9.42

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß jetzt nicht, wie es Ihnen geht. Mir geht es im Moment so: Ich habe das Gefühl, ich bin in einer Endlosschleife gefangen. Ich habe alles, was uns der Herr Kollege von der FPÖ gerade erzählt hat, inklusive des Stundenplanes seines Sohnes im Distancelearning und der Taferln, schon gestern Abend gehört und gesehen, bilde ich mir ein. Bin ich da die Einzige?

Ich kann nur wiederholen, was ich gestern Abend auch schon gesagt habe: Die Schulen sind derzeit, Freitag, 10 Uhr, offen: Kinder sitzen in der Schule, werden dort betreut, lernen dort. Die Schule wird heute am Nachmittag zugesperrt, weil es ins Wochenende geht, und sie wird selbstverständlich am nächsten Montag wieder aufsperren. Wir kön­nen aber natürlich diese Diskussion nächste Woche noch einmal führen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin deshalb froh, dass wir jetzt über ein anderes Thema sprechen, bei dem wir zu­mindest von ein bisschen grundlegender Einigkeit ausgehen können, denn darüber, dass Ethikunterricht eine gute Sache ist, sind sich, glaube ich, die meisten hier im Raum einig. Deswegen verstehe ich es auch nicht ganz, wenn ich jetzt gerade vonseiten der SPÖ gehört habe, dass man es als Bestrafung empfindet, wenn jemand in den Ethikun­terricht geht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ethikunterricht für alle – völlig richtig, das wollen wir auch, aber dabei gibt es zwei Wege: Man kann entweder noch jahrelang abwarten, bis wir tatsächlich auf einen Schlag Ethik­unterricht für alle einführen, oder – zweiter Weg – wir fangen einfach einmal mit Ethikun­terricht für einige an, auf dem Weg zu Ethikunterricht für alle. Wir fangen in der neunten Schulstufe an, und es werden weitere Schritte folgen, ziemlich sicher das Poly als einer der ersten Schritte und dann wahrscheinlich auch die Sekundarstufe I. Wir müssen die Pädagogen und Pädagoginnen auf diesem Weg ausbilden. Wenn es einen guten Un­terricht in Ethik gibt, dann wird das auch dem Religionsunterricht guttun, davon bin ich fest überzeugt.

Der zweite Hauptvorwurf, der hier gekommen ist: Ethikunterricht nur für jene, die nicht in den Religionsunterricht gehen. Es ist völlig richtig, was Kollegin Yılmaz gesagt hat: dass wir einen verbindenden Raum in der Schule brauchen – zwischen Kindern verschiede­ner Bekenntnisse, zwischen Kindern, die aus gläubigen Familien kommen, und jenen, die aus nicht gläubigen Familien kommen, und zwischen jenen, die aus verschiedenen Milieus kommen. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Völlig richtig – aber genau diese Tür ist mit diesem Gesetz, das wir hier eingebracht haben, offen. Ich möchte Sie auf eine Tür, die dabei offen steht, hinweisen: Religions- und Ethikunterricht sollen grundsätzlich gleichzeitig stattfinden. Was ermöglicht das? Man muss sich wirklich einmal durchdenken, was man da machen kann. Das ermöglicht die Zusammenarbeit der Lehrkräfte der verschiedenen Religionsbekenntnisse und der Ethiklehrkräfte, das ermöglicht übergreifende Projekte, gemeinsame Projekte, gemein­same Ausflüge, gemeinsame Diskussionen.

All das werden wir ganz sicher auch im Licht der aktuellen Debatten fördern und mit aller Kraft dazu ermuntern. Ich sehe das als einen sehr guten, pragmatischen Weg, tatsäch­lich einen verbindenden Ethik- und Religionenunterricht für alle langfristig umzusetzen, und ich freue mich, wenn möglichst viele diese offene Tür nützen. – Danke schön. (Bei­fall bei den Grünen.)

9.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Künsberg Sarre.