14.46

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir schalten jetzt von der Wahlkampfrede wieder ins Parlament.

Vielleicht noch eine kurze Bemerkung zu den Freiheitlichen: Nationalismus war noch nie ein gutes Rezept für die Menschheit, weder vor 150 Jahren noch vor 100 Jahren, und er ist es auch heute nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Im Ge­genteil: Er war in Wahrheit immer eine Sackgasse für die Entwicklung der Menschheit. Dort, wo der Nationalismus gesiegt hat, dort war man immer in einer Sackgasse. Das war am Ende des Tages Krieg, das war am Ende des Tages Zerstörung. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Kickl: Und dort, wo es keine Nationen gegeben hat, dort war die Sowjetunion!) Diese nationalistischen Vorschläge und Rezepte zu bringen hat noch nie jemanden weitergebracht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Sowohl Kollege Mahrer als auch Kollege Wöginger haben hier wirklich versucht, den Unterschied zwischen der ÖVP und der FPÖ herauszuarbeiten. Man muss sagen, es ist ihnen nicht gelungen, weil die Inhalte, die Sie heute vertreten und die Herr Blümel im Wahlkampf vertritt, eins zu eins die nationalistischen Rezepte der FPÖ sind. (Abg. Bela­kowitsch: Na, na, na!)

Die Grünen können sich überlegen, was für einen Koalitionspartner sie haben. Der heißt ÖVP, aber die Inhalte sind die der Freiheitlichen. Kollege Blümel tut nichts anderes, als diese Inhalte der Freiheitlichen jeden Tag zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.) Zeit als Fi­nanzminister hat er ja nicht viel, er ist ja nur noch Teilzeitminister und vor allem Wahl­kämpfer.

Heute in einer Woche soll die Budgetrede hier, in diesem Haus, stattfinden. Wir als So­zialdemokraten haben uns darauf vorbereitet und können Ihnen gleich, weil Sie ja noch wenig Zeit hatten, sich vorzubereiten, etwas mitgeben, nämlich, was diese Budgetrede beinhalten muss: Wir stehen vor der größten Wirtschaftskrise, vor der größten Arbeitslo­senkrise in der Geschichte der Zweiten Republik. Die Zahlen im September waren die höchsten, die jemals im September in der Zweiten Republik an Arbeitslosen gemessen wurden, und da reden wir noch nicht über die Hunderttausenden, die noch in Kurzarbeit sind. Das ist die Situation, vor der wir stehen. Dieses Budget muss eine Antwort auf diese Arbeitslosenkrise geben, und dafür braucht es drei Säulen.

Das Erste ist: Es braucht eine Sicherung der kleinen Einkommen. Das betrifft auch die Arbeitslosen. Es kann sich jeder – also Sie (in Richtung Bundesminister Blümel) nicht, weil Sie Ihr Konto noch nie überzogen haben –, jede Österreicherin und jeder Österrei­cher, vorstellen, dass es unmöglich ist, wenn sie beziehungsweise er von heute auf mor­gen nur noch circa das halbe Einkommen hat, aber noch immer die normale Miete, noch immer die normalen Fixkosten, die man im Leben hat, mit diesem Geld lange auszu­kommen.

Die Situation ist, dass jetzt Hunderttausende Menschen arbeitslos sind, sie haben von einem Tag auf den anderen nur noch das halbe Einkommen, und da lehnen Sie alle Vorschläge der Sozialdemokraten ab, obwohl andere Parteien dem zustimmen, dass wir das Arbeitslosengeld wenigstens auf 70 Prozent Nettoersatzrate erhöhen müssen, damit wir diese kleinen und von der Krise besonders betroffenen Menschen unterstützen kön­nen. – Erste Säule: Sicherung der kleinen Einkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die zweite Säule sind die Investitionen. Ganz wesentlich ist: Dass Firmen im Moment nicht rasend investieren, ist klar, aber der Staat muss in solchen Situationen investieren. Der größte Investor sind die Gemeinden. Ich weiß, es gibt ein Gemeindepaket. Das wird nicht funktionieren, aus zwei einfachen Gründen: Erstens ist es zu klein, es umfasst nur 1 Milliarde Euro, und zweitens müssen die Gemeinden bis zur Hälfte der Investition sel­ber finanzieren. Die Gemeinden verlieren im nächsten Jahr aber circa 2 Milliarden Euro an Einnahmen, an Steuereinnahmen. Das heißt also, sie verlieren 2 Milliarden Euro, be­kommen 1 Milliarde Euro (Zwischenruf des Abg. Wöginger) und sollen mehr investieren. Das kann sich in 100 Jahren nicht ausgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen – da rede ich jetzt gegen meine eigene Heimatstadt Wien , Wien ist stark genug, um nach wie vor zu investieren (Zwischenruf des Abg. Wöginger) und damit auch die Förderungen vom Bund abzuholen, aber die meisten Gemeinden werden nicht mehr investieren können, da ihnen die Steuereinnahmen fehlen. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Wöginger.) Das Gemeindepaket muss dreimal so groß sein, wenn es irgendeine Wirkung entfalten soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen Investitionen in den öffentlichen Verkehr. Davon habe ich noch gar nichts gehört. Wir brauchen eine Reihe von Zukunftsinvestitionen (Zwischenruf des Abg. Hörl), Breitband et cetera. Dazu sehe ich bis jetzt gar nichts. Das wird die zweite Säule sein, um Beschäftigung zu sichern, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Das Dritte ist, Betriebe zu retten, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es gibt dafür Ins­trumente aus der Vergangenheit. Die Sozialdemokratie hat das wunderbar gemacht, als wir in den Neunzigern Betriebe gerettet haben, nämlich privatwirtschaftliche Betriebe, die in Konkurs gegangen sind – die Sie dann in den Nullerjahren wieder privatisiert ha­ben , wie ATB, die jetzt wieder das Problem haben, vor dem Konkurs zu stehen und wieder zuzusperren. Wir stehen vor der Situation, dass wir Zehntausende gute Arbeits­plätze in diesem Land verlieren. Da muss der Staat auch als Investor, auch mit Eigenka­pital, einsteigen, um diese Betriebe zu retten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stehen vor der größten Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik, bis jetzt haben wir keine Antworten gehört und heute in einer Woche ist die Budgetrede. Wir haben uns genau ausgerechnet, was das bedeutet, die Zahlen sagen wir Ihnen dann bei der ersten Lesung. Ich fürchte, dass das, was Sie vorlegen werden, wieder nur diese Kosmetik sein wird. Arbeitslosigkeit bekämpfen bedeutet einerseits, Menschen Würde zu geben, indem sie Arbeit haben, zweitens bedeutet es auch, die Schulden und die Defizite von morgen zu verhindern, denn 100 000 Arbeitslose kosten das Budget jedes Jahr 2,5 bis 3 Milliar­den Euro, und wir stehen davor, dass wir 200 000 Arbeitslose mehr haben, das heißt 6 Milliarden Euro Mehrkosten fürs Budget. Deswegen ist die Bekämpfung der Arbeits­losigkeit auch die Bekämpfung der Defizite und der Schulden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordnete El-Nagashi. – Bitte.