17.44

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerinnen und Minister! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als jemand, der jetzt schon seit einigen Wochen mit vielen anderen Abgeordneten von allen hier vertretenen Couleurs bis auf die NEOS in der Obersteiermark am Standort der ATB für die Beschäftigten kämpft, möchte ich am Beginn dieser Rede doch noch etwas festhalten: Ich war sehr froh, dass meine Fraktion die Möglichkeit geschaffen hat, dass wir heute hier über dieses so wichtige Thema reden.

Damit, dass Frau Abgeordnete Kugler sich jetzt hierherstellt und dieses so wichtige The­ma für eine plumpe Wahlkampfrede verwendet, ist uns in der Obersteiermark definitiv nicht geholfen, geschätzte Kollegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) Wenn sie auch noch behauptet, die Bundesregierung hat mit Arbeitsmarktpolitik nichts zu tun (Abg. Kugler: Habe ich nicht behauptet!) – so habe ich es jedenfalls vernommen –, na, dann braucht man sich nicht mehr zu wundern. Dann wundert mich nämlich auch die Bilanz der Frau Ministerin nicht mehr.

Wir brauchen jetzt aktive Arbeitsmarktpolitik und nicht einfach nur schöne Worte, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Weil es jetzt zweimal erwähnt wurde: Sie haben da wahrscheinlich verschiedenste Leistungen zusammengerechnet, aber ein Coronatausender ist meines Wissens noch nicht beschlossen worden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es wäre höchst an der Zeit, dass ihn die wirklichen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben heute von Ihrem Vater gesprochen. Ich glaube Ihnen die Geschichte und auch, dass sie Ihre Familie so bewegt hat, weil man Ihnen das ansieht, aber genau deswegen bitte ich Sie, appelliere ich an Sie, dass Sie die Beschäftigten der ATB auch hören, denn der Großteil von ihnen ist über 50, und der Großteil von ihnen hat laut Wahlanalysen, ob wir jetzt wollen oder nicht, auch Sie gewählt. Diese Leute erwarten etwas von Ihnen!

Ich höre mit der Parteipolitik auf, schieben wir sie beiseite! Wir alle sind bereit, ge­meinsam eine Anstrengung zu vollziehen, damit wir vielleicht den Funken Hoffnung, den es noch gibt, beleben können.

Stellen Sie sich dem Gespräch mit dem Betriebsrat! Die haben nichts gegen Sie. Die brauchen Sie, um gemeinsam mit Ihnen den Standort vielleicht wieder in eine gute Zukunft zu bringen. Gehen Sie dem nicht aus dem Weg! (Beifall bei der SPÖ.) Wenn Sie das aber tun, Herr Bundeskanzler – und das bleibt dann übrig –, dann ist das für mich fehlender Respekt vor den Facharbeiterinnen und Facharbeitern in Österreich, fehlender Respekt vor ihrer Leistung, und solch ein Verhalten finde ich nicht nur unhöflich, das finde ich ehrlich gesagt überheblich.

Wenn wir gemeinsam etwas erreichen wollen – und ich glaube, Arbeitslosigkeit lädt immer zu einem überparteilichen Schulterschluss ein –, dann sind wir alle gefordert, uns zu bewegen, um etwas zu tun und nicht nur zu reden, sehr verehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Markt eben nicht alles regelt, denn diese Logik, die Sie in Ihrer DNA schon so lange mit sich tragen, hat die wirklichen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land nicht reicher, sondern ärmer gemacht! (Beifall bei der SPÖ.)

Bei der ATB in Spielberg sehen wir, was passiert: Es wird jahrelang versprochen, und zum Schluss werden dann die Leute im Regen stehen gelassen. Das wollen wir nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Die haben sich eine gute Zukunft verdient.

Frau Minister, von Ihnen als Steirerin hätten wir uns viel mehr erwartet. Ihre eigene Lan­despartei ist dort gewesen, um zu demonstrieren, aber Sie haben wir leider nie gesehen. Ich hoffe, das ändert sich noch. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Amesbauer.)

In diesem Zusammenhang bringe ich einen Entschließungsantrag ein, der ein Übel be­enden soll, das dort entstanden ist:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Po­ten­tieller Missbrauch des Insolvenzrechts für Betriebsverlagerungen ins Ausland?“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert sicherzustellen, dass das Insolvenzrecht nicht durch ein mögliches Liquidationssanierungsverfahren für kostengünstige Betriebs­ver­lage­rung missbraucht werden kann“.

*****

Ich hoffe auf und bitte um Zustimmung vor allem von den obersteirischen Abgeordneten, damit so etwas wie in Spielberg anderen erspart bleibt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christoph Matznetter, Max Lercher, Genossinnen und Genossen

Betreffend Potentieller Missbrauch des Insolvenzrechts für Betriebsverlagerungen ins Ausland?

Eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner betreffend „Rund 1 Million Menschen sind arbeitslos oder in Kurzarbeit. Österreich braucht jetzt Schutz vor der 2. Kündigungswelle. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich, Herr Bundeskanzler!“

„Das österreichische Insolvenzrecht erlaubt im Sanierungsverfahren auch ein solches, dass als „Liquidationssanierungsverfahren“ bezeichnet werden kann. Wirtschaftlich be­trachtet wird dabei das zu sanierende Unternehmen faktisch stillgelegt und die ma­schinellen Anlagen an einen anderen Produktionsstandort verbracht. Die Intention bei der Reform des Insolvenzrechts war aber, möglichst den Erhalt des Unternehmens im Sanierungsverfahren zu fördern.

Als Beispiel wird das mit 28.7.2020 über die ATB Spielberg GmbH eröffnete Sanie­rungsverfahren mit Eigenverwaltung genannt.

Bei dieser Insolvenzverfahrensart ist der Schuldner relativ frei und es wird ihm ein Sanie­rungsverwalter beigestellt, der wichtige Entscheidungen genehmigen muss. Nach herr­schender Ansicht ist ein Sanierungsverfahren darauf abgestellt ein Unternehmen nach Abschluss des Verfahrens saniert, sprich entschuldet, weiterzuführen, wobei eine Min­destquote von 30 % von Seiten der Schuldnerin zu entrichten ist. Es besteht auch die Möglichkeit Sanierungskündigungen hinsichtlich der Dienstnehmer im 1. Monat ab Verfahrenseröffnung auszusprechen und so Dienstverhältnisse masseschonend zu beenden.

Im Fall der ATB Spielberg wird sichtlich ein solches „Liquidationssanierungsverfahren“ durchgeführt, was rechtlich auch möglich ist. Die Produktionsmaschinen wurden von der Muttergesellschaft im Versteigerungsverfahren erworben und sollen nach Polen und nach Serbien verbracht werden, um dort kostengünstiger als in Spielberg (ohne dauer­hafte Verluste) weiter zu produzieren. Gleichzeitig sollen die Dienstverhältnisse von rund 85 % der Mitarbeiter beendet werden, da am Standort Spielberg die Produktion ein­gestellt wird. Die Endigungsansprüche der Mitarbeiter (immerhin rund 15 – 20 Mio. Euro) sollen vom Insolvenz-Entgelt-Fonds reguliert werden. Verbleiben soll am Standort ein eingeschränkter Geschäftsbetrieb mit ca. 40-50 MitarbeiterInnen für Forschung und Entwicklung, Kundenservice und Vertrieb.

Letztendlich wurde das im Rahmen des Verwertungsverfahrens das Angebot der ATB Muttergesellschaft vom Gläubigerausschuss (ausgenommen ISA) angenommen. Dage­gen läuft ein von Seiten der AK Stmk angestrengter Rekursantrag, dem aber vom zu­ständigen Gericht keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Damit erweist sich, dass das österreichische Insolvenzrecht es ermöglicht, dass das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung dazu benützt werden kann, um Maschinen und somit letztlich Arbeitsplätze kostengünstig (auf Kosten des österreichischen Staa­tes) in andere, billiger produzierende Konzernstandorte zu verlegen.

Unserer Meinung nach sollte daher die Insolvenzordnung dahingehend geändert wer­den, dass generell Liquidationssanierungspläne nicht erlaubt oder zumindest erschwert werden.

Dabei ist auch anzudenken, dass die Forderungen der Dienstnehmer gegenüber dem Unternehmen, nicht wie bisher schon mit der Forderungsanmeldung, sondern erst mit Zahlung durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds auf diesen übergehen. Dann könnten auch die Dienstnehmer ihre Interessen vertreten bzw. vertreten lassen und müssten nicht hilflos bei der Verbringung der maschinellen Anlagen des Unternehmens und dem Verlust ihrer Arbeitsplätze zusehen.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert sicherzustellen, dass das Insolvenzrecht nicht durch ein mögliches Liquidationssanierungsverfahren für kostengünstige Betriebsver­lagerung missbraucht werden kann“.

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