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Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Sie können sich sowohl die Anfragebeantwortung des Herrn Minister an Kollegen Schnedlitz als auch den Zwischenbericht der Untersuchungskommission online auf der Parlamentsseite anschauen und sich selbst ein Bild machen.
Ich komme zuerst einmal zu dieser Anfragebeantwortung. Es finden sich dort viele berechtigte Fragen an Sie, Herr Innenminister, und Sie haben auf die meisten nur lapidar geantwortet: Da gibt es eine Untersuchungskommission.
Wir Abgeordneten haben gemäß der Verfassung ein Recht – Herr Kollege Mahrer, ich bin ein bisschen fassungslos, was Ihre Rechtsansicht betrifft –, gemäß Artikel 52 B-VG „die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen“. Und Sie haben eine verfassungsmäßige Pflicht, das Interpellationsrecht ernst zu nehmen und uns hier vollumfänglich zu antworten. Da ist es egal, ob es eine Untersuchungskommission gibt oder nicht, und das kann keine Untersuchungskommission ersetzen.
Es gibt diese Kommission jetzt, wobei wir uns auch weiter der Frage widmen werden, wie unabhängig diese arbeiten kann. Es gibt einen Zwischenbericht, der auch schon kritische Fragen und Punkte aufwirft. Fünf sind ganz offenkundig.
Erstens: Gegen den Attentäter vom 2. November, einen wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung Verurteilten, hat die Landespolizeidirektion Wien kein Waffenverbot erlassen. Meine Damen und Herren zu Hause! Gemäß Strafregistergesetz wird jedes Strafurteil der LPD standardgemäß übermittelt. Die LPD hätte daher in der Folge eindeutig reagieren und von sich aus ein Waffenverbot verhängen müssen. Dazu wäre sie nach dem Waffengesetz, das vorschreibt, dass sie es bei Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte für Gefährlichkeit – und diese Anhaltspunkte gab es – verhängen muss, verpflichtet gewesen.
Zweites unfassbares Versagen: Das Heeres-Nachrichtenamt informiert im Februar 2020 das BVT, dass aus dem sensorischen Aufkommen des HNaA bekannt ist, dass der Attentäter in Kontakt mit Personen aus einem spezifischen Gefährderkreis steht. Was passiert im BVT mit dieser Information? – Dem Vernehmen nach nichts.
Dritter Punkt: Der Attentäter nimmt im Sommer 2020 an einem Dschihadistentreffen in Wien mit Teilnehmern aus Deutschland und der Schweiz teil, zu denen wir von den Partnerdiensten sogar informiert werden – denn in Terrorangelegenheiten funktioniert die Kooperation –, dass diese – ich zitiere – Teil einer „hoch gefährlichen Terrorzelle“ sind. Das BVT schafft es nicht, diese Information an das LVT Wien weiterzugeben, geschweige denn selbst irgendetwas damit zu machen. Man hätte ja auch die Justiz verständigen können, auch das wurde nicht gemacht.
Vierter Punkt: Einen Tag nach dem Dschihadistentreffen fährt der Terrorist nach Bratislava und will Munition für ein Sturmgewehr kaufen. Zur Erinnerung: Das sind vollautomatische Waffen, bestimmt für den Einsatz im Dauerfeuer mit großem Personenschaden. Das ist kein Scherzartikel, es ist Kriegsmaterial und gehört mit gutem Grund nicht in die Hand von Zivilisten – das ist vom Gesetz her verboten –, und sicher nicht in die eines verurteilten Terroristen.
Der slowakische Händler verweigert den Verkauf, weil ihm das Ganze verdächtig vorkommt, und meldet das an die slowakischen Behörden, die es wiederum binnen Tagen samt Fotos an unsere Sicherheitsbehörden melden. Was passiert mit der Info? – Sie liegt vier Wochen am Schreibtisch des Sachbearbeiters im BVT.
Fünftens: Derweil setzt der Akt Staub an. Nach der Haftentlassung im Dezember 2019 wollte man den zukünftigen Attentäter einer Gefährdungsanalyse unterziehen. Die hat man auch gemacht, aber erst zehn Monate später, im Oktober 2020. Man geht also hierzulande in so einem Fall offenbar so vor, als würden sich Dschihadisten der Geschwindigkeit einer MA 2412 anpassen.
Die Behördenabläufe zwischen den Sicherheitsbehörden waren in diesem Fall eine Katastrophe. Im Ergebnis – davon bin ich überzeugt! – hätte unsere Rechtslage ein Vielfaches an Möglichkeiten geboten, angemessen zu reagieren. Wenn man seriös wäre, würde man sich die Behördenabläufe gründlich ansehen und danach die richtigen Schlüsse ziehen und Schritte setzen. Sie aber sind nicht seriös vorgegangen!
Sie haben zuerst gegen die Justiz geschossen, weil sie allen Ernstes den Täter rechtmäßig entlassen hat, danach haben Sie mit einem Medientamtam ein Antiterrorpaket geschnürt, das zumeist aus Selbstverständlichkeiten besteht, und dann verletzen Sie uns gegenüber, in diesem Fall fast durchgehend, Ihre verfassungsmäßige Pflicht, uns hier in Anfragebeantwortungen Rede und Antwort zu stehen.
Dabei geht es, Herr Kollege Bürstmayr, nicht um gerechtfertigte Entschuldigungen wie Amtsgeheimnis oder Datenschutz, sondern es geht – in meinem Fall – besonders um Fragen Ihres Kenntnisstandes zu diesen Sachverhalten, zu denen Sie uns eine Antwort schuldig geblieben sind, und das völlig zu Unrecht. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) – Ich mahne sie das nächste Mal ein! (Beifall bei den NEOS.)
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