9.28

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Danke, Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Liebe Österreicherinnen und Öster­reicher und alle, die in Österreich leben! Ja, unser Österreich ist in den vergangenen Tagen, am Montagabend, von einem schockierenden Terrorakt erschüttert worden. Es sind Gewalttaten, die wir in unserer Bundeshauptstadt Wien erlebt haben, wie wir sie bis jetzt eigentlich nur aus Nachrichten aus anderen Teilen der Welt und Europas gekannt haben. Die letzten Terroranschläge in Österreich sind ja in dieser Form schon sehr, sehr lange zurückliegend. Aber das Gefühl ist natürlich beklemmend, wenn man sich jetzt etwa in der Innenstadt bewegt und insbesondere nahe den Anschlagsorten unterwegs ist, wo erst kürzlich Menschen getötet und sehr viele verletzt wurden. Dieses Gefühl wird wohl lange bleiben.

Auch die Gedanken an die Opfer werden lange bleiben; und auch ich darf zum Ausdruck bringen, dass ich mit meinen Gedanken immer noch bei diesen Menschen bin: den Opfern, die im Übrigen unterschiedlichster Nationalität und Herkunft sind, die aus ihrem Leben gerissen wurden oder nun verletzt viele Wunden, körperlicher und auch seelischer Art, mit sich tragen.

Unser aller Mitgefühl gilt also den Angehörigen, Familien, Freunden, jenen, die um ihre Lieben trauern, und jenen, die um die Opfer bangen mussten oder immer noch müssen. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Hervorheben möchte ich aber auch die Rettungskräfte im Allgemeinen, die Polizistinnen und Polizisten, ja auch die Mitglieder der Spezialeinheiten, die Feuerwehrleute, die Ärzte und auch die Bundesheerangehörigen, die am Montagabend teils unter Einsatz ihres Lebens rasch für Sicherheit und die Versorgung der Menschen gesorgt haben. Ich möchte an dieser Stelle auch meinen großen Dank und meine große Anerkennung für diesen enormen und couragierten Einsatz zum Ausdruck bringen. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Ich und wir wollen aber auch jenen danken, die in diesen Minuten und in den drama­tischen Stunden danach Zivilcourage und Zusammenhalt bewiesen haben – dabei waren, das möchte ich nicht unerwähnt lassen, auch viele mit Migrationshintergrund, die ohne zu zögern unmittelbar vor Ort geholfen haben, Verletzte abtransportiert haben –, jenen, die diszipliniert ausgeharrt haben, und jenen, die ihre Türen für jene, die einen sicheren Platz benötigten, geöffnet haben, ob es die Konzerthäuser, die Lokale oder sogar Perso­nen, die ihre Wohnungen geöffnet haben, waren.

In diesem Geist des Zusammenhalts und dieser Solidarität können wir schwere Krisen gemeinsam bewältigen, und genau das ist es doch, was jetzt in vielerlei Hinsicht und in nächster Zeit notwendig ist.

Es wurde die internationale Dimension angesprochen, und ich möchte zum Ausdruck bringen, dass es ein ermutigendes Gefühl ist, die große Anteilnahme aus aller Welt zu erfahren, zu verspüren, die wirklich von Solidarität zeugt, ob von Staats- und Regie­rungs­chefs oder hochrangigen internationalen Persönlichkeiten. Mich hat etwa sehr berührt, als ich im Fernsehen verfolgt habe, dass in Paris der Eiffelturm rot-weiß-rot angestrahlt wurde und auch in anderen europäischen Metropolen Wahrzeichen ähnlich solidarische Lichtzeichen gesendet haben.

Aber auch in Österreich, das spüre ich, hier im Parlament und bei den Bürgerinnen und Bürgern, gibt es diese Anteilnahme. Auch das ist ermutigend, nämlich zu sehen und zu hören, wie viele Menschen in Österreich ihrerseits an den Zusammenhalt appellieren – weil wir uns nicht spalten lassen dürfen. Wir wollen und werden das auch nicht zulassen. Insbesondere lassen wir uns nicht von Gewalt und Gewalt verherrlichender Ideologie von unserem Weg des Friedens, der Freiheit und der Demokratie mit allem, was dazu­gehört, den Grundrechten und den Grundwerten abbringen. Diese unsere Werte und Haltungen sind eben ein starkes Fundament, und in diesem Zusammenhang bin ich mir sicher, dass es ein unerschütterliches Fundament ist. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Jetzt aber zum Ereignis selbst: Es gibt gar nichts, was einen derartigen Anschlag recht­fertigen kann – gar nichts! –, und auch nichts, was ihn relativieren kann. Daher werden wir als Bundesregierung konsequent, entschlossen und auch besonnen auf diesen Anschlag reagieren; konsequent in der Aufarbeitung dessen, was passiert ist und wie es dazu kommen konnte – erstens, weil es gar nicht anders sein soll, als dass so etwas aufgearbeitet und aufgeklärt wird, aber auch zweitens, um daraus zu lernen, wenn Fehler passiert sind, zu lernen, ohne voreilige Schuldzuweisungen.

Deshalb werden die Justizministerin und der Innenminister eine unabhängige Unter­suchungskommission zur Evaluierung der Vorkommnisse und der behördlichen Maß­nahmen vor dem Anschlag einrichten, eines Zeitraums, der nicht nur ein paar Tage umfasst, sondern den gesamten Zeitraum, der hier relevant ist. Und auch daraus werden und sollen die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.

Unabhängig davon, aber auch jetzt schon entschlossen in der Bekämpfung von Ter­rorismus und der Verhinderung von Gewalt. Dazu wird es Maßnahmen brauchen, aber es wird auch Ressourcen brauchen, die wir bereitstellen, nämlich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den zuständigen Behörden – ich möchte da insbesondere auch das BVT und die LVTs erwähnen, also die Ämter für Verfassungsschutz und Terrorismus­bekämpfung –, um sie bei dieser Arbeit zu unterstützten. Das ist das eine.

Gleichzeitig brauchen wir – das muss im Zentrum dieser Reformen stehen – einen Neu­start und eine Neuausrichtung dieser Einrichtungen, insbesondere des BVT. Ja, ich sage es ganz offen, ich bin eh nicht der Einzige: Es werden dort auch Missstände zu beseiti­gen sein.

Wir brauchen – und wir streben das an – einen gut funktionierenden, einen rechts­staat­lichen, der Terrorismusabwehr dienenden Verfassungsschutz, also eine Terrorismus­ab­wehr, die für Überwachung, für schnelles Eingreifen, aber auch für klare und umge­hende Informationsweitergabe an die Staatsanwaltschaft und die Justiz sorgt.

Noch einmal: Ich bin all jenen dankbar – und die zeichnen sich, glaube ich, durch Größe aus –, die jetzt keine voreiligen Schuldzuweisungen vornehmen, ja, aber natürlich wird, wie es sich abzeichnet, einiges aufzuklären sein, und wir werden dort auch Fehler und möglicherweise jene, die Fehler zu verantworten haben, identifizieren. Es wird so sein müssen, das geht in dieser Situation gar nicht anders.

Da ist schon wieder der Erste, der mit dem Finger zeigt. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.) Es wundert mich nicht, dass das von der blauen Fraktion kommt. Es wundert mich nicht! Sie sitzen dort genau richtig! Behelligen Sie uns jetzt nicht mit Ihren Zwischenrufen, dazu ist die Lage zu ernst! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wir brauchen also Besonnenheit, weil wir jetzt keine voreiligen falschen Schlüsse daraus ziehen wollen – manche würden sagen, der Versuchung widerstehen –, wobei wir es dann womöglich selbst sind, die in diesem Verfahren dann demokratische Grundrechte hinterfragen. Das wollen wir nicht. In Wahrheit ist es ja so, dass das die Terroristen wollen, und in diese Falle sollten wir nicht tappen, weil die Terroristen genau jenes Ziel verfolgen, zu spalten, Unsicherheit zu erzeugen und die Gesellschaft auseinander­zu­dividieren. Denen ist ja das alles widerwärtig, diese unsere freie Lebensweise, die aber in Wahrheit auf unseren Grundrechten und Grundwerten beruht, und die können und dürfen keinesfalls in Frage gestellt werden. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.)

Es ist ohnedies die Aufgabe der Ermittlungsbehörden und der unabhängigen Justiz, diese Tat umfassend und restlos aufzuklären, alle Verbindungen und Hintergründe offenzulegen, mögliche Mittäter, jedenfalls Komplizen und Hintermänner zu identifizieren und zur Verantwortung zu ziehen.

Wir werden gemeinsam unsere Grund- und Freiheitsrechte verteidigen – und das wird gelingen, denn Österreich ist eine Demokratie, eben mit festen, wenn Sie so wollen fast unerschütterlichen Fundamenten. Unsere Werte können und werden durch diesen Angriff nicht außer Kraft gesetzt, sie können nicht erschüttert werden.

Wir werden jetzt in dieser Situation mehr denn je auf diesen gemeinsamen Grund­konsens einer liberalen – einer liberalen! – Demokratie bauen; soweit es uns gelingt: mit mehr Zusammenhalt, mit mehr Achtung. Ich hoffe, das schaffen viele eben unter Wah­rung dieser demokratischen Grundwerte. Es wird jedenfalls entschlossenes Handeln gegen jene brauchen, die genau das mit Gewalt zerstören wollen. Ich denke, das ist die stärkste Absage an jene terroristischen Mörderbanden, an diese extremistischen, totalitären und Gewalt verherrlichenden Ideologien. Das ist die beste Reaktion und die stärkste Absage. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS.)

Ja – und es stimmt natürlich –, wir sind als Gesellschaft und als Gemeinschaft momen­tan in höchstem Maße gefordert; es ist eine außergewöhnliche Zeit. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, welche Ereignisse uns alle hier in Österreich ereilen werden. Dieser Anschlag trifft uns in einer Zeit, die ohnehin schon für viele, wenn nicht für alle Bür­gerinnen und Bürger sehr belastend ist. In Österreich – gerade jetzt wieder –, in Europa und in der ganzen Welt kämpfen wir gegen eine Pandemie, wie wir sie in unserer Lebenszeit jedenfalls noch nicht erlebt haben, es ist eigentlich eine Pandemie wie seit hundert Jahren nicht mehr – und jetzt hinterlässt auch noch der Terrorismus Spuren in unserem Land.

Ja, das ist belastend, das ist auch herausfordernd. Das gilt vor allem für uns Ent­schei­dungsträgerinnen und Entscheidungsträger, aber es ist für alle belastend und heraus­fordernd, aber wir müssen mit diesen Ängsten, die jetzt auftauchen und zusätzlich ge­schürt werden, mit diesen Verunsicherungen und neuen Unsicherheiten, die dazu­kommen, einen – wie man so schön sagt – Umgang finden. Das wollen und das werden wir, und das geht aber nur, wenn wir auch wieder Perspektive, wenn wir Hoffnung geben, wenn wir mindestens aber in der Lage sind, Orientierung zu geben. Deshalb appelliere ich auch für ein gewisses Niveau der Debatte, das wir hier, aber auch außerhalb des Parlaments wahren sollten.

Wir sollten mit solch einer Haltung in die Zukunft gehen und die nächsten Schritte machen – und ja und noch einmal und abschließend –, indem wir einerseits zusam­menhalten und andererseits entschlossen handeln. Das kann und das soll dazu führen – und ich bin da ziemlich zuversichtlich –, dass wir in einigen Monaten, vielleicht in einem halben Jahr auf diese Zeit jetzt, auf diese Tage, auf diese schwierigen Monate, die zum Teil auch noch vor uns liegen, auf diese nicht nur schwierigen, sondern auch traurigen Wochen und Monate zurückschauen und dann sehen können, dass wir gemeinsam diesen Schock ob des Terrors, aber auch die pandemiebedingten sozialen und wirt­schaftlichen Herausforderungen ganz gut bis sehr gut bewältigt haben. Das sollte unser Ziel sein – und gemeinsam können wir das schaffen! (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS.)

9.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann August Wöginger. – Bitte.