10.10

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute bringen die Regierungsparteien einen Antrag auf eine weitere Verlängerung der Erhöhung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes bis Ende März 2021 ein. Vor allem uns Grünen war diese weitere Verlängerung sehr wichtig. Sie bringt den unmittelbar Betroffenen, den Men­schen, die Notstandshilfe beziehen – sehr oft sind das Menschen, die bereits sehr lange arbeitslos sind –, eine deutlich bessere soziale Absicherung. (Zwischenruf des Abg. Ries.) Ihre Notstandshilfe wird dadurch um 8 bis 9 Prozent erhöht. Dies nützt insbeson­dere jenen Menschen, die schon vor der Coronakrise arbeitslos waren und jetzt in der Coronakrise auch keine Chance gehabt haben, eine entsprechende Beschäftigung zu finden.

Das ist genau die Gruppe, die uns in den nächsten Wochen und Monaten vor besondere Herausforderungen stellen wird, da Menschen, die über eine längere Zeit hinweg ar­beitslos sind, von Armutsgefährdung besonders stark betroffen sind. Wir wissen, dass rund 46 Prozent der Langzeitbeschäftigungslosen armutsgefährdet sind. Die Anhebung der Notstandshilfe – das haben uns auch die Studien im September bescheinigt – ist eine wirkungsvolle Maßnahme, um Armutsgefährdung, wenn sie schon nicht verhindert werden kann, zumindest einzudämmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Notstandshilfe ist grundsätzlich zu sagen, dass sie sich gerade jetzt, in Zeiten der Krise, als besonders wirksamer automatischer Stabilisator im Sinne einer Abfederung des Einkommensverlustes zur Stabilisierung der Nachfrage erwiesen hat. Arbeitslosen­geld und Notstandshilfe sind in Phasen längerer Arbeitslosigkeit ganz wesentliche Instru­mente, um finanzielle Not zu überbrücken. Ich hoffe, dass die Notstandshilfe, die auch hier im Haus immer wieder durchaus umstritten war und immer wieder diskutiert wurde, inzwischen weitgehend unumstritten ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es hat sich auch gezeigt, dass die Notstandshilfe der Sozialhilfe oder der Mindestsiche­rung deutlich überlegen ist, weil sie rasch, unbürokratisch und einfach beantragt werden kann und schlichtweg ein unverzichtbares Mittel zur Bekämpfung von Armut ist.

Ein Ausblick auf die nächsten Wochen und Monate: Wenn die Gesundheitskrise dank der Impfung endlich überwunden sein wird, wenn die Wirtschaft wieder wird hochfahren können und es tatsächlich zu einem ökonomischen Aufschwung kommen wird, wird die zentrale Aufgabe sein, nachhaltig Beschäftigung zu schaffen, die allerdings nicht nur – unter Anführungszeichen – „Arbeit“, sondern vor allem auch gute Arbeit ist.

Was muss getan werden? – Es wurde heute schon angesprochen und auch die Weichen sind teilweise schon gestellt: Ein Aspekt ist natürlich Bildung, Qualifizierung, Umorientie­rung in Jobs mit Perspektive. Wir haben Branchen – da dürfen wir uns nichts vorma­chen –, in denen es nach der Krise nicht mehr so sein wird, wie es vor der Krise war. Es wird einfach notwendig sein, in die Zukunft, in Jobs mit Perspektiven, in Branchen mit Perspektiven zu investieren – und Menschen diesbezüglich auszubilden ‑; in Green Jobs, in Jobs, in denen digitale Kenntnisse verlangt werden, aber auch in Jobs im sozia­len Bereich, in der Careeconomy. Wenn wir etwas aus dieser Krise gelernt haben, dann, wie wichtig ein gut funktionierender Sozialstaat ist, wie wichtig ein starker Sozialstaat ist, der uns hilft, in dieser Krise über die Runden zu kommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Begriff Sozialstaat bezieht sich nicht nur auf die Arbeitslosenversicherung, auf die Mindestsicherung oder auf die Sozialhilfe. Der Sozialstaat umfasst auch die Institutionen der Pflege, die Institutionen der Gesundheit und damit Zehntausende, Hunderttausende Beschäftigte. Da bieten sich hohe Beschäfti­gungspotenziale. Gerade der Bereich der Pflege stellt eine wesentliche gesellschaftliche Herausforderung dar – da wird ausgebildet werden müssen, da wird investiert werden müssen.

Wir investieren selbstverständlich auch: Wir haben Milliardenpakete für Investitionen im Bereich des Klimaschutzes geschnürt. Wir werden in erneuerbare Energien investieren. Wir werden in öffentliche Mobilität investieren, wir werden in den dringend notwendigen ökologischen Umbau des Wirtschaftssystems investieren. (Abg. Krisper: Wir werden! Wir werden!) – Es passiert ja schon! Diese Investitionen schaffen Beschäftigung, diese Investitionen stellen enorme Herausforderungen für die Budgets dar, aber sie sind not­wendig, weil wir uns eben aus der Krise herausinvestieren müssen.

Zuletzt werden auch direkte Beschäftigungsmaßnahmen erforderlich sein; einige wurden bereits erwähnt. Wir haben bereits den Lehrlingsbonus, wir haben die ÜBA ausgebaut, um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, aber die größte Herausforderung ist und bleibt die Langzeitarbeitslosigkeit, von der inzwischen 170 000 Menschen unmittelbar betrof­fen sind. Das sind Menschen, die teilweise ihre Perspektiven, ihre Hoffnungen auf gute Arbeit, auf gute Jobs verloren haben und sich besonders schwertun, einen Job zu finden, weil sie auch gesundheitlich beeinträchtigt sind. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Auch sie haben das Recht auf ein gutes Leben und einen guten Job. Ich bin daher davon überzeugt, dass wir für langzeitarbeitslose Menschen – der Arbeitsminister hat sich dies­bezüglich durchaus offen gezeigt – auch spezielle Beschäftigungsprogramme brauchen werden.

Sehr geehrter Herr Minister, ein umfassendes Programm gegen Armut und Arbeitslosig­keit gibt es nicht zum Nulltarif. Das kostet, aber wir müssen es uns leisten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordneter Mag. Markus Koza (fortsetzend): Was wir uns nicht leisten können, sind Armut, Armutsgefährdung und Perspektivenlosigkeit. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.