9.56

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! In dieser ganzen Debatte fehlt mir eigentlich eine ganz zentrale Frage, nämlich nicht, warum das passiert, sondern, warum das, wovon wir hier sprechen, nicht in Sankt Johann im Pongau, nicht in Graz, sondern genau in Wien Favoriten passiert. Ich glaube, diese zentrale Frage ist auch die Lösung des Problems, und zwar: Es ist ein Integrations­problem.

Ich wohne seit 30 Jahren in Favoriten, ich sage Ihnen, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Bezirk verstehen nicht, wovon Sie hier reden, sie verstehen nicht, von welch abstrakten Dingen Sie reden, sondern sie wissen, woran es liegt. Es liegt an einer ver­fehlten Bezirksentwicklungspolitik (Beifall bei der ÖVP), an segregierten Grätzeln, dass nur Angehörige einer ethnischen Gruppe in einer Gasse wohnen. Es liegt daran, dass wir in Favoriten einfach zu wenig Verständnis für diese kulturellen Konflikte haben, dass die SPÖ, die dort ewig die absolute Mehrheit hatte, nie verstanden hat, dass Integration nicht heißt, irgendeinem Verein Kulturförderung zu geben und zu hoffen, dass man dann gewählt wird, sondern dass Integration heißt, auch etwas einzufordern, gemeinsam zu versuchen, in einer Gesellschaft zu leben und auch Regeln zu haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Becher.)

Es liegt natürlich auch an der türkischen Diasporapolitik, die immer versucht, die Aus­landstürken als ihre Türken zu framen und sie für die Politik der Türkei und der AKP zu vereinnahmen. Das ist nicht die Schuld einer Partei, das ist ein Problem, das wir alle gemeinsam lösen müssen, weil es auch ein Teil dieses Problems ist (Abg. Leichtfried: Haben Sie mit Herrn Kurz darüber geredet?); das möchte ich Ihnen sagen: Schuld ist nicht eine Partei (Ruf bei der SPÖ: Aber schuld ist die SPÖ!), schuld ist jeder, der dieses Problem nicht ernst nimmt, und leider gibt es ganz viele in der SPÖ, die es nicht ernst nehmen.

Es gibt da zum Beispiel zwei, die es ernst nehmen; ich sage Ihnen auch, wer: zum Bei­spiel der ehemalige Bürgermeister Michael Häupl. Im „Falter“, Ausgabe 26, zieht er das Resümee seiner Amtszeit: Ja, Integration ist ein „wunder Punkt“ dieser Amtszeit – Zitat Häupl –, es sei zu wenig gemacht worden, um diese Konflikte aufzulösen. (Abg. Rendi-Wagner: Was hat die ÖVP getan? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

SPÖ-Bezirksrätin Maryam Farzam postet, nachdem SPÖ-Gemeinderat Florianschütz und SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi bei einem türkischen Atib-Moscheeverein waren, dass der Besuch von SPÖ-Gemeinderat Florianschütz bei dieser Atib-Veranstaltung ei­ne Schande für die Menschenrechte sei, und fordert den Rücktritt von Omar Al-Rawi, der jetzt auf Platz 23 der SPÖ-Landesliste kandidiert. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist nicht die Schuld der SPÖ, es ist die Schuld von SPÖ-Politikern, die aus wahltakti­schen Gründen diese tiefsitzenden Probleme ignorieren und nicht lösen wollen. (Abg. Leichtfried: Reden Sie mit Herrn Kurz darüber! – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.) Ich sage Ihnen als Favoritner, der seit 30 Jahren dort wohnt, der politisiert wor­den ist, weil diese Ignoranz nicht auszuhalten ist, ich bitte Sie einfach: Tun Sie etwas, akzeptieren Sie das nicht, machen wir das alle gemeinsam! Die FPÖ hat 38,8 Prozent in Favoriten. (Abg. Kickl: Geben Sie uns noch ein paar!) Was haben Sie dazu beigetra­gen, dass die Situation in Favoriten besser wird? Wir müssen es alle machen (Zwischen­rufe bei der FPÖ), wir müssen alle das Problem ernst nehmen, denn das haben sich die Favoritnerinnen und Favoritner verdient. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch die ÖVP hat eine Verantwortung (Abg. Stefan: Warum kriegt ihr keine Wähler in Favoriten?), ja, das stimmt. Was haben wir gemacht? (Abg. Kickl: Nichts! – Zwischenru­fe bei der SPÖ.) – Wir haben das Islamgesetz auf den Weg gebracht, das ganz wichtig war, um zum Beispiel betreffend den angesprochenen Atib-Verein die Auslandsfinanzie­rung und die Steuerung durch das türkische Kultusamt zu beenden. (Abg. Kollross: Na, was habts denn gemacht ...? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was haben wir pro­biert? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Wir haben gesagt - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde Sie bitten, die Diskussion nicht mit stän­digem Herausrufen zu stören. Sie können sich ja alle zu Wort melden. (Abg. Belako­witsch: Nein, können wir nicht! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Abg. Wögin­ger: Na, was schreist denn a so! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Abgeordneter Nico Marchetti (fortsetzend): Was haben wir gesagt? – Wir brauchen eine gemeinsame Sprache, wir brauchen eine Basis, auf der wir gemeinsam kommuni­zieren. Was hat die Bundesregierung gemacht? – Sie hat die Deutschförderklassen end­lich auf Schiene gebracht. (Beifall der ÖVP.) Wer hat dagegengestimmt? – Die SPÖ. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Rendi-Wagner.) Wir haben in den letz­ten Jahren gesagt, wir müssen ein Statement in Richtung der Kinder in den Schulen abgeben, dass Extremismus nicht okay ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben das Kinderkopftuch verboten. Wer hat dagegengestimmt? – Die SPÖ. Und Sie werfen uns dann vor, dass wir betreffend Integration nichts machen?! – Wir machen etwas, Sie ma­chen nur nicht mit; das ist das Problem. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Ich möchte mit einem Zitat von einem meiner Nachbarn in Favoriten schließen. Ich habe ihn nach der Pressekonferenz des Bürgermeisters, bei der dieser gesagt hat, das sei ein Sicherheitsproblem und kein Integrationsproblem, gefragt, was er davon hält, und er hat gesagt: Du, Nico, der Bürgermeister hat nicht die falschen Worte gewählt, sondern wir haben den falschen Bürgermeister gewählt! – Der wählt nicht noch einmal die SPÖ, und ich kann es sehr gut verstehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Die Rede war jetzt noch schlechter als die vom Kickl!)

10.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Bayr. – Bitte.