20.09

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Regierungsmitglieder! Gestern diskutierten wir Fra­gen der Bildung und heute war das Thema Lehre sogar in einem Dringlichen Antrag mit dabei. Gerade wegen der Coronakrise sind Themen, welche die Zukunft unseres Landes maßgeblich betreffen, besonders wichtig. Neben der Bewältigung der gesundheitlichen Herausforderungen einer Pandemie müssen jetzt auch Schritte gesetzt werden, damit wir in der nächsten Generation nicht eine verlorene Coronageneration haben.

Einige Maßnahmen wurden hier bereits gesetzt, aber im Grunde hat Österreich im Moment auch nur zwei Alternativen: Entweder stellen wir jetzt die Weichen im Lehr- und Bildungssystem, sodass wir nach der Coronakrise wieder voll durchstarten können, oder wir hinterlassen der kommenden Generation nichts als Schulden – Versäumnisse, die wir der Zukunft unserer Kinder aufbürden und für die sie dann aufkommen müssen.

Es gibt derzeit viele Probleme, die zu bewältigen sind, die aber nicht durch Corona ausgelöst, sondern eigentlich durch Corona nur noch verschärft wurden. Die Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie weisen zu Recht auf den zu befürchtenden Einbruch in Bezug auf die Lehrlingsausbildung im Herbst hin, in Wahrheit steckt die Lehre aber schon etwas länger in der Krise. Die Zahl der Lehrlinge in Österreich hat sich allein von 2009 bis 2019 um fast 20 000 Personen verringert, was in Anbetracht des Potenzials eines gut organisierten Lehr- und Ausbildungssystems eigentlich erschütternd ist.

Sogar die Vereinigten Staaten nehmen sich mittlerweile das System der dualen Aus­bil­dung zum Vorbild, weil sich die Kombination von Theorie und angewandtem Wissen einfach bewährt hat. In vielerlei Hinsicht ist es wichtig, von praxiserfahrenen Bezugs­personen zu profitieren. Es ist ein reicher Erfahrungsschatz, den man durch eine Lehre bekommen kann. IBM zum Beispiel hat beschlossen, über 1 Milliarde Dollar in die Lehr­lingsausbildung fließen zu lassen, weil man eben das Potenzial dieser Form der Aus­bildung erkannt hat.

Unsere Lehrlinge könnten ein Motor für Wirtschaft und Innovation sein, wenn man sich deren Potenzial beherzt und voll annehmen würde. Es wäre an der Zeit, sich neben einer konstanten Obsession mit der Akademikerquote auch mit ähnlicher Energie der Lehr­lingsquote zuzuwenden, denn eine abgeschlossene Lehre mit Matura ist genauso wertvoll. Generell sollte ein Lehrberuf genau den gleichen Stellenwert in unserer Gesell­schaft haben – ich erinnere nur an die Helden der Coronakrise, an die systemrelevanten Berufe, die viel bejubelten Systemerhalter; darunter zahlreiche Lehrberufe.

Es braucht daher Maßnahmen, die die dringlichsten Probleme rasch adressieren, wie etwa eine Förderung der innerösterreichischen Mobilität, um Lehrlinge auch dort zu haben, wo sie tatsächlich benötigt werden, und eine wesentliche Erleichterung für all jene, die eine Lehre abgeschlossen haben und danach tatsächlich noch den Weg in die Selbstständigkeit wagen.

Ja, die Coronakrise wird zu einer sinkenden Selbstständigkeit führen, weil die Menschen, die in der Krise am meisten verlieren, gerade jene in den EPUs und KMUs sind. Ja, es wird bei Mieten und Lieferantenkrediten geholfen, aber das Einkommen bleibt aus. Das wird vielen die Lust an der Selbstständigkeit nehmen. Ja, ich bin auch der Meinung, Lehrlinge darf man nicht demotivieren, Lehrlingen muss man Mut machen. Da muss der Gesetzgeber eben ermutigend eingreifen, und das lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Es ist Wertschätzung gegenüber jenen zu zeigen, die sich trotz der Krise bereit erklären, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen.

Die Lehrlingsausbildung wird mehr und mehr zu einem strategischen Schwerpunkt in unserer Gesellschaft werden. Die Lehrlinge, die uns heute fehlen, sind die verlorenen Arbeitsplätze von morgen. Entscheidungen, die wir jetzt treffen, werden ausschlag­ge­bend dafür sein, ob wir unseren Wohlstand halten oder eben nicht.

Eines sei noch einmal mit Nachdruck gesagt: Ein Lehrberuf ist ein Ehrberuf! – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

20.13

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Süleyman Zorba. – Bitte, Herr Abgeordneter.