10.16

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Ich stehe noch immer unter dem Eindruck der gestrigen Licht-ins-Dunkel-Gala, bei der ich mit vielen Zuseherinnen und Zusehern, mit Menschen, die nicht wahnsinnig viel Geld haben, die aber etwas gespendet haben, telefonieren durfte und mit ihnen auch gesprochen habe, wobei sie mir auch sehr viel über Zusammenhalt in der Gesellschaft gesagt haben.

Ich stehe allerdings auch noch unter dem Eindruck der letzten Sitzung des FID-Aus­schusses – und jetzt sind wir bei der Opposition –, bei der drei Oppositionsparteien sehr sinnvolle Anträge gestellt haben, weil sie nämlich gesagt haben, wir brauchen zum Bei­spiel Covid-Begleitforschung, wir müssen wissen, was gerade in der Gesellschaft pas­siert, bei dem beantragt wurde, dass die Daten endlich zusammengeführt werden, weil zu befürchten ist, dass das nicht die letzte Pandemie ist, sondern dass die nächste kom­men wird. Da sind sinnvolle Anträge gestellt worden, und was ist passiert? – Sie sind einfach niedergestimmt worden, es ist einfach Njet gesagt worden.

Dann habe ich am Abend Bundesminister Anschober im Radio gehört, und er hat gesagt, wir werden erst in ein paar Jahren wissen, was da los war. – Nein, man könnte jetzt erforschen, was gerade los ist. Man muss es sogar tun, weil nämlich unsere Gesellschaft in einer sehr großen Veränderung steckt. Das spüren Sie doch hoffentlich alle, wenn Sie mit den Leuten reden. Gestern Abend ist es mir wieder so klar geworden.

Natürlich macht diese Arbeitslosigkeit, die noch ansteigen wird, etwas mit uns. Es ma­chen die vielen Pleiten, die leider auf uns zukommen, etwas mit uns. Wir wissen auch – auch darüber haben wir doch hier schon geredet –, dass die technischen Veränderungen auch erst verstanden werden müssen und auch zu gesellschaftlichen Veränderungen führen.

Da gibt es gescheite Menschen, die darüber forschen, die sich damit beschäftigen, die uns das auch erklären und die es der Gesellschaft erklären. Über diesen Strukturwandel müssen wir reden, das ist so wesentlich. Was wir nicht brauchen, ist die Show – das ist schon mehrfach gesagt worden –, weil sie zum Teil sogar gefährlich ist.

Über die Massentests kann man ja diskutieren, aber worüber man nicht diskutieren kann, meine Damen und Herren, ist, dass mich Ärztinnen und Ärzte anrufen, etwa aus Salz­burg, und sagen: Bei uns im Klinikum wird überhaupt nicht getestet. – Es gibt Pflege­personal, es gibt Ärztinnen und Ärzte, die nicht getestet werden, und gleichzeitig wird draußen eine Show veranstaltet. Darüber können wir nicht diskutieren.

Worüber wir auch nicht diskutieren können, weil das so gefährlich ist, ist, dass die alle – auch Lehrerinnen und Lehrer – Angst haben, es öffentlich zu sagen. Das ist ja auch eine Veränderung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat. Das hat sehr viel mit einem Menschenbild zu tun, und das Menschenbild, das ich beobachte und das Sie verbreiten, zeugt nicht von Aufklärung, zeugt nicht von Information, sondern von Angstmachen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.) Sie sorgen nicht für Information, sondern Sie sorgen für Indoktrination. Sie sorgen nicht für einen positiven Zugang zu den Themen, sondern Sie sorgen für Propaganda.

Da sind wir jetzt bei diesen 210 Millionen Euro. Herr Bundesminister, Sie haben hier die einmalige Chance, aufzustehen und zu sagen: Ui! Da ist uns etwas passiert; das ist natürlich völliger Wahnsinn; natürlich werden wir nicht 210 Millionen Euro ausgeben, wir werden das auch nicht in irgendeinen Rahmenplan schreiben, sondern wir werden einen Gutteil des Geldes etwa für die Schulen, für Laptops für Schülerinnen und Schüler, die sich das nicht leisten können, verwenden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Auch das ist etwas, was ich im Moment erlebe. Es führt zum nächsten Punkt, und damit komme ich wieder auf Ihre Angstmache zurück: Es gibt Lehrerinnen und Lehrer, die mir erzählen, wie schwierig es momentan dadurch ist, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die sie in den letzten Wochen gar nicht erreichen. – So, da haben wir ein Problem, und ich sage: Na gut, dann stellen wir uns hin und erklären das der Öffentlichkeit!, und höre: Nein, ich traue mich nicht, denn was wird mir dann passieren?

Das ist der Zustand in unserer Republik: dass sich auch Beamtinnen, Beamte, abgesi­cherte Menschen nicht mehr trauen, denn was passiert? – Sie haben es ja erlebt. Der Herr Landtmann-Chef hat erlebt, was passiert, wenn er nur leise Kritik übt: Er wird sofort niedergemacht. Der junge Bursch in Ischgl: Was ist passiert? – Er hat sich hingestellt, ein lustiges Lied gesungen, und seine Mutter ist bedroht worden. Dort stehen wir. Ich selber habe erlebt, dass mir jemand sagt: Du bist mein Freund oder mein Feind, und wenn du mein Feind bist, hast du die Folgen zu tragen.

Das ist die Republik, die Sie gerade umbauen. Sie sind dabei, etwas in dem Land zu verändern, da können Sie davonrennen oder nicht – am besten, Sie rennen davon und hören damit auf, die Republik in einen autoritären Staat umzubauen, denn das ist das, was passiert.

Die nächste Propaganda, die Sie betreiben, richtet sich gegen die EU. Jetzt ist auf einmal die EU schuld, wenn unsere Skigebiete nicht so arbeiten dürfen, wie sie wollen. Das ist ja schon wieder gefährlich, und da rennt er (in Richtung des den Saal verlassenden Bun­desministers Blümel) davon. Das muss man sich anschauen! Bitte, meine Damen und Herren, schauen Sie sich das an! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Derselbe Herr Blümel, der Propagandamillionen einsammelt, um Anzeigen darüber zu schalten, dass die EU an seinem Unvermögen schuld ist, rennt davon, wenn man es ihm sagt. So feig sind Sie. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.) Auf der einen Seite den Menschen Angst machen und dann, wenn man es anspricht, davonrennen – das ist wirklich etwas ganz Beson­deres.

Apropos EU: Was macht man? – Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, Italien sei ein ka­puttes Land. So, und was wollen wir jetzt? – Jetzt wollen wir, dass die kaputten Italiener bei uns die kaputten Ski anschnallen und auf die wunderbaren Berge hinauffahren. Das wird nicht funktionieren, und ich bin wieder dort, wo ich meine Rede begonnen habe: Ich bin wieder beim Zusammenhalt. Der Zusammenhalt gilt für unsere Gesellschaft, aber er muss natürlich auch für Europa gelten.

Ich habe mir ja vorgenommen, Ihnen keine Bücher mehr zu zeigen, weil Sie so gemein zu den Buchhändlern sind. Was aber können die Buchhändler dafür? Das ist wirklich eine ganz dringende Leseempfehlung – vorerst nur auf Englisch, aber Sie können alle Englisch –, ein wunderbares Buch (genanntes Buch in die Höhe haltend): „Twilight of Democracy. The Failure of Politics and the Parting of Friends”; es ist von Anne Apple­baum. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie war lange mit einem polnischen Politiker verhei­ratet. Das Buch ist deswegen so wichtig, weil darin auch the parting of friends – wie Freunde auseinandergehen – beschrieben ist. Das ist das, was die polnische Regierung geschafft hat: die Spaltung der Gesellschaft. Das ist das, was die ungarische Regierung mit Orbán geschafft hat: die Spaltung der Gesellschaft. Das wollen sie jetzt in die EU hereinbringen und akzeptieren auch den Rechtsstaat nicht mehr.

Damit sind wir beim nächsten gefährlichen Punkt. Auch da erwarte ich, dass diese Re­gierung in Brüssel klar auftritt und sagt: Regierungen, die den Rechtsstaat nicht akzeptieren, die Richterinnen und Richter bedrohen, so wie wir das in Polen erleben, können in der EU leider nicht mehr mitmachen.

Eine Gruppe habe ich noch vergessen. Da ich diesen wunderbaren Button hier habe (auf den Revers seines Sakkos zeigend), natürlich: Keine Gewalt gegen Frauen! Die „Zeit im Bild“ hat sogar darüber berichtet, dass Frauenorganisationen, die irgendwo sagen, mit dem Frauenministerium läuft es nicht so perfekt, einen Anruf aus dem Kanzleramt erhal­ten: Halts die Goschn, weil sonst kriegts überhaupt nichts mehr! – Das ist das System in unserem Land. Bitte hören Sie damit auf! Die Leute werden es verstehen. So viel Geld gibt es gar nicht, dass Sie diese Politik mit Ihren Inseraten verkaufen können. Da werden Ihnen die 210 Millionen Euro auch nicht nützen.

Ich möchte aber weihnachtlich schließen. Meine Tochter freut sich schon auf Weihnach­ten und liest deswegen gerne auch das Lukasevangelium, das Sie alle kennen. Der für mich eigentlich schönste Satz oder schönste Ausruf im ganzen Evangelium heißt: Fürch­tet euch nicht! – Das ist doch das, was wir den Menschen sagen müssen: Fürchtet euch nicht! – Vor denen fürchtet ihr euch? Schaut sie euch an! Sie brauchen Millionen, damit sie ihre Propaganda verkaufen – so schwach sind sie. Nein, fürchtet euch nicht, wir sind stark! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rauch.)

Wir sind ein starkes Österreich, wir werden auch gegen Leute, die uns Angst machen wollen, zusammenhalten. Nein, wir haben keine Angst. Fürchtet euch nicht! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

10.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kollross. – Bitte.