10.57

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Arbeitsminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Über 532 000 Menschen sind aktuell arbeitslos, das haben wir bereits gehört. Besonders dramatisch ist dabei der Anstieg der Langzeitarbeitslosig­keit, die aus unserer Sicht wohl eine der größten Herausforderungen in den nächsten Monaten und Jahren sein wird.

Wir haben jetzt mit 700 Millionen Euro ein Joboffensivpaket geschnürt, das insbeson­dere auf Qualifizierung, auf Weiterbildung, auf berufliche Umorientierung und auch auf Arbeitsstiftungen setzt; es soll in die Pflege, in digitale Berufe und in Green Jobs inves­tiert werden, was auch tatsächlich zukunftsweisend ist. In Kombination mit den Investi­tionstätigkeiten, die wir im Bereich des Klimaschutzes, im Bereich der Pflegereform vor­haben (Abg. Wurm: ... Lösung!), ist das auch sehr sinnvoll, weil daraus entsprechende Beschäftigungseffekte entstehen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Allerdings ist zu befürchten, dass das alleine nicht ausreichen wird, um insbesondere die Gruppe von Menschen, die von Langzeitbeschäftigungslosigkeit betroffen sind, ent­sprechend zu unterstützen und die Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren. (Abg. Wurm: Wie?) Die aktuellen Zahlen dahin gehend sind schon sehr beeindruckend, denn wir ha­ben aktuell 170 000 Langzeitbeschäftigungslose. Es wird vermutlich nicht ohne entspre­chende Beschäftigungsprogramme – Beschäftigungsprogramme in der Privatwirtschaft, in kommunalen Diensten, aber auch in gemeinnützigen Unternehmen – gehen, das sage ich hier ganz klar – auch aus einer grünen Position heraus –, am besten kombiniert mit Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten.

Wir wissen zwar, dass derartige Programme nicht unumstritten sind, aber es gibt sie tatsächlich schon. Wir haben beispielsweise dieses Programm für 1 000 administrative Kräfte im Bereich der Pflichtschulen. Wir haben die Vermittlung von Menschen in Arbeits­losigkeit in das Contacttracing. Wir sind der Meinung, diese Programme gehören ausge­weitet, diese Programme gehören gefördert, für diese Programme braucht es auch mehr Geld.

Es war daher für mich sehr erfreulich, dass ich heute im „Standard“ wie schon auch in einem „Kurier“-Interview mit Ihnen vom September gelesen habe, dass Sie für derartige Beschäftigungsprogramme durchaus offen und zu haben sind. Das ist sehr ermutigend. Ich würde sagen: Gehen wir es möglichst bald an!

Was man allerdings auch ganz klar sagen muss: Der hohe Stand an Arbeitslosen ist längst nicht nur der Coronakrise geschuldet, sondern er ist schon auch die Folge der Finanzkrise von 2008 und den Folgejahren. Es wurde einfach nach der Wirtschaftskrise, der Finanzkrise 2008 nie wieder der Stand der Arbeitslosigkeit von vor der Krise er­reicht. Ich erinnere daran, dass sich die Anzahl der Langzeitarbeitslosen bis 2016 auf 160 000 Betroffene erhöht hat, also beinahe auf das gleiche Niveau wie heute gestiegen ist, und auch in den folgenden Boomjahren – wir erinnern uns: 2019 war noch ein Wachs­tumsjahr – nicht wirklich deutlich gesunken ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vor­sitz.)

Dieser Arbeitslosensockel ist nicht zuletzt auch deswegen in der Finanz- und Wirt­schaftskrise von 2008 und den Folgejahren gestiegen, weil leider viel zu früh mit Spar­maßnahmen und der Budgetkonsolidierung begonnen worden ist. Wir erinnern uns an den Beschluss hier von SPÖ und ÖVP zum Fiskalpakt, der letztlich in ganz Europa gleichzeitig diese Konsolidierungsmaßnahmen vorangetrieben hat. Das hat zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit, zu verlorenen Jahren und zu diesem hohen Ar­beitslosensockel, den es seit damals gibt, geführt.

Das heißt einfach, was wir aus dieser Zeit lernen müssen, ist: Ja nicht zu früh zum Bud­getkonsolidieren anfangen! Ja nicht zu früh zum Sparen anfangen, sondern eben aus der Krise hinausinvestieren, wie es auch Vizekanzler Kogler immer wieder betont! Ich hoffe, diese Lehren werden nicht nur in Österreich gezogen, sondern auch im ganzen europäischen Raum.

Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben in Ihrer Antrittsrede auch gemeint, dass Sie sich sehr darauf freuen, mit den Sozialpartnern und den anderen Stakeholdern in der Arbeits­marktpolitik zusammenzuarbeiten. Diese Ankündigung begrüßen wir außerordentlich.

Wir halten eine Kooperation mit den Sozialpartnern, den Gewerkschaften, den Arbeiter­kammern, den Arbeitgeberverbänden, für ausgesprochen wichtig und zielführend. Die Lösungskompetenz der Sozialpartner hat sich nicht zuletzt auch in dieser Krise beson­ders gezeigt. Ich denke sowohl an die Coronakurzarbeit als auch an dieses Testungs­paket jetzt, an den Generalkollektivvertrag zu den Testungen. Wir können Sie in dieser Zusammenarbeit nur bestärken, weil wir die Lösungskompetenz der Sozialpartner nicht nur bei der Überwindung der Krise brauchen werden, sondern auch, wenn es darum geht, den strukturellen Wandel in der Arbeitswelt, in der Wirtschaft auch sozial gerecht zu gestalten, eine Just Transition herzustellen, damit niemand überbleibt.

Ich möchte Sie auch dringend einladen, auch mit anderen Stakeholdern in Kontakt zu treten. Ich denke da beispielsweise an Arbeit plus, den Verband der Sozialen Unterneh­men in Österreich, an die Armutskonferenz, die die Stimme auch für diejenigen erhebt, die auf dem Arbeitsmarkt oft zu wenig gehört werden, deren Probleme zu wenig gesehen werden. Ich würde Sie dringend ersuchen, auch im Sinne Ihrer Offenheit, wie wir sie kennen, tätig zu werden.

Zu guter Letzt: Wir müssen alles tun, damit die Gesundheitskrise nicht zu einer dauerhaf­ten, tiefgreifenden sozialen Krise wird. Das ist uns im letzten Jahr nicht so schlecht ge­lungen, wie uns auch die Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigen. Insbesondere auch die Notstandshilfe hat sich als wirksamer und wichtiger automatischer Stabilisator be­währt. Wir dürfen aber nicht vergessen – auch wenn wir es 2020 noch geschafft haben –, diese krisenhaften sozialen Entwicklungen aufzufangen: Gerade Menschen in Langzeit­arbeitslosigkeit sind besonders armutsgefährdet. Da steigt nämlich die Armutsgefähr­dung auf 46 Prozent.

Der Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit ist damit auch ein Kampf für eine bessere soziale Absicherung, für eine Verbesserung von Chancen und Perspektiven und für die Schaffung von Jobs. Mit Druck auf Arbeitslose schaffen wir keinen einzigen Job, mit weniger sozialer Sicherheit genauso wenig.

Zum Abschluss, sehr geehrter Herr Minister: Sie haben in Ihrem „ZiB-2“-Interview Voll­beschäftigung als Ziel genannt. Vollbeschäftigung ist ein Wort, das heute nicht mehr besonders oft verwendet wird. Wir finden das sehr schade, weil dieses Ziel zu erreichen absolut lohnenswert ist. Sehr geehrter Herr Minister, wir werden unser Bestes tun, Sie bei der Erreichung dieses lohnenswerten Ziels auch zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.04

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.