13.56

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem von der ÖVP! Was heute hier herinnen passiert ist, war ein neuerlicher Tiefpunkt. Jetzt hat nämlich das Denunziantentum in dieses Parlament Einzug gehalten. Da stellt sich eine Dame (in Richtung Abg. Gabriela Schwarz), mit der willfährigen Unterstützung des Präsidenten, hin (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz), meldet sich angeblich zur Geschäftsbehandlung und hat nichts anderes zu tun, als mit dem Finger auf andere zu zeigen. (Beifall bei der FPÖ.) Frau Kollegin, das ist die Stimmung, die Sie seit Monaten in diesem Land verbreiten und das lehnen wir ab! Das, was Sie heute hier gemacht haben, ist widerwärtig und abstoßend. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Sie stellen sich hin, zeigen mit dem Finger auf andere, weil Sie glauben, nur Sie sind im Recht, nur Sie haben recht.

Während Sie aber hier herinnen gestanden sind und herumpolemisiert haben, hätten Sie sich vielleicht die Pressekonferenz von Medizinern, die eine Ahnung davon haben, was in diesem Land wirklich los ist, und die ein bisschen mehr Entspannung eingefordert haben, anschauen sollen, die parallel gelaufen ist. Sie können es in einer OTS nachle­sen – das wäre einmal eine Literatur für Sie von der ÖVP und auch für Sie Herr Bundes­minister (in Richtung Bundesminister Anschober), denn Sie, Herr Bundesminister, sind ja auch augenscheinlich einer, der keine Ahnung von dem hat, was die Ärzte tatsächlich sagen, denken, meinen und fühlen. Sie sind auch einer, der gestern noch erklärt hat, es gibt 70 000 Studien. Nicht eine einzige Studie gibt es!

Ich habe gestern Abend noch einmal nachgelesen: Es gibt keine einzige wissenschaftli­che Studie, die die Wirksamkeit dieser Masken belegt. Das, meine Damen und Herren, müssen Sie halt auch einmal zur Kenntnis nehmen! Die gibt es nicht, die kann es auch noch gar nicht geben, denn eine medizinische Studie durchzuführen dauert mehr als ein Jahr. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Das heißt, Sie müssten in der Vergangenheit schauen. Es gibt dazu welche, die sich mit OP-Masken im OP auseinandersetzen, aber da ging es nur um Bakterien, die in der Regel viel größer sind als Viren, und auch bei diesen Studien gibt es Kontrameinungen, denn die Hälfte sagt, dass die Masken im OP sinnlos sind, die andere Hälfte sagt, man kann sie beibehalten. – Nur so viel dazu.

Also sparen Sie sich die Polemik, sparen Sie sich den Fingerzeig! Hören Sie endlich auf, die Gesellschaft zu spalten! Das wollen wir in diesem Land nicht weiter! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.)

Jetzt aber zu Ihnen, Herr Finanzminister, weil Sie, Herr Finanzminister, uns ja jetzt groß­zügigerweise gesagt haben, dass es unser gutes Recht ist, heute eine Sondersitzung zu machen: Ich orte, Sie sind völlig überfordert und Sie waren auch jetzt sehr unambitio­niert. Sie haben ein paar Antworten hingeschmissen, aber in Wahrheit haben Sie nicht viel gesagt.

Sie sind meines Erachtens in Ihrer Position als Finanzminister ebenso wie in Ihrer Po­sition als Spitzenkandidat in Wien völlig überfordert. Es ist einfach so, dass Sie die in Sie gesetzte Erwartungshaltung bei Weitem nicht erfüllen können und Sie spüren das, glau­be ich. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum Sie so lustlos hier herinnen stehen und irgendwelche Zahlen heruntersprudeln, von denen Sie selbst ja nicht über­zeugt sind.

Was Sie allerdings sind: Sie sind für diese kalte Teflonpolitik der perfekte Mann, Herr Finanzminister. Sie sind für das Image gut, Sie sind für die Optik gut und Sie sind gut, wenn man zeigen will, was man tut, für Macherqualitäten nach außen hin, aber wenn man an der Fassade kratzt, dann bleibt nicht viel über. Politik – nichts, interessiert Sie überhaupt nicht. Sie interessiert nur das persönliche Fortkommen, Herr Finanzminister. Dass Sie das nicht können, haben Sie in den letzten Monaten tatsächlich bewiesen.

Da wäre einmal zum Beispiel der Wirtschaftsstandort Österreich: Den haben Sie auf­grund Ihrer Unfähigkeit an die Wand gefahren, Herr Bundesminister, und Ihr Haus hat es bis heute nicht geschafft, in Brüssel einen entsprechenden Antrag zu stellen, sodass der Fixkostenzuschuss verlängert wird. (Abg. Haubner: Schmarrn!) Nicht einmal das haben Sie zusammengebracht, aber gleichzeitig spielen Sie den großen Kraftmeier, wenn Sie in Wien im Wahlkampf stehen. Da kommen dann die Forderungen. Da gehen Sie dann rein und fordern: Deutsch, bevor man im Gemeindebau eine Wohnung be­kommt! (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Ich habe aber von Ihnen keine einzige Initiative in der EU, in Brüssel gesehen, die das Gesetz so weit ändert, dass man das auch machen kann. Sie selbst wissen ganz genau, dass es da EU-Rechte gibt. Was ist da von der ÖVP auf EU-Ebene gekommen? Sie sind doch angeblich so eine wichtige Europapartei: Na, dann werden Sie sich doch auch in diesem Fall dort durchsetzen können!

Oder aber: Sie haben der Stadt Wien vorgeworfen, dass sie immer noch nicht die Min­destsicherung – nun heißt es ja Sozialhilfe Neu – umgesetzt hat. Da gebe ich Ihnen recht, das hat die Stadt Wien immer noch nicht. Ihre ÖVP will das aber auch gar nicht. Drei Mal haben wir bereits einen Antrag gestellt, dass die Bundesregierung, nämlich der Sozialminister und der Bundeskanzler, ins Gespräch mit der Wiener Landesregierung treten soll, und die ÖVP hat das bisher drei Mal abgelehnt.

Ich gebe Ihnen aber heute noch einmal die Chance, dass Sie diesem Antrag zustimmen können, denn wenn es dem Herrn Finanzminister wirklich so wichtig ist, dass endlich auch in Wien der Sozialhilfemissbrauch abgestellt wird – das ist auch dringend notwen­dig, da bin ich ja bei ihm –, dann muss man auch etwas dafür tun; dann hätten Sie die verdammte Pflicht, da zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stopp der Zuwanderung in unser Sozialsystem“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und der Bundeskanzler, werden ersucht, mit den einzelnen Landesregierungen unverzüglich Kontakt aufzunehmen und diese auf die sofortige Um­setzung des § 10 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in allen nicht durch das VfGH-Er­kenntnis (G 164/2019) behobenen Teilen hinzuweisen sowie deren Einhaltung einzu­mahnen.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, hinsichtlich der durch den VfGH beanstande­ten degressiven Staffelung für Kinderzuschläge, des Arbeitsqualifizierungsbonus und der Sozialhilfe-Statistik eine der ständigen Spruchpraxis des VfGH entsprechende, ver­fassungskonforme Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten.“

*****

Meine Damen und Herren! Wenn es Ihnen so wichtig ist, dann stimmen Sie bitte zu, und spielen Sie hier nicht weiter den starken Mann! (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, der Kampf gegen die Massenzuwanderung in Wien ist wichtig. Da hat die SPÖ ganz, ganz viel falsch gemacht. Die Stadt ist umgewandelt – man erkennt sie nicht wieder –, sie ist in den letzten 20 Jahren eine andere geworden. Das ist mit Sicherheit das Ve­rdienst der SPÖ. Sie haben die Stadt abgewirtschaftet, ihr (in Richtung ÖVP) aber habt zugeschaut. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ihr habt überall zugeschaut, und nun kommt auch nichts anderes als Große-Sprüche-Klopfen, Herr Minister. In Wahrheit sind Sie doch viel lieber irgendwo in der Sushibar beim Herrn Ho oder bei irgendwelchen Corona­partys. Wir können es heute auch klarstellen: Waren Sie eigentlich damals bei der Coro­naparty des Herrn Ho, ja oder nein? – Die Gerüchte in Wien halten sich da ja hartnäckig. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Eine Frage, Herr Finanzminister, haben Sie uns auch noch nicht beantwortet: Welche Rolle spielen Sie eigentlich in den ÖVP-Vereinsnetzwerken? Sie waren immerhin Fi­nanzreferent in einem dieser Vereine, in dem gleichzeitig auch noch der Chef des Nach­richtendienstes Mitglied war. Dieser Verein hatte nichts anderes zu tun, als Posten­schacher für ÖVP-Abgeordnete zu machen, Personen zu pushen oder Geld für den Wahlkampf einzutreiben und zu lukrieren. Sie spielen nach wie vor diese Rolle herunter, aber das legen Sie endlich einmal klar: Man wird nicht so einfach Finanzreferent in einem Verein, wenn einem der Verein nicht so wichtig ist, Herr Finanzminister! Ich weiß aber, Sie haben ein großes Problem, Sie sind sehr, sehr vergesslich.

Wissen Sie, Herr Finanzminister, Sie sind im Untersuchungsausschuss gesessen und haben mehr als 80 Mal gesagt, Sie können sich nicht erinnern. Ich halte das aus medizi­nischer Sicht für bedenklich, Herr Finanzminister. Sie sollten sich das wirklich einmal ganz genau überlegen! Manchmal stelle ich mir nämlich schon die Frage, ob Sie eigent­lich einen Führerschein haben. Wenn Sie so viele Dinge im Leben vergessen, halte ich Sie wirklich für einen echten Gefährder, nämlich einen Gefährder aller anderen Ver­kehrsteilnehmer. Das, Herr Finanzminister, ist wirklich kein Spaß, und da würde ich Sie bitten: Nehmen Sie Ihre Vergesslichkeit ernst, suchen Sie einen entsprechenden Arzt auf und lassen Sie das abklären, woran es denn liegt, dass Sie das alles vergessen!

Wenn das aber nicht der Fall ist, Herr Finanzminister, dann muss ich leider feststellen, Sie haben wahrscheinlich alles vergessen wollen, und das ist das, was ich Ihnen vor­werfe, Herr Finanzminister: Sie vergessen alles, Sie sind unambitioniert, es ist Ihnen vollkommen egal. Sie haben großartig verkündet: Koste es, was es wolle!, und gestern im Sozialausschuss hat Abgeordneter Fürlinger von der ÖVP gesagt: Das ist alles viel zu teuer, was glauben Sie, wer das alles bezahlen soll? – Sie sind sich also noch nicht einmal innerhalb der ÖVP-Riege einig. Sollte es nun kosten, was es wolle, soll man nun die Unternehmen tatsächlich retten (Ruf bei der ÖVP: Ja!) oder ist es Ihnen eigentlich egal? Ist es Ihnen nur wichtig, dass die multinationalen Konzerne und die Spender der ÖVP gut durch diese Krise gekommen sind, Herr Bundesminister?

Diese Fragen müssen Sie beantworten und diesen Fragen sollten Sie sich stellen, denn Sie haben Verantwortung in diesem Land und Sie sind an der Schlüsselposition. Wenn Sie das Geld nicht fließen lassen, weil es bei Ihnen eben stockt oder weil Sie es einfach unfähigen Leuten übergeben oder weil Sie glauben, Sie müssen Ihre eigenen Leute zuerst bedienen: Na, dann haben wir eine Situation, wie wir sie eben gerade haben, dass wir inzwischen wirklich in einer wirtschaftlichen Sackgasse sind, dass viele Unternehmen nicht mehr wissen, wie sie im nächsten Frühjahr überhaupt noch ihre Existenz sichern sollen, Herr Finanzminister. Diese Fragen müssen Sie beantworten, denn sie sind exis­tenziell für alle Österreicher! (Beifall bei der FPÖ.)

14.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Dr. Dagmar Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Stopp der Zuwanderung in unser Sozialsystem

eingebracht in der 53. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 7. Oktober 2020 im Zuge der Debatte über die dringliche Anfrage gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR des Abgeord­neten KO Herbert Kickl und weiterer Abgeordneter an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schluss mit dem Milliardengrab für eine falsche Asyl-, Zuwanderungs- und Integrationspolitik in Österreich und Europa – Österreich braucht jeden Euro für die Opfer des schwarz-grünen Corona-Desasters!

Einzelne Bundesländer wie insbesondere das rot-grün regierte Bundesland Wien haben die Nichtumsetzung der Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (SH-GG) seit dessen Inkrafttreten damit begründet, dass man ein Erkenntnis des Verfassungsge­richtshofs zu diesem Gesetz abwarten müsse und erst dann eine Ausführungsgesetzge­bung entsprechend umsetzen werde.

Im diesbezüglichen VfGH-Erkenntnis vom Dezember 2019 wurden lediglich 3 von 13 angefochtenen Gesetzespassagen teilweise aufgehoben. Alle anderen 10 angefochte­nen Gesetzespassagen und insbesondere auch die nicht angefochtenen Gesetzespas­sagen blieben vom VfGH-Erkenntnis ausdrücklich unangetastet und damit weiterhin in Kraft.

Zum VfGH-Erkenntnis (G 164/2019) ist inhaltlich darüber hinaus folgendes anzuführen:

1.         Der VfGH widerspricht sich selbst. Noch vor einem Jahr wurde zur oberösterrei­chischen Mindestsicherung (VfGH 11.12.2018, G 156/2018 ua) eine funktions­gleiche degressive Staffelung von Sozialleistungen bei einer hohen Kinderan­zahl, die ja zusätzlich zur ohnehin bestehenden Familienbeihilfe ausbezahlt wer­den, als zulässig anerkannt.

2.         Der VfGH negiert den klaren sachlichen Zusammenhang zwischen Spracher­werb und Berufsqualifikation. Das ist eine weltfremde Botschaft aus dem Elfen­beinturm.

3.         Für die aufgehobenen Regelungen können funktionsgleiche Ersatzregelungen getroffen werden, die den Spruch des VfGH berücksichtigen.

Das SH-GG ist ein Auftrag an die Landesgesetzgebung. Demzufolge werden Oberös­terreich und Niederösterreich ihre bereits erlassenen Ausführungsgesetze in puncto „Kinderzuschläge“ und „Arbeitsqualifizierungsbonus“ anzupassen haben, wobei eine Er­satzregelung in Bezug auf die Kinderzuschläge relativ leicht umzusetzen ist. Sämtliche anderen Bundesländer sind und bleiben aber verpflichtet, alle übrigen Regelungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durch Ausführungsgesetze umzusetzen.

Zahlreiche Regelungen des SH-GG, die der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung im Gesetzwer­dungsprozess ein Anliegen waren, wurden gar nicht angefochten, darunter etwa:

•           Die Unzulässigkeit der gleichzeitigen Auszahlung von Mindestsicherung und Wohn­beihilfe, wie bisher etwa in Wien üblich (§ 2 Abs. 5 SH-GG).

•           Die Unzulässigkeit, Sperren des AlVG-Arbeitslosengeldes, die durch das Arbeits­marktservice (AMS) veranlasst werden, zu 100 Prozent durch Mindestsicherung auszugleichen, wie es in Wien oft vorkam (zur Vermeidung von Härtefällen bleibt ein Ausgleich von bis zu 50 Prozent zulässig, § 7 Abs. 3 SH-GG).

•           Die Verpflichtung des Landesgesetzgebers, ein wirksames Kontroll- und Sank­tionensystem zu schaffen und aufrechtzuerhalten (§ 9 Abs. 1 und 2 SH-GG).

Darüber hinaus sind die vor dem VfGH angefochtenen, aber verfassungskonformen Re­gelungen des SH-GG anzuführen:

•           Fremdenrecht

o          Der Ausschluss von Fremden vor Ablauf von fünf Jahren tatsächlichem und rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich (mit Ausnahme von Asylberechtigten und erwerbstätigen Unionsbürgern, wobei hier aber erstmals die Fremdenbehörde im Verfahren anzuhören ist). Subsidiär Schutzberechtigte werden österreichweit auf das Niveau der Grundversorgung beschränkt. Ausreisepflichtige bzw. bloß gedul­dete Fremde sind überhaupt von jeder Leistung auszuschließen (§ 4 SH-GG). Hier sieht etwa das Land Wien derzeit großzügigere Regelungen vor, die nun entsprechend anzupassen sein werden.

o          In Voraussicht einer möglichen späteren Aufhebung des Arbeitsqualifizierungs­bonus wurde die Pflicht zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des ÖIF sowie zur vollständigen Teilnahme, zur gehörigen Mitwirkung und zum Abschluss eines Werte- und Orientierungskurses auch in § 16c Abs. 1 IntG verankert. Eine schuldhafte Verletzung von Integrationspflichten gemäß § 6c Abs. 1 IntG ist mit Leistungskürzungen im Ausmaß von zumindest 25 Prozent über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten zu sanktionieren (§ 9 Abs. 3 SH-GG). Das be­deutet, dass etwa ein alleinlebender Asylwerber, der 900 Euro Mindestsicherung beziehen will, sich aber fahrlässig oder vorsätzlich weigert, Deutsch bis auf B1-Niveau zu lernen oder Wertekurse zu besuchen, mit einer Anzeige des ÖIF an die Sozialbehörden der Länder und sodann mit einem Abzug auf zumindest 625 Euro für mindestens drei Monate zu rechnen hat.

•           Sachleistungen

o          Der grundsätzliche Vorrang von Sachleistungen ist verfassungskonform (§ 3 Abs. 5 SH-GG), ebenso die Wohnkostenpauschalregelung (§ 5 Abs. 5 SH-GG).

o          Die zwangsweise Befristung von Bescheiden mit 12 Monaten (zur effektiven Ver­meidung mehrjähriger Fortzahlungen ohne jedweder neuerlichen Prüfung) ist verfassungskonform (§ 3 Abs. 6 SH-GG).

o          Auch der Grundsatz der verpflichtend degressiven Staffelung von Sozialhilfeleis­tungen je nach Größe der Haushaltsgemeinschaft, aber auch diesbezügliche Höchstgrenzen für Erwachsene bleiben bestehen (100 % / 70 % / 45 %). Gleiches gilt für die strenge Definition, welche Formen des wirtschaftlichen Zusammenle­bens bereits als Haushaltsgemeinschaft einzustufen sind sowie für die Haus­haltsdeckelung an Geldleistungen, die Erwachsenen-Wohngemeinschaften be­ziehen, auf dzt. ca. 1.575 Euro (§ 5 SH-GG).

Für die durch den VfGH beanstandeten und aufgehobenen Regelungen im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bestehen auf der Ebene der Bundesgesetzgebung ebenfalls rasch um­setzende Varianten einer verfassungskonformen Sanierung:

•           Die degressive Staffelung für Kinderzuschläge: Eine mögliche jedenfalls verfas­sungskonforme Variante ist bereits vorgezeichnet: Da die von den Anfechtungs­werbern behauptete Überdeterminierung des Grundsatzgesetzes letztlich in kei­nem Punkt beanstandet wurde, dürfte wohl auch die vollinhaltliche Übernahme der Haushaltsdeckelregelung des Oö. MSG nicht zu beanstanden sein. Ebenso könnte etwa ein einheitlicher prozentueller Zuschlag pro Kind vorgesehen wer­den.

•           Arbeitsqualifizierungsbonus: Eine mögliche jedenfalls verfassungskonforme Va­riante könnte darin bestehen, dass die Pflichten nach dem Arbeitslosenversiche­rungsgesetz (AlVG) und/oder dem Integrationsgesetz (IntG) weiter präzisiert und engmaschig verschärft werden, sodass im Ergebnis nur jene Asylberechtigten eine volle Leistungshöhe beanspruchen können, die in Vollzeit mit der Verbesse­rung ihrer Sprachkenntnisse bzw. weiterer Arbeitsqualifizierung beschäftigt sind. Ebenso ist es durchaus denkbar, für die Inanspruchnahme von ÖIF-Kursangebo­ten des Staates einen direkten Selbstbehalt vorzusehen.

•           § 1 Abs. 1 Sozialhilfe-Statistikgesetz: Dieses technische Detail ist durch die gefor­derte nähere Konkretisierung problemlos zu reparieren. Eine Reparatur könnte aber entbehrlich sein, da die Länder ohnehin in ihren Ausführungsgesetzen ent­sprechende Verpflichtungen zur zwischenbehördlichen Datenweitergabe vorzu­sehen haben (§ 8 SH-GG).

Die Tageszeitung „Der Standard“ hat eine interessante Studie der Princeton University an die Öffentlichkeit gebracht, die einen nachhaltigen Einblick in die innerösterreichische Migrationswanderung von den Bundesländern in die Bundeshauptstadt Wien offenlegt:

https://www.derstandard.at/story/2000114779084/wien-zieht-mit-hoeherer-sozialhilfe-fluechtlinge-an

Dazu kommentiert Redakteur Andreas Schnauder unter dem Titel „Pull-Effekt der So­zialhilfe: Falsche Anreize“:

Dass ein kleines Land derartige Unterschiede aufrechterhält, mag typisch österreichisch sein, macht es aber auch nicht besser. Die unterschiedlichen Leistungen sorgen nicht nur dafür, dass Asylberechtigte wandern. Es gibt auch – abseits der Studie – einen Pull-Effekt aus der Beschäftigung in die Mindestsicherung. Das ist der Fall, wenn Jobs schlecht bezahlt sind – man denke nur an Küchengehilfen. Für geflüchtete Familien kann es attraktiver sein, in Wien von Sozialleistungen zu leben, als in Tirol von Arbeit.

Die FPÖ hat dazu einen klaren Standpunkt, den Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch so formulierte:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200220_OTS0035/fpoe-belakowitsch-neue-studie-zeigt-wiener-mindestsicherung-zieht-asylberechtigte-an

Diese Langzeitstudie zweier unabhängiger Wissenschaftler zeigt eindeutig, dass die Reise in Sachen Mindestsicherung in die falsche Richtung gegangen ist. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass das unter Türkis-Blau 2019 beschlossene Sozialhilfe-Grund­satzgesetz in allen österreichischen Bundesländern umgesetzt werden muss. Die vom VfGH monierten Änderungen sind in einer Novelle leicht durchzuführen und insbesonde­re das rot-grün geführte Wien hätte keine Ausrede mehr, die Ausführungsgesetzgebung vorzulegen.

Dazu ist aber insbesondere die ÖVP auf Bundesebene aufgerufen, hier endlich gemein­sam mit ihrem Koalitionspartner dieses Projekt auch weiter zu verfolgen und umzuset­zen. Als FPÖ würden wir im ‚koalitionsfreien Raum‘ hier auch sachpolitisch unterstützend dazu beitragen, dass das sinnhafte und notwendige Sozialhilfe-Grundsatzgesetz endlich bundesweit inklusive Ausführungsgesetzen in Kraft treten kann. Verschweigt sich die ÖVP hier weiterhin und verabschiedet sie sich von diesem Reformschritt, dann würde das wieder einmal zeigen, dass hier nach hinlänglich bekannter ÖVP-Methode wieder nur Wasser gepredigt und Wein getrunken wird.

-           Für Sozialhilfebezieher und –bezieherinnen wurde auch ein neues Leistungs­recht etabliert, das Zuschläge für besonders schützenswerte Personengruppen (Alleinerziehende und Menschen mit Behinderung) vorsieht.

-           Auch die Abdeckung nachweislich höherer Wohnkosten (Wohnkostenpauschale) wurde zusätzlich möglich gemacht, ebenso die Gewährung von Zusatzleistungen im Härtefall für Sonderbedarfe.

Alle diese sinnvollen und notwendigen Maßnahmen wurden durch die Nichtumsetzung der Ausführungsgesetzgebung in einzelnen Bundesländern verhindert. Gerade in Kon­frontation mit den Auswirkungen der COVID-19-Krise und ihren sozialen Folgen sollte daher im Interesse jener, die unverschuldet in Not geraten sind und die ihren Beitrag ins Sozialsystem über viele Jahre geleistet haben, eine rasche Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes und Umsetzung in den Ausführungsgesetzen erfolgen.

Dass alle Fakten für eine rasche Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes spre­chen zeigen die aktuellen Zahlen der Statistik Austria für das Jahr 2019:

Mindestsicherung ist ein El Dorado für Migranten

Im Kalenderjahr 2019 gab es in Österreich in Summe 285.200 Mindestsicherungs-Be­zieher, im Jahresdurchschnitt 212.192 Mindestsicherungsbezieher.

Im Jahr 2019 waren im Durchschnitt nicht weniger als 135.698 der Mindestsicherungs-Bezieher in Wien ansässig. 77.000 Davon sind Asylberechtige und subisidiär Schutzbe­rechtigte, weitere rund 12.000 sonstige Drittstaatsangehörige und 13.000 EU- und EWR Angehörige sowie rund 3.200 Staatenlose oder Personen mit unbekannter Staatsbürger­schaft. (Quelle: Statistik Austria)

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und der Bundeskanzler, werden ersucht, mit den einzelnen Landesregierungen unverzüglich Kontakt aufzunehmen und diese auf die sofortige Umsetzung des § 10 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in allen nicht durch das VfGH-Erkenntnis (G 164/2019) behobenen Teilen hinzuweisen sowie deren Einhaltung einzu­mahnen.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, hinsichtlich der durch den VfGH beanstande­ten degressiven Staffelung für Kinderzuschläge, des Arbeitsqualifizierungsbonus und der Sozialhilfe-Statistik eine der ständigen Spruchpraxis des VfGH entsprechende, ver­fassungskonforme Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mahrer. – Bitte.