9.23

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Auch mir sei eine kurze Replik auf die sehr aufgeregte Rede von August Wöginger gestattet: Ich stehe hier als Volksvertreterin. Wir sind Volksvertreterinnen und Volksvertreter, vereidigt auf die Verfassung, und wir haben den Bürgerinnen und Bürgern zu dienen. Wenn Sie dieses Haus als „Theater“ bezeichnen, dann ist das ein Angriff auf die Demokratie! Schä­men Sie sich! (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es wird auch heute von uns keine Zustimmung geben – aber nicht, weil im Frühling schon einmal die Abstimmung wiederholt werden musste, weil die sechs Nullen gefehlt haben, und nicht, weil heute wiederholt werden muss, was vorige Woche vergessen wurde – nämlich eine Unterschrift auf dem Antrag –, sondern weil dieses Budget nicht in die Zukunft gerichtet ist. Es ist doch nur logisch, dass man jetzt azyklisch investieren muss, es ist doch nur logisch, dass man den So­zialbereich aufwerten muss, es ist doch nur logisch, dass man die Arbeitsmarktpolitik anders anlegen muss, als Sie es tun!

Wenn heute behauptet wurde, dass „noch nie so viel Geld“ für den Arbeitsmarkt aus­gegeben wurde, dann kann ich Sie ganz, ganz einfach korrigieren: Für den einzelnen arbeitslosen Menschen standen 2017 und 2018 mehr Mittel zur Verfügung als heute, und dafür – das betrifft über 400 000 Arbeit suchende Menschen – und für diese Aus­sage sollten Sie sich schämen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hanger: Sie verstehen ... nicht!) – Sie verstehen nichts! (Ruf bei der ÖVP: Das schafft Arbeitsplätze, das verste­hen ...!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen keine verlorene Generation Corona. Unsere Kinder und Jugendlichen werden von Ihnen dermaßen im Regen stehen gelassen, dass das ja wirklich zum Himmel schreit! Sie haben die Schulen zugesperrt und sagen: Es gibt zwar einen Rechtsanspruch, aber nur, wenn die Kinder positiv getestet wurden. – Sie haben keine Ahnung, wie das ist, wenn ein Kind vor dem Schulwechsel steht, in der vierten Volksschulklasse, in der vierten Klasse Mittelstufe: Die kennen sich jetzt nicht aus, welche Schule sie wählen sollen. Man kann nicht schnuppern gehen, das verstehe ich schon, aber es gibt für die Kinder keine Möglichkeiten, sich irgendwie zu orientieren.

Sie haben auch kein Lehrlingspaket auf den Tisch gelegt, das jungen Menschen eine Perspektive bieten würde. Sie haben überhaupt nichts zur Pflege getan – es ist einfach nur in Arbeitskreisen diskutiert worden, und von einer Pflegereform, über die wir sagen, dass es dafür mindestens 1 Milliarde Euro braucht, findet sich nichts in diesem Budget. Das ist weder coronakonform noch in die Zukunft gerichtet, und dafür sollten Sie sich wirklich schämen! (Beifall bei der SPÖ.)

Mehr als 300 Millionen Euro für einen Waldfonds, sei’s drum  aber im Ausgleich 300 Millionen für Arbeitslose? – Das geht sich irgendwo nicht aus. 30 Millionen Euro hät­te es gekostet, den Menschen, die 45 Jahre eingezahlt haben, abschlagsfrei ihre Pen­sion zu gönnen – 30 Millionen für Eigenwerbung? – Das geht sich irgendwie nicht aus. 180 Millionen für einen gemeinsamen Medienauftritt – über 100 Pressekonferenzen ha­ben uns jetzt schon gezeigt, wie sinnlos manche davon waren, denn die Leute, die zu­schauen, kennen sich nicht mehr aus! Da liegen Verordnungen auf dem Tisch, die dann nicht mehr gelten, da werden Verordnungen präzisiert, gemäß denen ein Enkelkind die Großeltern mehrmals in der Woche sehen musste, damit es sie weiterhin besuchen darf – all diese Dinge verstehen die Leute nicht mehr.

Ich sage Ihnen eines: Sie haben ja noch unglaublich viele Anträge in die Budgetdoku­mente der vorigen Woche – ich traue es mich fast nicht zu sagen – hineingeschummelt, aber ein Schmankerl möchte ich heute ansprechen. Während der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen wollen Sie unter Verzicht auf die erste Lesung das Sicherheitspolizeigesetz ändern und laden Täter – Gewalttäter – auf 6 Stunden Gratisbetreuung, also Antigewalt­training, ein.

Erstens kann man nicht verurteilte Menschen nicht verpflichten, an Antigewalttrainings teilzunehmen. Zweitens hat die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie für ein Opfer 5 Stunden pro Jahr zur Verfügung – und Sie laden die Täter gratis auf 6 Stunden ein. Auch das ist keine Verhältnismäßigkeit, glauben Sie mir das! Das ist ver­werflich! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Übrigen – es gäbe noch viel zu sagen – bin ich der Meinung, wir brauchen Vermögen­steuern, damit sich die Menschen diese Krise nicht selbst bezahlen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.28

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Angerer zu Wort gemeldet. – Bitte.