20.16

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsi­dentin! Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Familie wächst, wenn man mehr Platz braucht, dann hat man zwei Möglichkeiten: Man kann die Wohnung oder das Haus um­bauen oder man mietet eine größere Wohnung, baut sich ein größeres Haus.

Wenn man sich dafür entscheidet, bei der bestehenden Wohnung, beim eigenen Haus herumzudoktern, dann endet das meistens nicht gut. Da wird hier eine Gaupe drange­baut, da ein Carport, da kommen Wintergärten dazu, und innerhalb kürzester Zeit hat das Haus völlig seine Form verloren, passend ist es aber trotzdem noch nicht, denn es ist immer noch neben der Autobahnabfahrt oder im Hochwassergebiet. – Genau so muss es auch bei der Standortsuche des ORF gewesen sein.

Der ORF hat 2012 die Zusammenführung der drei Wiener Standorte beschlossen – der Küniglberg mit dem ORF-Zentrum, Heiligenstadt mit Ö3 und die Argentinierstraße sollten an einem Standort zusammengefasst werden. Der Rechnungshof kritisiert jetzt, dass die Entscheidung für die Konsolidierung am Standort Küniglberg ohne umfassende Analyse getroffen wurde. Man hat sich anscheinend nicht gefragt, welche Vor- und Nachteile es für die jeweiligen Standorte gibt, was für und was gegen die Standorte spricht.

Für einen Neubau in Sankt Marx hätte es sehr gute Gründe gegeben, zum Beispiel keine Einschränkung durch den Denkmalschutz und eine gute Verkehrsanbindung. Eine sol­che gibt es nämlich am Küniglberg definitiv nicht. Böse Zungen behaupten ja, dass ORF die Abkürzung für oarg in der Ferne ist, und es ist tatsächlich ein kleiner Wandertag, wenn man auf den Küniglberg hinaufpilgern möchte, vor allem wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist. Verkehrskonzept gibt es auch noch keines. Bisher konnten sich ORF, Stadt Wien und Bezirk da nämlich noch nicht einigen.

Des Weiteren kritisiert der Rechnungshof, dass es dem ORF nicht gelungen ist, eine stabile Projektorganisation zu etablieren, und dass zumindest zu Beginn die Komplexität und der Aufwand dieses Sanierungsprojektes unterschätzt wurden.

Es überrascht dann auch nicht, dass der ORF Auftragswerte über 100 000 Euro entge­gen den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes direkt vergeben hat oder unzuläs­sigerweise gesplittet hat. Diese Methode kennen wir ja auch von der öffentlichen Hand zur Genüge, zum Beispiel beim Krankenhaus Nord oder bei der Vergabe von Inseraten.

Wir hoffen aber sehr, dass sich der ORF die berechtigte Kritik zu Herzen nimmt und nicht nur Lippenbekenntnisse zur Verbesserung abgibt.

Ich möchte diese Gelegenheit vor der Sommerpause auch noch nützen, um zum ORF grundsätzlich einiges zu sagen. Ich bin ja schon auf das ORF-Gesetz gespannt, das für Herbst angekündigt ist, auch im Hinblick auf die momentane Besetzung des Stiftungs­rates. Das hat die ÖVP ja recht geschickt eingefädelt. Sie hält jetzt 16 Stiftungsräte und dann bald die alleinige Macht, was natürlich auch demokratiepolitisch nicht besonders gut ist. (Beifall bei den NEOS.)

Viel wichtiger als dieses politische Hintergrundrauschen und auch die Sucht nach Ein­fluss wäre aber, dass der ORF gerade in Zeiten von Corona die österreichische Film- und Kulturszene unterstützt. Man hat ja leider auch beim „Sommerkabarett“ gesehen, wie weit es um den ganzheitlichen Blick des ORF auf die österreichische Gesellschaft bestellt ist. Kein Witz: Über Jahre gab es ausschließlich männliche Kabarettisten, die Sendezeit bekommen haben.

Wir NEOS wünschen uns seit Jahren einen ORF, der sich seiner Sonderstellung und seiner Verantwortung auch bewusst ist und nicht als politischer Spielball verstanden wird. Wir müssen deshalb auch sicherstellen, dass der Einfluss der Politik stark reduziert wird und dass ein transparenter Umgang mit den öffentlichen Geldern durch eine neu aufgestellte Struktur gesichert ist. Außerdem wünsche ich Ihnen einen schönen Som­mer. (Beifall bei den NEOS.)

20.20

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter See­mayer. – Bitte.