intention ist einfach, dass jene, die durch Corona und durch die Maßnahmen dieser Bundesregierung unverschuldet arbeitslos geworden sind, und das sind Hunderttausende, zumindest eine Nettoersatzrate von 70 Prozent erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sollte für jeden, der ein soziales Gewissen hat, überhaupt kein großes Ding sein; es ist ja auch zeitlich beschränkt und sollte nicht unendlich gehen. Es ist aber klar, dass man jenen Menschen helfen muss, und wenn Sie auch diese E-Mails und Anrufe bekommen, dann werden Sie wissen, es betrifft sehr, sehr viele. Es betrifft Menschen, die jetzt 200, 300, 400 Euro netto im Monat weniger haben und jetzt wirklich in Be­drängnis kommen. Da eine Hilfe anzubieten, ist, glaube ich, das Mindeste, was man machen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Es freut mich, wenn die ÖVP den Bauernpensionisten 450 Euro zukommen lässt, das ist ja okay, ich habe ja nichts gegen Bauern, ganz im Gegenteil, aber dann sollen das bitte auch alle Pensionisten in Österreich bekommen, oder zumindest die Mindest­pensionisten. Das wäre ein Vorschlag, vielleicht denken Sie einmal kurz darüber nach! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben die Situation, und Sie wissen es, glaube ich, alle, dass wir speziell bei den Jugendlichen ein Problem haben, und zwar nicht nur die Ferialarbeit, sondern auch die Lehrlingsausbildung betreffend. Wir haben ein Riesenproblem, denn sehr, sehr viele junge Leute stehen momentan vor dem Nichts und wissen nicht, was sie nach dem Sommer oder im Sommer machen sollen. Auch da, Frau Minister, sehe ich in Wahrheit nicht wirklich Maßnahmen, die greifen.

In Summe – und auf das läuft es halt in letzter Konsequenz immer hinaus –: Wir haben uns bemüht, Ihnen klarzumachen, dass Sie als Regierung trotz aller Probleme, die wir Anfang, Mitte März hatten, einfach viel zu spät in den Modus gekommen sind, für die Wirtschaft, für die Arbeitnehmer Vertrauen, Sicherheit und Optimismus auszustrahlen.

Deshalb ist die Konjunktur auch am Boden. Sie brauchen nur durch Wien, durch Innsbruck oder durch Salzburg zu spazieren. Sie werden das merken, da ist keine Kauflust da. Es ist alles relativ mau, das wird Ihnen jeder Unternehmer sagen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Kirchbaumer.) Wenn da nicht etwas passiert, wenn es da keinen Konjunkturimpuls gibt, dann werden wir das nicht in Gang bringen und dann wird es für die Unternehmer, aber auch für die Arbeitnehmer dramatisch werden; das heißt, wir kommen nicht runter von diesen Arbeitslosenzahlen.

Sie müssen bitte endlich in die Gänge kommen, Optimismus und dementsprechend Aufbruchsstimmung verbreiten und vor allem die Konjunktur ankurbeln. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Wir haben es heute schon mehrmals gesagt, da gibt es eben die Idee des Tausenders für Österreicher als Gutschein, womit wirklich in die Wirtschaft investiert werden könnte. Das wäre eine sinnvolle Maßnahme und das ist auch nichts Unlauteres.

Vielleicht zum Abschluss, bevor ich unsererseits noch einen Antrag einbringe: Sie haben letztes Mal vom Comeback der österreichischen Wirtschaft gesprochen, Frau Minister. Ich spüre es nicht, die Unternehmer spüren es nicht, auch die Arbeitnehmer spüren es nicht. Ich bin gespannt, ob wirklich einmal konkret irgendetwas von Ihrer Seite passiert.

Die große Fragestellung ist – und das, glaube ich, fragen sich immer mehr Menschen in Österreich –: Wer wird die Rechnung bezahlen? Wer wird diese 50, 60, 70 Milliarden Euro – man weiß es ja nicht genau, wie viel es kosten wird – bezahlen? Anfang, Mitte März lag Ihre Schätzung bei 4 Milliarden Euro – ich kann mich noch gut an diese 4 Milliarden Euro im ersten Coronapaket erinnern, das war damals Ihre Einschätzung –, mittlerweile liegen wir bei weit über 50 Milliarden Euro. Die Frage ist: Wer wird das bezahlen? Werden es nur die Multimilliardäre bezahlen? Ich bin gespannt, wie Sie das machen, ob Sie die alle enteignen, und wie das gehen soll. Wer aber wird die Rechnung bezahlen?

Das spüren die Österreicher immer mehr, es wird für jeden greifbar. Jeder spürt lang­sam, dass diese Krise eine selbstgemachte Krise ist (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer), die Sie nicht ideal gelöst haben. Sie haben sie nicht ideal gelöst. Sie haben sehr, sehr viele Fehler gemacht, fachliche Fehler gemacht. – Wer wird diese Rechnung bezahlen?

Ich möchte noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maß­nahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich als Konsequenz der COVID-19-Krise beinhaltet. Dieses Maßnahmenpaket soll sektorale Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und gesundheitlichen Einschränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätig­keit und branchenspezifischer kurz-, mittel- und langfristiger Konjunktur- und Arbeits­marktprognose beinhalten. Insbesondere sollen im Zuge dieser Maßnahmen auch die negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise für den Arbeitsmarkt nachhaltig korrigiert werden.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hörl: Das war eine schlechte Rede!)

16.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlicher Antrag gem. § 74a Abs 1 iVm § 93 Abs 2 GOG-NR der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Michael Schnedlitz und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme) in der 36. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. Juni 2020

Ende Mai 2020 waren bei den regionalen Geschäftsstellen des AMS 473.330 Personen­arbeitslos vorgemerkt (+69,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat), 43.921 Per­sonen befanden sich in einer Schulung (31,6 Prozent).

Zählt man Arbeitslose und Schulungsteilnehmer zusammen, ergibt sich für Ende April 2020 eine Veränderung der insgesamt vorgemerkten Personen um +50,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die geschätzte nationale Arbeitslosenquote beträgt aktuell 11,5 Prozent.

Männer&Frauen:

Frauenarbeitslosigkeit: +94.148 Personen oder +71,7 Prozent

Männerarbeitslosigkeit: +100.194 Personen oder +67,9 Prozent

Inländer&Ausländer:

Inländerarbeitslosigkeit: + 113.810 Personen oder + 60,0 Prozent

Ausländerarbeitslosigkeit: + 80.542 Personen oder + 90,2 Prozent

Altersgruppen:

Jugendliche (unter 25 Jahre): +27.701 oder +103,8 Prozent

Haupterwerbsalter (25 bis 49 Jahre): +120.632 Personen oder +75,5 Prozent

Ältere (50 Jahre und älter): +46.019 oder +49,8 Prozent

Ausbildungsstand:

Personen mit max. Pflichtschulausbildung: +84.934 oder +68,8 Prozent

Personen mit Lehrausbildung: +58.449 oder +70,0 Prozent

Personen mit mittlerer Ausbildung: +10.288 oder +67,2 Prozent

Personen mit höherer Ausbildung: +24.253 oder +74,2 Prozent

Personen mit akademischer Ausbildung: +12.565 oder +54,1 Prozent

Besondere Bedürfnisse&gesundheitliche Einschränkungen

Personen mit Behinderung: +2.921 oder +23,7 Prozent

Personen mit sonstigen gesundheitlichen Einschränkungen: +20.259 oder +33,5 Pro­zent

Personen ohne gesundheitliche Einschränkungen: +171.172 oder +83,1 Prozent

Wirtschaftssektoren&Branchen:

Herstellung von Waren: +13.755 oder +62,9 Prozent

Bau: +13.293 oder +84,8 Prozent

Handel: +25.066 oder +59,9 Prozent

Verkehr und Lagerei: +12.704 oder +83,6 Prozent

Beherbergung und Gastronomie: +55.900 oder +143,3 Prozent

Gesundheits- und Sozialwesen: +4.360 oder +55,6 Prozent

Arbeitskräfteüberlassung: +17.301 oder +59,3 Prozent

Kurzarbeit:

Neben dieser hohen Arbeitslosigkeit sind aktuell rund 1,140 Millionen Arbeitnehmer zusätzlich in Kurzarbeit. Insgesamt sind aktuell in Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit inklusive Schulungen 1.620.367 Arbeitnehmer (Stand 15.Juni 20202 BMAFJ)

Die Bundesregierung, insbesondere das Arbeitsministerium und das Arbeitsmarkt­ser­vice, müssen hier dringend gegensteuern. Diese Gegensteuerungsstrategie muss unter der Überschrift „Österreicher zuerst“ stattfinden, damit sichergestellt werden kann, dass in einem Verdrängungswettbewerb in Folge der COVID-19-Krise hier nicht die öster­reichischen Arbeitnehmer unter die Räder kommen und von einer strukturellen Lang­zeitarbeitslosigkeit betroffen sind.

Man muss also mit einem entsprechenden Maßnahmenpaket, das auf die nachhaltige Beseitigung der sektoralen Arbeitslosigkeit abzielt, den negativen Folgen der COVID-19-Krise begegnen. Im Zentrum dieses Maßnahmenpakets sollen insbesondere auch sek­torale Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und gesund­heitlichen Einschränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätig­keit und branchenspezifischer kurz-, mittel- und langfristiger Konjunktur- und Arbeits­marktprognose stehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich als Konsequenz der COVID-19-Krise beinhaltet. Dieses Maßnahmenpaket soll sektorale Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und gesundheitlichen Einschränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätig­keit und branchenspezifischer kurz-, mittel- und langfristiger Konjunktur- und Arbeits­marktprognose beinhalten. Insbesondere sollen im Zuge dieser Maßnahmen auch die negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise für den Arbeitsmarkt nachhaltig korrigiert werden."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Pöttinger. – Bitte.