9.08

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! In den vergangenen Tagen wurde viel über unser Heer gesprochen, und ich werde nun im Zuge dieser Erklärung einige Punkte klarstellen. (Abg. Kickl: Noch klarer?)

Ja, über die Kommunikation in der letzten Woche kann man diskutieren (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP – Heiterkeit und Beifall bei den NEOS – Abg. Kickl: Muss man, glau­be ich! Muss man!), und glauben Sie mir, das haben wir intern selbstverständlich auch getan. Und ja, jede Veränderung führt auch zu Widerstand, das war mir, das war uns von Anfang an klar. (Abg. Kickl: Das stimmt, das kenne ich!) Umso mehr freue ich mich, heute einiges klarstellen zu können, denn all dieses ändert nichts an der Sache – einer Sache, zu der ich stehe und zu der sich die Regierung im Regierungsprogramm bekannt hat. Ich spreche davon, dass unser Heer bereit für die Zukunft zu machen ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist bereit für die Zukunft zu machen, und das nicht zum Selbstzweck, sondern um die Bevölkerung und unser schönes Österreich zu schützen.

Die militärische Landesverteidigung ist und bleibt das Selbstverständnis des österreichi­schen Bundesheeres, sie steht in der Verfassung, sie ist in der Österreichischen Si­cherheitsstrategie festgehalten und sie ist die ureigenste Aufgabe unseres Heeres. – Nein, darum geht es nicht, sehr geehrte Damen und Herren, denn dies steht außer Fra­ge. (Abg. Amesbauer: Sie halten ja nicht viel von der Verfassung! – Abg. Hafenecker: Haben Sie noch einmal nachgeschlagen? – Abg. Leichtfried: Was steht außer Frage?)

Für mich geht es darum, die Landesverteidigung viel weiter zu denken und neu auszu­richten – sie weiter zu denken und unser Heer bereit zu machen, um uns vor neuen Herausforderungen, vor neuen Bedrohungen zu schützen, denn, sehr geehrte Damen und Herren, diese Bedrohungen sind in Österreich angekommen. Ich denke an den Cyberangriff auf das Außenministerium, bei dem unser Heer bereits zur Stelle war. Ich denke an die Migrationskrise, als unser Heer begonnen hat, die Grenzen wieder zu schützen. Ich denke an Naturkatastrophen wie Hochwasser, bei denen auch jüngst wie­der unser Heer die Feuerwehr und andere Einsatzkräfte unterstützt hat und dies Jahr für Jahr tut. Ich denke auch an die Coronakrise, bei der unser Heer wohl so gefordert war wie schon lange nicht.

Blicken wir über die Grenzen Österreichs hinaus: Terrorangriffe sind längst in Europa angekommen, großflächige Blackouts wie kürzlich in New York sind nach allen Experten­meinungen zu einer realen, großen Bedrohung für Österreich geworden.

Als es vor Jahrzehnten im Kalten Krieg darum ging, die Aggressoren beim Durchmarsch aufzuhalten, haben wir uns dafür mit Panzern und anderen schweren Waffen gerüstet. Als es darum ging, unseren Luftraum zu schützen, haben wir begonnen, uns mit Abfang­jägern und einem Radarsystem auszustatten. Wenn wir unser Österreich nun vor diesen neuen Herausforderungen schützen müssen, werden wir auch das tun. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz. – Heiterkeit bei der SPÖ.) Das bedeutet für unser Heer nicht mehr und nicht weniger, als dass wir neben der klassischen militärischen Landesverteidigung un­sere Fähigkeiten in den Bereichen Cyberabwehr, Terrorismusbekämpfung und Schutz bei Pandemien und anderen Katastrophen ausbauen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir tun, und das tun wir auch jetzt schon. Sie wissen, dass ich vor einigen Wochen veranlasst habe, dass weitere 30 Pan­dur-Radpanzer beschafft werden. Diese dienen vor allem dem Schutz der Mannschaft, zum Beispiel bei Terrorangriffen, sie werden im In- und Ausland von uns eingesetzt. An dieser Stelle sei eines festgehalten: Das sind Fahrzeuge, deren Wertschöpfung zu 70 Prozent in Österreich liegt. Das trägt zu einem positiven regionalen Effekt bei, den wir ja immer mitdenken müssen und, sehr geehrte Damen und Herren, auch werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Kommen wir zur Miliz: Im Regierungsprogramm ist ganz klar festgehalten, dass wir die Miliz weiter stärken sollen, und auch das werden wir tun. Wir werden die Miliz neu den­ken, der Bürger in Uniform soll immer mehr in den Vordergrund treten. Sehr geehrte Damen und Herren, wie wichtig die Miliz ist, haben wir bei der ersten Teilaufbietung im Zuge der Coronakrise gesehen. Sie war da, als wir sie gebraucht haben – an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an die Soldatinnen und Soldaten! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Konkret heißt das: Wir werden die Miliz insbesondere durch drei Maßnahmen stärken. Erstens: Die Milizsoldaten werden wieder regelmäßig üben können.

Zweitens: Wir werden die Miliz ordentlich ausstatten – sei es die Mannesausrüstung oder auch hinsichtlich Mobilität. Sie wissen, dass die ersten Anschaffungen in diesem Bereich bereits im Zulauf sind – 200 MAN-Lkws, die der Miliz zur Verfügung gestellt werden.

Drittens: Die ebenfalls öffentlich diskutierte Entlohnung der Milizsoldaten, festgelegt durch das Heeresgebührengesetz, muss grundlegend überarbeitet werden. Eine ent­sprechende Regierungsvorlage, sehr geehrte Damen und Herren, wird im Herbst im Par­lament eingebracht werden.

Kommen wir jetzt zur Struktur unseres Heeres: Von Anbeginn an war es mir wichtig, viel unterwegs zu sein – quer durch Österreich, bei der Truppe, bei Einsätzen und auch bei Ausbildungsmaßnahmen, sehr oft auch mit einem oder einer von Ihnen. (Abg. Vogl: Reisende soll man nicht aufhalten!) Ich konnte viele Einblicke gewinnen und viele Ge­spräche führen, und daher sage ich an dieser Stelle eines ganz klar: Die Truppe ist der Ort, an dem wir sicher nicht sparen, sondern investieren werden, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Was aber auch außer Frage steht – und das habe ich nicht nur einmal von den Soldaten vor Ort gehört –: Wir müssen beim Verwaltungsapparat diverse Optimierungen vorneh­men. Es kann nicht sein, dass im Bereich Beschaffungen in dem Tempo agiert wird, in dem das in der Vergangenheit der Fall war. Entscheidungen müssen künftig vermehrt dort getroffen werden, wo sie auch zum Tragen kommen. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Besonders mit diesem Veränderungsprozess haben wir die Kommandanten der diversen Führungsebenen bereits intensiv befasst. Klar ist – wie bereits erwähnt –, dass wir investieren müssen, und dafür haben Sie, sehr geehrte Damen und Herren, hier im Parlament ja auch gesorgt, indem Sie das höchste Verteidigungsbudget, das wir jemals hatten, beschlossen haben – dafür ein Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kassegger: Meinen Sie das jetzt wirklich ernst?)

Wir müssen bei unseren Soldaten, bei der Truppe und bei deren Unterkünften investie­ren, und daher sei an dieser Stelle ganz klar formuliert: Wir haben entschieden, dass alle Garnisonen erhalten bleiben, dass wir ein Raumordnungskonzept vorlegen werden. Un­ser erklärtes Ziel, sehr geehrte Damen und Herren, ist es, die Situation in den Kasernen zu verbessern und diese auch auszubauen – das sei hier klargestellt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Es wird kein Standort infrage gestellt, und wir planen nicht, diese regional so wichtigen Zentren zu schließen – ganz im Gegenteil. In Kärnten aber, in der Stadt Villach, stehen wir mit drei Kasernen vor einer Sondersituation. Ziel über Jahre und Jahr­zehnte war es, einen Konsens zu finden, und den haben wir gefunden: Es wird ein gro­ßes militärisches Zentrum entstehen, wir werden zwei Kasernen in Villach verwerten, neben der dritten ein neues Gebäude errichten und diese dritte Kaserne nebenbei auch noch renovieren. Das wird zu einer Stärkung des Standorts führen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das erklärt vielleicht auch die eine oder andere Un­klarheit, die bestanden haben mag. Überlegungen in Wien – das wissen Sie alle – gibt es ja auch seit vielen Jahren. Wir werden und wir wollen in Abstimmung mit der Stadt ein Raumordnungskonzept vorlegen.

Eines, glaube ich, ist aber auch hier im Hohen Haus allen bewusst: Veränderungen ver­ursachen immer auch Widerstände, Veränderungen müssen wir aber auch nutzen. Wenn in den kommenden zehn Jahren die größte Pensionierungswelle beim Heer bevor­steht und viele Tausende Angehörige in den verdienten Ruhestand treten werden, ist es meine und unsere Aufgabe, genau zu beurteilen, in welchen Bereichen Nachbesetzun­gen vorgenommen werden, und dafür gleichzeitig neue Posten in den Bereichen Cyber­abwehr, ABC-Abwehr und so weiter zu schaffen. Das geschieht nicht nur aus militäri­schen Überlegungen, sondern natürlich auch aus Verantwortung gegenüber den Steuer­zahlerinnen und Steuerzahlern, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich habe die Luftraumüberwachung schon kurz angesprochen: Natürlich bekenne ich mich – wie in der Verfassung und in vielen gesetzlichen Bestimmungen verlangt – zur aktiven und passiven Luftraumüberwachung. Sie alle wissen, dass große Entscheidun­gen anstehen, Sie alle wissen auch, dass die Vorbereitungen dazu in der Endphase sind, dass es mir aber auch ganz besonders wichtig ist, den Konsens zu suchen, Informa­tionen zu geben, für Transparenz zu sorgen. Wir werden die Fraktionen diesbezüglich selbstverständlich einbinden, um die kostengünstigste Lösung zu finden.

Auch wenn in der Vergangenheit viele Verteidigungsministertreffen nur auf virtuellem Wege möglich waren, ist es schon auch immer wichtig, über die Grenzen Österreichs hinauszublicken. Bei jedem dieser Treffen wurde unsere Rolle, die Rolle Österreichs bei internationalen Missionen lobend hervorgehoben. Das ist ein wichtiger Bestandteil unse­rer Überlegungen, und, sehr geehrte Damen und Herren, auch da spricht das Regierungs­programm eine klare und sehr deutliche Sprache. Wir werden ein Auslandseinsatzkonzept erstellen, selbstverständlich unter der Einbindung aller relevanten Ministerien, unter Berücksichtigung aller rechtlichen Vorschriften, um den gesamten Konfliktzyklus besser abzudecken. Warum machen wir das? – Um uns an der Lösung von Konflikten, die potenziell auch für uns zur Gefahr werden könnten, vor Ort, dort, wo sie stattfinden, zu beteiligen.

In den letzten Wochen ist auch sehr intensiv über das Heeresgeschichtliche Museum diskutiert worden. – Wir werden uns aktiv um die Weiterentwicklung kümmern. Der zu­ständige Sektionschef ist beauftragt worden, die zweite Kommission einzuberufen, die Beurteilung somit fortzusetzen. Klar ist, das Heeresgeschichtliche Museum wird unter der Verwaltung des Bundesministeriums für Landesverteidigung bleiben, und klar ist auch, dass das Heeresgeschichtliche Museum den Schritt in die jetzige Zeit tun muss. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Auch die Zukunft der Führung des Museums wird nach der Rechnungshofprüfung zur Diskussion stehen.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, darf ich zu unserer wohl wichtigsten Aufgabe kommen. Wir müssen das österreichische Bundesheer in die Mitte der Gesell­schaft führen; das ist der Platz, den unser Heer, den unsere Soldaten verdient haben. Eine Maßnahme, die wir zu diesem Zweck setzen werden, ist die Errichtung sogenannter Schutz- und Hilfezonen, basierend auf autarken Kasernen – diesbezüglich hat es einen Allparteienbeschluss gegeben –, die bei der Bewältigung von Krisen zum Dreh- und An­gelpunkt werden und gleichzeitig dem Schutz der Bevölkerung dienen sollen. Sie werden das gesamte Bundesgebiet abdecken, und unsere jeweiligen Kommandanten werden zu regionalen Ansprechpartnern für Bürger, Einsatzorganisationen und Behörden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das sind Teile unseres Konzepts, an dem wir seit dem Beginn meiner Amtszeit arbeiten – intern arbeiten. Vermutlich ist für Sie alle wenig Über­raschendes dabei, das ist ja auch nur logisch, weil das alles auf dem Regierungspro­gramm fußt, das Sie alle kennen. „Aus Verantwortung für Österreich“ steht auf diesem Programm, und genau so begründe ich jeden einzelnen dieser angesprochenen Punkte.

Nun stehen wir am Beginn eines Veränderungs-, eines Umsetzungsprozesses. Vergan­gene Woche wurden auch die diversen Führungsebenen, vom Generalstabschef über den Generalstab, die Militär- und Brigadekommandanten bis hin zur Ebene der Batail­lonskommandanten, über die Basispositionen informiert und in den Prozess eingebunden.

Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich stehe hier vor Ihnen, vor 183 Abgeordneten, die rund neun Millionen Österreicher vertreten, die wiederum von unserem Bundesheer geschützt werden. Setzen wir uns für dieses Heer ein, so wie sich die Soldatinnen, die Soldaten und die Zivilbediensteten unseres Ressorts Tag für Tag für uns einsetzen!

Eines noch zum Schluss: Wenn der eine oder andere meint, ich habe den undankbarsten Job der Republik (Zwischenruf des Abg. Loacker), dann sage ich Ihnen an dieser Stelle (Abg. Belakowitsch: Das hat kein Mensch gesagt!): Nein, ich habe eine der schönsten und der verantwortungsvollsten Aufgaben in dieser Republik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Hoffentlich nimmer lang!)

Ich komme zum Schlusssatz. Ganz offen: Um für unser Heer, für die Sicherheit Öster­reichs etwas zu bewegen, braucht man gebündelte Kräfte, vor allem aber eines: Mut und Zuversicht. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeord­neten der Grünen.)

9.25

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Laimer. – Bitte.