16.03

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen auf der MinisterInnenbank! Corona, das war, das ist ein Stresstest für uns alle und für das gesamte politische und gesellschaftliche System. Die Institutionen wurden bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit gefordert. Egal was auch immer getan wird und gemacht wurde, immer wieder waren Nachbesserungen notwendig, und zwar egal ob beim Härtefallfonds oder auch bei der Kurzarbeit. Das darf auch nicht weiter verwundern, weil diese Krise eben eine einmalige Krise ist, eine Krise, bei der es keine Erfahrungswerte gegeben hat, eine Krise, die uns ständig aufs Neue herausgefordert hat und herausfordert.

Diese Coronakrise zeigt in ihrer Einmaligkeit gleichzeitig auch auf, dass vieles, was tatsächlich gut gemeint ist und auch regelmäßig gefordert wird, schlichtweg nicht so einfach machbar ist. Wenn man sich nämlich wirklich die Mühe antut, mit den ent­sprechenden Institutionen einmal zu reden, dann bekommt man erst ein genaueres Bild davon, was denn überhaupt in einer gewissen begrenzten Zeit leistbar und durchführbar ist. So leicht ist das nämlich nicht.

Was auch klar ist: Die Arbeitsmarktkrise ist noch lange nicht zu Ende. Tatsächlich ist vielmehr das Gegenteil zu befürchten – aber lange nicht nur wegen Corona, denn wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass vor Corona alles in Ordnung gewesen wäre. Es hat sich nämlich schon 2019 im Herbst eine Batzen-Wirtschaftskrise abgezeichnet. Die Konjunktur in Deutschland hat sich dramatisch verlangsamt, und insbesondere in der Automobilindustrie ist diese Krise extrem sichtbar geworden; eine Krise, deren Ursache unter anderem darin zu suchen ist, dass der Umbau unseres Wirtschafts­systems in Richtung einer ökologisch nachhaltigen, einer klimafreundlichen, einer klima­gerechten Wirtschaft viel zu langsam weitergegangen ist beziehungsweise überhaupt nicht stattgefunden hat und dass viel zu lange auf Technologien und Industrien gesetzt worden ist, die auf Öl, Kohle und Gas basieren. Diese Versäumnisse der letzten Jahr­zehnte rächen sich nun leider dramatisch. (Beifall bei den Grünen.)

Es trifft Tausende Beschäftigte in Industrien und in Branchen, die jetzt Angst um Jobs, Einkommen und Perspektiven haben müssen. Um die Coronakrise, die Klimakrise und die Wirtschaftskrise gemeinsam mit dieser Rekordarbeitslosigkeit zu überwinden, braucht es tatsächlich einen Kraftakt. Man muss bedenken, dass ja auch die Folgen der Finanz­krise längst nicht überwunden sind.

Ich möchte daran erinnern, dass wir im Jahr 2015 9,1 Prozent Arbeitslose gehabt haben; im Jahr 2020 wird mit 9,7 Prozent Arbeitslosen gerechnet – nur damit man einen Ver­gleich hat. Wenn man bedenkt, dass diese hohe Arbeitslosigkeit, diese hohe Langzeit­arbeitslosigkeit infolge der Wirtschaftskrise auch nicht überwunden worden ist und dieser Sockel mitgenommen worden ist, dann weiß man erst, wie extrem intensiv, mit welch extremer Kraftanstrengung und auch wie extrem finanzstark diese Rettung erfolgen muss.

Was man dieser Regierung mit Sicherheit nicht unterstellen kann, ist, dass sie sich der Herausforderung dieses Kraftakts nicht stellt und diesen Kraftakt nicht versucht, denn 700 Millionen Euro in einer Arbeitsstiftung, die in den nächsten Jahren in Aus- und Weiterbildung, in berufliche Umorientierung, in Qualifikation, in Zukunftsjobs im Bereich des Klimaschutzes, im Bereich der Pflege und sozialen Dienste, im Bereich der Digitalisierung fließen werden, und das für Hunderttausende Menschen, sind eine einmalige Investition, wie es sie bislang noch nie gegeben hat – noch in keiner Krise, auch nicht in der bis dahin schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit im Jahr 2008! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Situation von Frauen gerichtet. Gestern hat auch AMS-Chef Kopf noch einmal klargestellt, dass Frauen in Technik ein massives Programm werden wird, dass da massiv investiert werden wird und gleichzeitig auch in eine neue Form einer sozialen Absicherung, indem künftig Menschen, die diese Kurse, längerfristige Kurse, besuchen, einen Bildungsbonus in Höhe von 180 Euro – statt 60 Euro – bekommen. Auch etwas, was es bislang nicht gegeben hat! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir bauen aber auch für jene Gruppe von Arbeitslosen, die es am Arbeitsmarkt beson­ders schwer haben – Langzeitarbeitslose, ältere Arbeitslose, Menschen mit, wie es so schrecklich heißt, gesundheitlichen Beeinträchtigungen, mehreren Vermittlungshinder­nissen –, Maßnahmen aus, indem wir sozialökonomische Projekte im Bereich der Kreis­laufwirtschaft, die im Bereich der regionalen, der sozialen und der ökologischen Nach­haltigkeit unmittelbar vor Ort arbeiten, stärken.

Wir führen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, gemeinsam mit den Sozial­partnern – morgen gibt es ja auch eine Sozialpartnerkonferenz, einen Gipfel von Regie­rung mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden – auch die Kurzarbeit als Krisen­instrument, das sich bestens bewährt hat, weiter; und, was uns auch freut, das Solidaritätsprämienmodell, also die innerbetriebliche freiwillige Verteilung von Arbeit, von Arbeitszeit, soll stärker attraktiviert werden. Und dass es 500 zusätzliche Jobs im AMS gibt – die 150, die eben nicht abgebaut werden, plus die 350 (Abg. Meinl-Reisinger: Das hat die Opposition schon lange gefordert!) –, ist etwas, was gefordert worden ist (Abg. Meinl-Reisinger: Das hat die Opposition schon lange gefordert!) – ich weiß –, was beschlossen worden ist und zum Glück endlich kommt (Abg. Meinl-Reisinger: ... lange gebraucht!), und ich finde das auch höchst notwendig und höchst an der Zeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Weil gerade vonseiten der Sozialdemokratie auch immer wieder gesagt wird, Arbeits­zeitverkürzung muss ein Thema sein: Ja, 100-prozentig muss Arbeitszeitverkürzung ein Thema sein – da sind wir anderer Meinung als die ÖVP, als der Regierungspartner –, und darum sagen wir: Fangen wir dort an, wo wir die politische Mehrheit haben und wo eine Arbeitszeitverkürzung tatsächlich möglich ist! Es gibt ja angeblich in Wien zwei Regierungsparteien, die dort die absolute Mehrheit haben, die angeblich – von einer weiß ich es sicher – für Arbeitszeitverkürzung sind. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben die Möglichkeit, im Bereich der Gemeindebediensteten (Abg. Loacker: Genau im geschützten Bereich!), genau in der Gruppe, wo die KinderbetreuerInnen, wo die AltenpflegerInnen, wo die KrankenpflegerInnen arbeiten, wo die Leute arbeiten, die die Bim, die U-Bahn fahren, genau dort (Abg. Loacker: Und zahlen müssen es die, die im wirklichen Leben arbeiten!), diejenigen, die in der Zeit der Coronakrise besonders belastet waren, zu entlasten – über kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeits­bedin­gungen. (Abg. Loacker: ... die sichere Jobs haben!) Machen wir es wie in der Vergan­gen­heit, lassen wir Wien ein soziales Vorbild sein, verkürzen wir dort die Arbeitszeit, wo wir es können, machen wir es dort! (Beifall bei den Grünen.)

Insgesamt betragen die Ausgaben für die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, von der Kurzarbeit bis zur Erhöhung des Arbeitslosengelds und zur Arbeitsstiftung, mehrere Milliarden; Milliarden, die auch angesichts der Krise bestens und richtig investiert sind, Milliarden, die schon längst hätten investiert werden müssen (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), bereits im Jahr 2008, denn auch damals haben wir schon gewusst, wir haben ein strukturelles Problem in der Industrie, in der Wirtschaft, auch damals haben wir gewusst, dass wir mit grünen Investitionen aus tiefroten Zahlen herauskommen können, aus einer schwarzen Industrie, einer schwarzen, klimavergiftenden Industrie.

Es wurde damals leider zu wenig gemacht. Wären damals Klimainvestitionspakete ge­schnürt worden, wäre damals in den ökologischen Umbau unseres Wirtschaftssystems investiert worden, wir hätten uns wahrscheinlich heute einiges erspart. Diese Gelegen­heit wurde leider vertan.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen aber auch, dass die beschlossenen Pakete, wenn sich die Situation verschärfen sollte, vermutlich nicht reichen werden, aber wir werden uns für jene Menschen bemühen, die derzeit aufgrund der dramatischen Situation Arbeits- und Perspektivenlosigkeit erleben, dass wir diese Arbeits- und Perspektivenlosigkeit nachhaltig bekämpfen und den Übergang in eine sozial und ökologisch nachhaltige Wirtschaft für die betroffenen ArbeitnehmerInnen bestmöglich sozial gestalten. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Saxinger.)

Das wird alles andere als einfach, denn sowohl die Versäumnisse der Vergangenheit als auch die Coronakrise machen die Herausforderung nicht leicht, aber es gibt diese Perspektiven. Es gibt diese Perspektiven auf Jobs, auf Einkommen, auf Zukunft in den Bereichen grüner Technologien, im Klimaschutz, in Berufsfeldern der Digitalisierung, im Sozial- und Pflegebereich. Da wird es in den nächsten Jahren Zehntausende Jobs brauchen. Wir brauchen für die Dauer der Coronamaßnahmen, der Coronakrise auch – und das hat Herr Vizekanzler Kogler am Wochenende auch wieder betont – eine weitere Erhöhung des Arbeitslosengelds, damit die soziale Krise sich nicht verschärft, und dafür stehen wir auch weiterhin. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles ist Auftrag an die Politik, das ist vor allem auch Auftrag an uns Grüne, und wir werden diesem Auftrag auch weiterhin nachkommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klub­obfrau Beate Meinl-Reisinger. – Bitte.