15.06

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich könnte Ihnen jetzt eine Vorlesung halten über die Versammlungsfreiheit, ihre Regelung in Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 12 der EU-Grundrechte-Charta (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) sowie über ihre Grenzen und ihre Bedeutung in einer Demokratie. Ich will aber versuchen, mich allgemein ver­ständ­lich auszudrücken, denn uns Juristen wirft man immer vor, dass man uns nicht versteht.

Stellen Sie sich bitte ein Dorf vor, das seit Monaten mit einer anhaltenden Dürre zu kämpfen hat und mit Waldbränden, die schon an vielen Stellen ausgebrochen sind. Es dauert schon so lange, dass viele müde geworden sind, während viele andere immer noch versuchen, diese Brände einzudämmen.

Dann kommt eine Gruppe von Menschen und sagt: Wir wollen gegen diese Lösch­maßnahmen demonstrieren (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz), und überhaupt, es gibt gar keine Dürre und kein Feuer! Wir wählen dazu das Mittel des zivilen Ungehorsams, des bewussten Regelverstoßes! Wir machen einen Waldspaziergang und jeder, der will, darf seine Zigaretten wegwerfen, und am Ende machen wir ein schönes Lagerfeuer! (Abg. Kickl: So ein Schmarrn!) – Ja, das ist ein Schmarrn, Kollege Kickl, Sie haben ganz recht. (Abg. Kickl: Unter Ihrem Niveau!)

Was wird eine Dorfgemeinschaft in einer solchen Situation tun? – Sie wird diesen Men­schen sagen: Sorry, das dürft ihr nicht, ihr gefährdet damit uns alle! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Versammlungsfreiheit ist eine tragende Säule der Demokratie (Zwischenrufe bei der FPÖ), sie ist aber keine Rechtfertigung dafür, die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen aufs Spiel zu setzen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Was ist aus dieser Fraktion geworden?) Genau das aber geschieht ganz regelmäßig und in großem Ausmaß auf diesen Demonstrationen von sogenannten Maßnahmengegnern. Und darin liegt das Problem: Das Mittel, das da gewählt wird, der bewusste gemeinsame Verstoß gegen elementare Schutzmaßnahmen, gefährdet unser aller Gesundheit. (Abg. Kickl: Der nächste Blödsinn! – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Dass es bei diesen Fragen präzise abzuwägen gilt und dass es bei dieser Abwägung von Rechtsgütern auch zu Fehlern kommen kann, ist unbestritten. Und dass wir in Österreich immer noch keine Eilverfahren haben, die eine gerichtliche Überprüfung der Untersagung von Versammlungen binnen 72, ja binnen 48 Stunden möglich machen, so, wie das unsere deutschen Nachbarn schon lange haben, ist ein echtes Manko unseres Rechtssystems! (Abg. Hafenecker: ... Demonstration, oder wie?) Wir haben im Regierungsprogramm vereinbart, das zu überprüfen, und die aktuelle Situation zeigt, wie brennend akut diese Überprüfung geworden ist. (Abg. Kickl: Ich glaube, ihr werdet nicht mehr zum Überprüfen kommen!)

Lassen Sie mich noch einen Satz zur sonstigen Situation sagen: Ja, wir haben einen Brand zu bekämpfen, den größten seit Langem. Bin ich deshalb mit allem einverstanden, was die Menschen links und rechts von mir, die gemeinsam mit mir versuchen, diesen Brand zu löschen, die Pandemie zu bekämpfen, denken, sagen oder tun? – Na auf keinen Fall! (Zwischenruf bei der FPÖ.) Mache ich, machen andere bei den Lösch­arbei­ten Fehler? – Na sicherlich! Sollen wir aber deshalb für mehrere Wochen die Lösch­arbeiten einstellen? Sollen wir für mehrere Wochen aufhören, gemeinsam diese Pan­demie zu bekämpfen, und stattdessen in einen Wahlkampf ziehen? – Ich möchte das nicht. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Ah, unglaublich! Ein Märtyrertod! Ein Märtyrertod! Interessant, das neue Erklärungsmodell der Grünen!)

15.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scherak. – Bitte.