16.39

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich habe letzten Mittwoch – wie wahrscheinlich viele von euch – bei dem Gedanken an die Polizei, die mitten in der Nacht an die Tür klopft, schlecht geschla­fen, bei dem Gedanken daran, dass Kinder, die hier in Österreich geboren wurden, hier zur Schule gehen und hier aufgewachsen sind, von der Polizei mit der Wega und mit Hunden weggebracht werden.

Sie werden in ein Flugzeug gesetzt und kommen in ein Land, das sie gar nicht kennen. Diese Angst, diese Hilflosigkeit in ihren Augen erschüttern. Sie erschüttern viele, sie erschüttern auch mich. (Ruf bei der SPÖ: Aber nicht ... Regierung!)

Auch ich war nämlich so ein Kind: Ich bin 1992 mit meinen Eltern nach Österreich gekommen, ich war damals zehn Jahre alt, und auch ich hatte Angst. Viele Jahre lang hatte ich Angst. Ich hatte Angst, dass die Polizei mitten in der Nacht kommen würde, an meine Türe klopfen und mich aus meiner Umgebung herausreißen würde, mich aus der sicheren neuen Heimat wegbringen würde, weg von meinen Freundinnen und Freunden.

Bei mir blieb es bei der Angst – mir ist nichts passiert, ich durfte bleiben. Ich durfte bleiben, weil es so viele gab, die hinter uns standen und uns geholfen haben, die mir, meiner Familie und uns allen geholfen haben, die allen Flüchtlingen damals geholfen haben: die Nachbarinnen und Nachbarn, die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, die Menschen vor Ort. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Als Flüchtlingskind bin ich viel in Österreich herumgekommen, vor allem in der Steier­mark. Ich lebte in Fladnitz, in Ratten, in Eibiswald und in Mürzzuschlag, und eine Kon­stante gab es immer: Hilfe  die Hilfe vor Ort, die Hilfe der Kirche. Die Kirche war immer für die Flüchtlinge da, die Kirche war auch für mich da. Der Kirche war es damals genauso wie heute egal, woher wir kamen und woran wir glaubten. Ob an Jesus, an Gott, an gar nichts oder an Allah, das war ihnen egal – ganz vorne standen der Mensch und die Hilfe, und diese bekamen wir von der Kirche. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

Im Namen aller Flüchtlinge, aller geflüchteten Menschen möchte ich heute der Kirche ein großes Danke aussprechen: Danke! (Ruf bei der SPÖ: Danke!)

Viele Christlich-Soziale haben damals Menschlichkeit und Haltung gezeigt, und ich weigere mich, zu glauben, dass es diese christlich-sozialen Menschen in Österreich heute nicht mehr gibt. Ich weigere mich, das zu glauben, denn es gibt sie – und es gibt sie auch in den Reihen der ÖVP! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Krisper.)

Ich bin fest davon überzeugt, dass es sie gibt! Sie sind der Grund, warum ich heute hier vor Ihnen stehe, der Grund, warum es mir besser als Tina, als Lea und den anderen Kindern gegangen ist. Ich würde heute nicht hier stehen, wenn es mir damals so wie den anderen Kindern gegangen wäre, wenn mich Bundeskanzler Kurz und Innenminister Nehammer damals so behandelt hätten, wie sie vor wenigen Tagen diese Kinder be­handelt haben! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

Keiner von Ihnen würde heute hier meine Rede hören. Niemand würde hören, was aus mir geworden ist. Man hätte mir damals meine Zukunft geraubt – aber ich stehe heute hier. Ich darf Ihnen erzählen, wie es sich anfühlt, wenn Kinder mit angsterfüllten Augen ihre Eltern anschauen und sich fragen: Wann werden wir abgeschoben? Sind wir die Nächsten? Und ich sage euch ganz ehrlich, diese Angst wünsche ich nicht einmal meinen ärgsten Feinden! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Eines sage ich Ihnen auch: Ich werde Ihnen heute nicht den Gefallen tun, einen Koali­tionsbruch zu riskieren, ohne irgendetwas verbessert zu haben. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich werde Ihnen nicht den Gefallen tun, heute einem Antrag zuzustimmen, der für diese Familien, für diese Mädchen genau nichts bringt – nichts! Das ist vielmehr ein Wechseln von politischem Kleingeld und eine Inszenierung auf dem Rücken dieser Kinder, die das nicht verdient haben! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter. Abg. Hafenecker: Früher hatten die Grünen noch ...!)

Ich schaue jetzt in Richtung SPÖ und ich schaue euch genau an: Ihr habt dieses Asyl­gesetz möglich gemacht! Ihr habt damals bei diesen Gesetzesänderungen mitge­stimmt – einige von euch sitzen heute hier und wissen das genau, und das tut weh! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihr seid diejenigen, die das ermöglicht haben, und dieses Empören finde ich einfach nicht in Ordnung. (Abg. Heinisch-Hosek: Wer ist in der Regierung?!) Ihr habt damals Ge­setzesänderungen zugestimmt, ihr habt bei Gesetzesänderungen mitgestimmt, die Konsequenzen hatten – dieser heutige Antrag hat keine Konsequenzen, das ist nur Showpolitik. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin nicht in die Politik gegangen, um Show zu machen, das soll anderen überlassen bleiben – ich möchte Verbesserungen erzielen. Politik bedeutet nicht, dann aufzustehen, wenn es bequem ist, wenn es super ist, wenn ich weiß, ich kriege viele Likes und alle werden mich mögen – dafür bin ich nicht zu haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bin nicht in der Politik, um geliebt zu werden. Ich bin in der Politik, um für genau diese Kinder zu kämpfen und ihnen genau die Chance zu geben, die ich damals bekommen habe! (Beifall bei den Grünen.)

Ich weiß auch, dass meine Grünen weiterhin dafür kämpfen werden, und solange wir das nicht erreicht haben, bleiben wir hier. (Anhaltender Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.45

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.