11.18

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten hier über ein Konjunkturpaket – das ist gut und richtig so, weil wir ein Konjunkturpaket brauchen! Wir brauchen dieses Konjunkturpaket genauso, wie wir die Hilfspakete für alle möglichen Gruppen gebraucht haben – da hat Kollege Kopf recht –, allerdings wissen wir in der Zwischenzeit, dass diese Hilfe zu bürokratisch, zu langsam und zu wenig war.

Dasselbe befürchten wird jetzt auch bei diesem Konjunkturpaket. Es sind einige ganz, ganz vernünftige Sachen drinnen, da sind wir uns einig: eine degressive AfA – ein SPÖ-Konzept, insofern bürgt das quasi schon für Qualität (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Heiterkeit bei der ÖVP – Abg. Steinacker: Erfunden habt ihr es nicht!) –, die Sen­kung der Steuern auf Arbeit – auch ein SPÖ-Konzept, auch volle Unterstützung, das ist richtig und gut so.

Was man aber sieht, ist, dass die ÖVP leider blind für die Sorgen und Nöte von Arbeit­nehmern, von Menschen in Kurzarbeit und von Arbeitslosen ist, dass sie leider taub für die Probleme von Jugendlichen, die am stärksten von der Wirtschaftskrise betroffene Gruppe, ist, und dass sie leider auch empathielos hinsichtlich der Sorgen und Nöte von Klein- und Mittelbetrieben und von Einpersonenunternehmen ist.

Sie hat allerdings Adleraugen, wenn es um die Sorgen und Nöte – wobei Sorgen und Nöte interessante Wörter dafür sind –, um die Anliegen ihrer Großspender geht. Sie hat Luchsaugen, wenn es um die Interessen von Konzernen geht, und sie hat sehr hohe Sympathie, wenn es um Anliegen ihrer Lobbyisten geht. Wenn es also darum geht, dass Arbeitnehmer zu viel an Steuern zahlen und Millionäre zu wenig, dann sind die Arbeit­nehmer egal und die Interessen der Millionäre ganz, ganz wichtig. Wenn es darum geht, dass Konzerne keine Steuern zahlen und möglichst Steuerschlupflöcher haben, dann ist das der ÖVP ganz wichtig. Wenn es um die Sorgen und Nöte von Klein- und Mittelbe­trieben und von Einpersonenunternehmen geht, dann ist es für sie irrelevant.

Ein Beispiel sind die Landwirte. Ich sage gleich dazu, ich habe hohe Sympathie für Land­wirte, die in Pension sind – schweres Leben, arbeiten noch in der Pension weiter, führen oft den Hof der Kinder –, aber die sind von der Covid-Krise null betroffen, deren Pension hat sich um null Euro verändert. (Ruf bei der ÖVP: Um welche Pensionen geht es, Herr Kollege?! Ruf bei der SPÖ: Da werden sie gleich nervös!) Menschen, die durch die Krise arbeitslos geworden sind, haben fast ihr halbes Einkommen verloren. Was ist der Schwerpunkt der ÖVP? (Abg. Höfinger: Die SPÖ ... Mindestpensionen ... das nennt sich sozial! Unglaublich! Zwischenruf des Abg. Strasser.) – Menschen, die durch die Ar­beitslosigkeit von heute auf morgen fast die Hälfte ihres Einkommens verlieren, bekom­men einmalig 450 Euro, Landwirte, die in Pension sind, die null Einkommen verloren ha­ben, bekommen dauerhaft 450 Euro jährlich. (Abg. Höfinger: ... Mindestpensionen ... da­für solltet ihr kämpfen!) Und was gibt es für den Arbeitnehmer, der in Pension ist, für den Mindestrentner, für die Mindestrentnerin, für den kleinen Selbstständigen? Null!

Daran sieht man, Sie hören total gut (die rechte Hand an das rechte Ohr legend) auf Lobbyisten in den eigenen Reihen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Höfinger), aber Sie haben keinen Blick fürs große, gemeinsame Ganze. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben keinen Blick für die Sorgen und Nöte von weiten Teilen der Bevölkerung, Sie hören da nicht hin. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Wir helfen Ihnen aber gerne, indem ich hier einen Abänderungsantrag einbringe, der viele Dinge beinhaltet, die Sie überhört haben:

Die erste Änderung ist, 1 700 Euro im Monat steuerfrei zu stellen.

Das Zweite ist, dass die Regelung, wonach Personen, die über 1 Million Euro im Jahr verdienen – also die Millioneneinkommen –, eine höhere Steuer zahlen, nicht nur um drei Jahre verlängert wird, sondern das soll ins Dauerrecht kommen, denn ich verstehe nicht, dass jemand, der über 1 Million Euro verdient, möglichst wenig Steuern zahlen soll. Ich weiß, das ist der ÖVP immer ganz, ganz wichtig, dass diese Personen möglichst wenig Steuern zahlen, wir Sozialdemokraten sind aber der Meinung, sie sollen auch dauerhaft einen gerechten Beitrag zahlen und nicht nur vorübergehend.

Sie haben bei der Steuerreform vollkommen auf die Pensionisten vergessen. Deswegen bringen wir hier auch den Antrag ein, dass auch diese über den Pensionistenabsetzbe­trag den gerechten Teil bekommen, der ihnen zusteht.

Sie haben beim Jahressechstel eine kleine Lösung gemacht, nämlich 15 Prozent bei Kurzarbeit. Wir bringen die komplette Lösung, nämlich 100 Prozent für Menschen in Kurzarbeit, damit sie beim Jahressechstel nicht darum umfallen und damit das auch bei all jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, bei denen im Moment der 13. und der 14. Monatsgehalt zu hoch besteuert wird, repariert wird.

*****

Wir bringen das ein, was Ihnen fehlt, nämlich der Blick aufs Ganze und der Blick auf alle Teile der Bevölkerung, nicht nur auf Konzerne, auf Millionäre und auf ihre Lobbyisten. Ich ersuche um Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.24

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer,  

Genossinnen und Genossen

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvor­lage (287 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsge­setz, das Finanzstrafgesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das EU-Melde­pflichtgesetz, das Flugabgabegesetz und das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert werden (Konjunkturstärkungsgesetz 2020 – KonStG 2020; 336 d.B.) (Top 1)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberich­tes 336 d.B. wird wie folgt geändert:

1. Artikel 1, Änderungen des Einkommensteuergesetzes, wird wie folgt geändert:

a) In Ziffer 7 lautet die lit. a:

„a) In § 33 Abs. 1 wird die Wortfolge „für die ersten 11 000 Euro“ durch die Wortfolge „für die ersten 15 300 Euro“ und die Wortfolge „für Einkommensteile über 11 000 Euro bis 18 000 Euro“ durch die Wortfolge „für Einkommensteile über 15 300 Euro bis 18 000 Euro“ ersetzt.“

b) In Ziffer 7 lautet die lit b:

„b) In § 33 Abs. 1 lautet der letzte Satz: „Für Einkommensteile über eine Million Euro beträgt der Steuersatz 55%.““

c) in Ziffer 7 wird nach lit b folgende lit c eingefügt:

„c) In § 33 Abs. 6 Z 2 wird der Betrag von „964 Euro“ durch den Betrag „1064 Euro“ ersetzt.

d) Nach Ziffer 10 werden folgende Ziffern 10a, 10b und 10c eingefügten

„10a. In § 67 Abs. 2 entfällt der letzte Satz.

10b. In § 77 Abs. 3 entfällt die Wortfolge „, abgesehen von Fällen gemäß Abs. 4a,“

10c. § 77 Abs. 4a entfällt.“

e) In Ziffer 12 wird in § 124b Z 360 die Wortfolge „§ 33 Abs. 1“ durch die Wortfolge „§ 33 Abs. 1, § 67 Abs. 2 und § 77“ ersetzt.

f) In Ziffer 12 lautet §124b Z 364:

„364. In Fällen der Kurzarbeit gem. § 37b und §37c AMSG ist für das Veranlagungs­jahr 2020 die Berechnung des Jahressechstels der der Kurzarbeit zu Grunde liegende bisherige monatliche laufende Bezug bei unverringerter Normalarbeitszeit zugrunde zu legen.“

Begründung

Österreich droht in Folge der Corona-Krise eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe. Und die türkis-grüne Regierung hat keinen Plan, um das zu verhindern. Die SPÖ da­gegen hat mit dem KRAFTPAKET ÖSTERREICH einen umfassenden Plan erarbeitet, um einem wirtschaftlichen und sozialen Desaster entgegenzuwirken. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind schon jetzt dramatisch – das ganze Aus­maß wird sich allerdings erst zeigen. Klar ist in jedem Fall, dass es nicht wieder die ArbeitnehmerInnen alleine sein dürfen, die die Kosten tragen. Die SPÖ will, dass auch Vermögende ihren gerechten Teil zur Bewältigung der Krise beitragen.

Folgende Änderungen werden vorgeschlagen:

a) 1700 Brutto Steuerfrei, Steuersenkung um 5 Mrd. € für alle Einkommen,

b) 55% Spitzensteuersatz nicht nur die nächsten 5 Jahre verlängern, sondern in das Dauerrecht übernehmen,

c) Sanierung der ungerechten Besteuerung des Jahressechstels von ÖVP/Grüne, wenn das Einkommen infolge von Arbeitslosigkeit, Teilzeit oder Kurzarbeit in den zweiten Jah­reshälfte sinkt, soll die sogenannte „Aufrollung“ nicht nur zu Lasten der ArbeitnehmerIn­nen gehen.

Zu Änderung Artikel 1 lit a, lit b und lit c:

Im vorliegenden Entwurf wird die erste Steuerstufe gesenkt, ÖVP/Grüne wollen, dass die Österreicherinnen und Österreicher nur maximal 350 € weniger Steuern pro Jahr zahlen. Die SPÖ hat schon mehrfach ihr Konzept von „1.700 Euro steuerfrei“ vorlegt, die Anträge wurden immer vertagt oder abgelehnt. Aber genau jetzt ist eine sofortige, spür­bare Steuersenkung in der Höhe von 5 Mrd. Euro für die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer dringend notwendig. Damit hat jede Arbeitnehmerin, jeder Arbeitnehmer das Dreifache mehr pro Jahr in der Tasche (1.075 Euro).

Eine Senkung der Steuer für Einkommen durch eine Lohnsteuerreform stärkt den Kon­sum: Der erste Hebel um die Konjunktur in Schwung zu bringen, ist die Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen. Durch die Anhebung der ersten Tarifstufe von bisher 11.000 Euro auf (neu) 15.300 Euro werden die ersten 1.700 Euro Monatsgehalt (brutto) sozial gerecht und treffsicher steuerfrei gestellt. Diese Tarifmaßnahme führt zu einer Steuersenkung von bis zu 1.075 Euro jährlich. Parallel wird der erhöhte Pensionistenab­setzbetrag um 100 Euro angehoben.

Zugleich soll die bisherige zeitliche Befristung für den Spitzensteuersatz bis 2020 ent­fallen, ÖVP und Grüne wollen, dass Millioneneinkommen ab 2026 nur 50% Einkommen­steuer zahlen sollen. In Zukunft sollen für Einkommensteile über 1 Million Euro unbefris­tet, und nicht nur die kommenden Jahre, 55% Einkommensteuer zu zahlen sein.

Zu Änderung Artikel 1 lit d und lit e:

Mit dem Steuerreformgesetz 2020 (984/A) wurde eine Passage im Einkommensteuerge­setz ergänzt, die zu einer geänderten Berechnung des Jahressechstels für die Anwen­dung des begünstigten Steuersatzes von 6% für Urlaubsgeld und Weihnachtsremune­ration führte. Bis dahin wurde das Jahressechstel für die Versteuerung auf Basis der bereits zugeflossenen und auf das Kalenderjahr umgerechneten Bezüge gerechnet.

Die seinerzeitige von ÖVP und FPÖ initiierte Novelle zur neuen „verpflichtenden Aufrol­lung des Jahressechstels“ erfolgte durch folgende textliche Änderungen im EStG:

In § 67 Abs. 2 wurde am Ende folgender Satz angefügt:

„Ausgenommen in Fällen von Elternkarenz darf der Arbeitgeber in einem Kalenderjahr nicht mehr als ein Sechstel der im Kalenderjahr zugeflossenen laufenden Bezüge als sonstige Bezüge mit den festen Steuersätzen gemäß Abs. 1 besteuern (§ 77 Abs. 4a).“

In § 77 wurde nach Absatz 4 wird folgender Absatz 4a eingefügt:

„(4a) Wurde im laufenden Kalenderjahr insgesamt mehr als ein Sechstel der zugeflos­senen laufenden Bezüge mit den festen Steuersätzen gemäß § 67 Abs. 1 versteuert hat der Arbeitgeber bei Auszahlung des letzten laufenden Bezuges im Kalenderjahr die übersteigenden Beträge durch Aufrollen nach § 67 Abs. 10 zu versteuern; dies gilt nicht in Fällen von Elternkarenz.“

Die SPÖ hat bereits im Zuge der Beschlussfassung im September 2019 darauf hinge­wiesen, dass diese Neuregelung nicht nur problematisch ist, sondern auch zu massiven Ungerechtigkeiten zu Lasten von ArbeitnehmerInnen führt.

a) die Aufrollung ist verpflichtend vorzunehmen, wurde vom Arbeitgeber unterjährig ein zu hohes Jahressechstel der begünstigten Besteuerung zu Grunde gelegt; d.h. die Auf­rollung erfolgt nur zu Lasten des Arbeitnehmers, kann jedoch nie zu dessen Gunsten angewendet werden. Unterjährige Senkung der Normalarbeitszeit (Teilzeit, Kranken­stand) führt zur Aufrollung und Nachversteuerung. Unterjährige Erhöhung der Normalar­beits(teil)zeit nicht es kann daher nicht das rechnerisch höhere Jahressechstel begüns­tigt besteuert werden.

b) Außer in Fällen der Elternkarenz ist die Aufrollung verpflichtend durchzuführen. D.h. es kommt zu einer unsachlichen Ungleichbehandung im Vergleich zu Bildungskarenz, Pflegekarenz usw., in diesen Fällen muss die Lohnverrechnung aufgerollt und nachge­zahlt werden, im Fall der Elternkarenz nicht.

Im Zuge der Covid-19 Krise verschärft die Jahressechstel-Aufrollung nun auch die steu­erliche Ungerechtigkeit bei der Kurzarbeit, weshalb bei der Berechnung des Jahres­sechstels auf den normalen monatlichen Gehalt bei unverringerter Normalarbeitszeit ab­zustellen ist.

Die ÖVP-FPÖ-Regelung zu Lasten der ArbeitnehmerInnen soll daher ersatzlos entfallen, durch die Besserstellung des Steuerpflichtigen in der Rechtsposition, soll die Änderung rückwirkend ab 1.1.2020 erfolgen, wobei die Ergänzung in die geltende Bestimmung der Regierungsvorlage integriert wird.

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, wird gerade an alle Abgeordneten verteilt und ist damit auch ordnungsgemäß einge­bracht.

Die nächste Rednerin steht schon beim Pult. – Bitte, Frau Abgeordnete Elisabeth Götze.