16.28

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesministerinnen und Bundesminister! Werte Zuseherinnen im Haus und vor den Empfangsgeräten! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Sie kennen vielleicht das Brückendilemma: Ein entlegenes Dorf ist nur über eine Brücke mit der Außenwelt verbunden. Die Bewohner des Dorfes müssen aufgrund einer akuten Gefahrensituation dieses Dorf verlassen. Eine Zahl von Experten, alle in ihrem Fachgebiet hoch ange­sehen, erklärt: Die Brücke ist einsturzgefährdet, das Benützen, das Begehen, das Befah­ren der Brücke bedeutet den sicheren Tod. Eine andere Zahl von Experten, ebenso hoch angesehen und über fachliche Zweifel erhaben, sieht das Ganze gelassener und sagt: Kein Problem, es ist möglich, die Bevölkerung über diese Brücke zu evakuieren.

Wie entscheiden wir? Die beiden Optionen sind nicht gleichwertig, trotz gleicher Fach­kompetenz der Experten, denn der Irrtum der Experten, die das Betreten der Brücke als Todesurteil sehen, wäre ungefährlich, während umgekehrt der Irrtum der anderen Exper­ten ins Verderben führen würde.

Zum echten Dilemma wird die Sache dadurch, dass ein Verbleiben im Ort keine Option ist, weil ja dort ganz akute Gefahr herrscht. Die Bundesregierung hat am Montag nach stundenlangen Beratungen eine Lösung dieses Dilemmas präsentiert, die grosso modo zu respektieren ist. Diese Lösung fordert uns allen, die wir sozusagen in diesem Ort ausharren müssen, viel ab: viel Besonnenheit, viel Eigenverantwortung. Mehr Bedeu­tung denn je kommt aber in dieser Phase dem Rechtsstaat zu.

Es ist wie beim Monopoly spielen: Es gibt Regeln, und an die Regeln müssen wir uns halten. Dieses Gebot, sich an die Regeln zu halten, ist an uns alle adressiert, an die Bevölkerung wie auch an die Politiker, und da scheiden sich meines Erachtens die Geister.

Auch in der heutigen Debatte habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Pandemie von der Regierung, von der Parlamentsmehrheit eher als Ausrede dafür gebraucht wird, dass wir es eine Zeit lang einmal mit dem Rechtsstaat nicht so genau nehmen, dass wir diesen beiseiteschieben können. Das ist aber genau das Verkehrte: Es ist nicht juristische Spitzfindigkeit, wenn wir klare, verständliche Regeln verlangen! In dieser nervösen Zeit auf fragwürdige Weise Demonstrationsverbote auszusprechen, zerstört jedes Ver­trauen – zumal es seit jeher ein heiliges Grundrecht ist, dass sich Menschen öffentlich artikulieren dürfen. Das gilt gerade in Zeiten der Krise.

In Österreich beheimatete Kinder in dunkler Nacht abzuschieben, vernichtet jegliches Vertrauenskapital. Noch dazu – und das ist rechtlich eindeutig – war das praktisch zum zehnjährigen Jubiläum des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern. Am 20. Jänner 2011 hat der Nationalrat dieses Gesetz beschlossen, und in Artikel 1 heißt es da, dass bei alle Kinder betreffenden Maßnahmen das Kindeswohl absolut vorrangig zu betrachten sei – das haben Sie missachtet!

Herr Präsident Sobotka ist jetzt leider nicht da: Er hat mich im Vorfeld dieser Parla­mentssitzung mit einem Wort aufgerüttelt, dem Begriff der „Emokratie“ – das war meines Erachtens sehr, sehr entlarvend. Er hat gemeint, Emotionen dürften keine Rolle spielen, sondern nur Fakten, und genau dieses Demokratieverständnis, dieses Verständnis des Zusammenlebens von Menschen enttarnt eigentlich vieles: viele politische Maßnahmen, die uns so schwer zu schaffen machen, wie eben Demonstrationsverbote, wie eben das Abschieben von Kindern.

Ich bin der Meinung – das will ich Herrn Präsidenten Sobotka hier ausrichten –, ich lebe allemal lieber in einer „Emokratie“, in der die Werte Empathie, Vertrauen und Rücksicht­nahme eine Rolle spielen, als in einer türkis-kalten Technokratie! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.34

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.