9.50

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ich glaube, dass wir uns alle darin einig sein sollten, dass es in einem liberalen Rechtsstaat, in dem Grund- und Freiheitsrechte unverhandelbar sind, inakzeptabel ist, wenn eine Gruppie­rung – egal welche – versucht, Menschen daran zu hindern, mit Gewalt daran zu hin­dern, ihr ihnen verfassungsmäßig zustehendes Recht auf Meinungs- und Versamm­lungsfreiheit auszuüben. Das ist ein Konsens, dem wir uns alle, glaube ich, anschließen müssten, und es darf hier niemals Toleranz geben, weil es niemals Toleranz gegenüber den Intoleranten geben darf. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon hat einmal versucht, ein paar Leitlinien aufzu­stellen, wie denn mit solchen Tendenzen umzugehen ist, und er hat in erster Linie davon gesprochen, dass im Rahmen einer offenen Gesellschaft dort Akzeptanz an den Tag zu legen ist, das heißt, etwas gutzuheißen ist, was zu dieser offenen Gesellschaft dazuge­hört. Als Zweites hat er gesagt, es sind Ideologien und Maßnahmen zu tolerieren, die vielleicht der offenen Gesellschaft entgegenstehen, sie aber in ihrer Funktionstüchtigkeit nicht beeinträchtigen; die sind nur zu tolerieren. Als Drittes hat er die Ideen und An­sichten angesprochen, die überhaupt nicht zu tolerieren sind, das sind nämlich jene, die die offene Gesellschaft in ihren Grundfesten angehen, wenn versucht wird, die offene Gesellschaft ganz grundlegend infrage zu stellen. Das heißt, insbesondere dort, wo ver­sucht wird, mit Gewalt grundlegende Grund- und Freiheitsrechte zu bekämpfen, wo ver­sucht wird, diese auszuhebeln, müssen wir dem mit einer klaren zivilisierten Verachtung, mit einer wehrhaften Demokratie entgegentreten. (Beifall bei den NEOS.)

Das Gute, Herr Innenminister, ist: Wir haben ja diese Möglichkeiten. Unser Rechtsstaat gibt uns diese Möglichkeiten, es gibt Straftatbestände gegen jene Handlungen, die bei den Krawallen, Ausschreitungen in Favoriten passiert sind. Wir haben auch gesehen, dass die Wiener Polizei mit ihrem sehr beherzten und ihrem sehr konsequenten Auftre­ten genau das gemacht hat, was unser Rechtsstaat vorsieht, nämlich den Rechtsstaat durchzusetzen. Wir haben schon mehrmals entsprechende Danksagungen gehört, aber ich glaube, insbesondere das besonnene Auftreten der Wiener Polizei in dieser Situation ist etwas, wofür man ganz besonders Danke sagen muss, weil sie es geschafft hat, diese Auseinandersetzungen, so gut es geht, in den Griff zu bekommen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube, dass es überhaupt nichts bringt, in der Debatte martialisch aufzutreten. Ich glaube, es bringt auch nichts, wenn man von der vollen Härte des Rechtsstaats spricht. Das Einzige, was der Rechtsstaat ist, ist, konsequent zu sein, nämlich dann, wenn wir ihn ganz konsequent anwenden und die Taten, die begangen worden sind, die Straftaten sind, auch entsprechend ahnden.

Ich habe vom Fünfpunkteplan der Frau Integrationsministerin gehört und habe einmal gesagt, ja, ein Gipfel – also ich bin ein Freund des Dialogs und glaube, dass man selbst mit Leuten einen Dialog führen muss, die selbst nicht sonderlich bereit dazu sind, aber wenn sie dem Dialog folgen, halte ich das für eine richtige Maßnahme. Ich habe aller­dings schon beim zweiten Punkt nicht ganz verstanden, was die Zielsetzung dieser Maß­nahme ist, nämlich wenn es um diese Dokumentationsstelle für den politischen Islam geht. Ich persönlich bin der Meinung, dass es, wenn Gruppierungen in Österreich versu­chen, grundlegende Grund- und Freiheitsrechte mit Gewalt auszuhebeln und zu be­kämpfen, ja eigentlich ein Amt gibt, das dafür zuständig ist, solche verfassungsfeindli­chen Tendenzen in den Griff zu bekommen, und das ist das Bundesamt für Verfassungs­schutz und Terrorismusbekämpfung.

Herr Innenminister, Sie haben vorhin gesagt, Sie werden schauen, ob es da einen poli­tischen Einfluss gab. – Aus meiner außenstehenden Sicht ist der offensichtlich, und es ist das BVT, das dafür zuständig ist, zu schauen, was da passiert ist, und die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Daher verstehe ich nicht ganz, was diese Dokumentations­stelle in diesem Zusammenhang soll. Es gibt eine für verfassungsfeindliche Tendenzen zuständige Stelle, das ist das BVT und dieses hat diesbezüglich seine Verantwortung auch wahrzunehmen. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist absolut unbestritten, dass es nicht sein kann, dass Konflikte aus anderen Ländern nach Österreich importiert und hier ausgetragen werden, deswegen ist es mir auch sehr wichtig, abschließend noch etwas ganz Grundlegendes in Bezug auf diese Konflikte zu sagen. Wenn bestimmte Gruppierungen in Österreich der Meinung sind, dass sie über Jahrhunderte erkämpfte Grund- und Freiheitsrechte bekämpfen wollen, und diese auch ganz konkret mit Gewalt einzuschränken versuchen, dann muss man ihnen etwas mit­geben: Wer glaubt, dass er in eine liberale Demokratie einwandern kann und sich in dieser liberalen Demokratie mit den Rechten, die aus dieser liberalen Demokratie explizit herauskommen, die von ihr verbrieft sind, für autoritäre Regime einsetzen kann, wie die Türkei eines ist, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, der hat aus meiner Sicht etwas ganz Grundlegendes falsch verstanden.

Ich halte es für hoch problematisch, wenn jemand in einer liberalen Demokratie ein auto­kratisches Regime in dieser Art und Weise gutheißt und sich dort offensichtlich wohler fühlen würde. Wenn jemand der Meinung ist, dass es in einem autoritären Regime of­fensichtlich besser ist, und dieses gutheißt, dann sage ich Ihnen ganz ehrlich auch et­was: Wem es in einer liberalen Demokratie nicht gefällt, dem ist es unbenommen, wo hinzugehen, wo es anders ist. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Abg. Wöginger: Guter Schlusssatz!)

9.56

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.