12.40

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Anschober, das waren jetzt wunderbare Worte der Solidarität: Es ist völlig egal, woher jemand ist, welche Sprache jemand spricht. Es ist eigentlich die gerechte Welt für alle, das haben Sie wirklich schön gesagt. – Wie ein Sozialdemokrat hat er geredet. (Heiter­keit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Scherak: ... seinem Koalitionspartner!)

Herr Bundesminister Anschober, ich möchte jetzt aber über ein anderes Thema reden, nämlich darüber, wie wir Armut in Österreich vermeiden können und was genau im Re­gierungsprogramm steht – im Regierungsprogramm, das nämlich geschrieben wurde, bevor das Coronavirus weite Teile der Bevölkerung erfasst hat. Wie gehen wir mit dem unsozialen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, vorher Mindestsicherung, um? Herr Bundes­minister, welche Haltung haben Sie dazu? Es gab ja mehr als 140 Stellungnahmen. Vor einem Jahr ist dieses unsoziale Gesetz in Kraft getreten, das viele kritische Stimmen heraufbeschworen hat und mit dem Armut nicht vermieden, sondern vermehrt wird.

Jetzt kommt das Virus dazu, und die Armutsgefährdung der Menschen, die hier leben, nimmt zu und nicht ab. Wo ist denn die Solidarität der Regierungsparteien mit diesen Gruppen? Wo ist denn da die Solidarität mit denen, von denen die FPÖ noch immer Sprachniveau B1 für Deutsch und C1 für Englisch verlangt, obwohl der Verfassungs­gerichtshof gesagt hat, es sind ja nicht nur Menschen, die Deutsch nicht als Erstsprache haben, sondern es können ja auch psychisch kranke Menschen, Menschen mit Lern- und Leseschwächen sein, die diese Niveaus nie erreichen können, aber unserem Arbeitsmarkt trotzdem gut zur Verfügung stehen können? Ihr wollt das alles beibe­halten – ich verstehe das jetzt überhaupt nicht (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch–, und auch die Mehrkindstaffelung, die vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, wodurch das dritte Kind und weitere Kinder gerade einmal 1,50 Euro wert sind. Das kann es ja nicht sein, dass man von Solidarität redet, aber in einer solchen Regierung ist und Verantwortung trägt, Herr Bundesminister!

Wir müssen schon wirklich gut diskutieren, wie wir jetzt in und nach dieser Coronakrise gemeinsam dafür Sorge tragen können, dass aus den 400 000 armutsgefährdeten Kin­dern in Österreich nicht 500 000, 600 000 oder 700 000 werden. Dass sich diese Sozial­hilfegrundsatzgesetzgebung auf Frauen besonders negativ auswirkt, brauche ich ja gar nicht extra zu erwähnen. Wir haben diese Gesetze nie durch die Geschlechterbrille be­trachtet. Niederösterreich und Ihr Bundesland Oberösterreich, Herr Bundesminister, haben sie mit dieser Verschärfung umgesetzt. Wir müssen jetzt gemeinsam Verantwor­tung und Solidarität an den Tag legen, und diese Sozialhilfegrundsatzgesetzgebung darf keine Regelung mit Höchstgrenzen für Bittstellerinnen und Bittsteller sein. Es sollten eigentlich bundeseinheitliche Mindeststandards für alle in der Bevölkerung vorhanden sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Das soziale Netz ist nicht mehr verlässlich. Es werden sehr viele durch dieses Netz fallen, weil die Löcher größer geworden sind, und dem müssen wir entgegenwirken. (Beifall bei der SPÖ.)

12.44

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Hammer. – Er ist nicht im Saal.

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.