09.46

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Viele Probleme, die unser Wirt­schaftssystem schon vorher hatte, sind jetzt, in der Coronakrise, so richtig sichtbar ge­worden. Wir haben gesehen, wie verwundbar unser Wirtschaftssystem, das von globalen Lieferketten abhängt, ist.

Plötzlich ist uns bewusst geworden, dass wir, wenn irgendwo auf der Welt eine Krise ausbricht, keine Medikamente mehr bekommen, keine Schutzausrüstung, oder dass in Fabriken die Räder stillstehen, weil einfach keine Ersatzteile mehr geliefert werden kön­nen.

Wir haben gesehen, wie verwundbar unser Wirtschaftssystem ist, auch, weil es immer noch wie eine Einbahnstraße funktioniert: Es kommen Ressourcen hinein, diese werden zu Müll, es kommen noch mehr Ressourcen hinein, diese werden zu noch mehr Müll – Ressourcen, Müll. Die Frage ist: Warum kann unser Wirtschaftssystem nicht in einem Kreislauf funktionieren, in dem wir das Material im Wirtschaftssystem halten, um so resi­lienter und widerstandsfähiger gegen Krisen zu werden? (Beifall bei den Grünen.)

In unserem System verwenden wir jeden Tag immer mehr endliche Ressourcen wie Erdöl oder Edelmetalle, und wir sind in einem solchen Maße von diesen Ressourcen abhängig, dass unser gesamtes Wirtschaftssystem unglaublich verwundbar ist. Am Bei­spiel Plastik kann man gut sehen, wie schlecht es uns noch gelingt, das Material im Kreislauf zu halten: Nur 23 Prozent der Plastikverpackungen werden in Österreich – und wir sind nicht schlecht im Recycling! – tatsächlich recycelt, nur 23 Prozent, der Rest wird verbrannt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Plastik ist eine ausgesprochen wertvolle Res­source, aber wir gehen sehr verschwenderisch damit um. Plastik ist ein sehr haltbares Produkt und sollte nicht für Wegwerfprodukte verwendet werden, so wie wir es derzeit tun. (Beifall bei den Grünen.)

Man stelle sich vor (ein Wasserglas in die Höhe haltend), ich trinke zu Hause ein Glas Wasser, trinke es aus und werfe es dann in den Müll. Das würde niemand machen, oder? Genau das aber machen wir mit den Plastikflaschen (eine Plastikflasche in die Höhe haltend): Wir kaufen sie, trinken sie aus, und dann gehen sie in den Müll. Ich muss schon sagen, Herr Schmuckenschlager: Wir sollten, wir dürfen dieses Problem nicht kleinre­den. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Es gibt 1,6 Milliarden – nicht Millionen, 1,6 Milliarden! – dieser Plastikflaschen, die jedes Jahr allein in Österreich im Müll landen – das sind 45 000 Tonnen. Noch vor 30 Jahren, wenn wir uns zurückerinnern – auch ich kann mich noch daran erinnern –, gab es alle Getränkesorten – Limonaden, Milch, Bier, Wein, sämtliches Wasser – in Mehrwegfla­schen. Wir konnten sie zurückbringen, haben unser Pfand bekommen, diese Flaschen konnten 50-mal wiederbefüllt und am Schluss auch noch recycelt werden. Diese – meis­tens waren es Glasflaschen, es gab aber auch PET-Mehrwegflaschen – konnten so in einem Kreislauf gehalten werden. In den letzten zwei, drei Jahrzehnten haben wir zu­schauen können, wie diese Mehrwegflaschen immer weiter aus unseren Regalen ver­schwunden sind. Heute liegt der Mehrweganteil bei nur noch 19 Prozent.

Anstatt dieses Problem politisch anzugehen, hat sich die Politik auf freiwillige Vereinba­rungen verlassen. Na und was ist mit diesen freiwilligen Vereinbarungen passiert? – Wie so oft, haben sie nicht funktioniert.

Einige Getränkehersteller haben in den letzten ein, zwei Jahren gerade wieder umge­dacht. Die Ministerin hat es erwähnt: Wir haben jetzt wieder Mehrwegflaschen bei der Milch. Ich war selber damals mit Greenpeace dabei, als wir dieses Projekt gemeinsam mit der Molkerei umgesetzt haben. Es wird ja immer gesagt, die KonsumentInnen neh­men das nicht an, was aber ist passiert? – Die gehen weg wie die warmen Semmeln, die Mehrwegflaschen!

Das Problem ist aber, es gibt mittlerweile einige Diskonter, die überhaupt keine Pfand­rücknahmesysteme mehr haben. Das heißt, die können gar keine Mehrwegflaschen an­bieten. Deswegen brauchen wir politische Rahmenbedingungen, wir brauchen konkrete, verbindliche Ziele, auf die wir uns im Übrigen auch im Regierungsprogramm geeinigt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Genau dafür hat die Ministerin einen konkreten Plan vorgelegt, wonach der Mehrweg­anteil in den nächsten zehn Jahren von derzeit 19 Prozent auf 55 Prozent gesteigert werden soll. Es wird jetzt an uns liegen – für Mehrweg und für Kreislaufwirtschaft sind ja eh alle –, dass wir unseren Worten auch politische Taten folgen lassen.

Weil Wien angesprochen wurde, was erwartbar war: Ich weiß nicht, ob es Ihnen allen schon aufgefallen ist, aber Wien ist eine Großstadt. Wien ist eine Metropole, und da funktionieren Dinge vielleicht ein bisschen anders als in Kleinstädten oder am Land. Ich finde, gerade beim Thema Abfallvermeidung ist Wien in den letzten Jahren sehr vorbild­lich gewesen. Das könnten sich auch andere Bundesländer als Vorbild nehmen. Im Wie­ner Abfallwirtschaftsgesetz ist zum Beispiel eine Mehrwegverpflichtung für Veranstaltun­gen vorgeschrieben, das würde ich mir in allen Bundesländern wünschen. Kollegin Röss­ler hat das während ihrer Regierungszeit auch in Salzburg umgesetzt. Das sind sinnvolle Schritte, die auch die Bundesländer setzen können, aber jetzt sind wir hier im Bund am Zug. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

9.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.