15.15

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Österreicherin­nen und Österreicher! Es sind schwarze Wochen für die Türkisen, aber auch schwarze Wochen für unsere Republik.

Die Nachrichten rund um die türkise Kurz-Truppe lesen sich wie ein Kriminalroman, und, verzeihen Sie meinen Zynismus: Im Vergleich zu der Geschichte, die Sie gerade schrei­ben, Herr Kollege Blümel, lesen sich die Geschichten von ehrenwerten Männern wie Karl-Heinz Grasser und Ernst Strasser fast wie Kinderbücher!

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist ein dunkles Kapitel, ein düsteres Kapitel, das für unsere Republik angebrochen ist. Ich habe heute im Vorfeld der Sitzung nachgedacht, welchen Titel man diesem Kriminalroman, den Sie ja gerade schreiben, geben kann, und treffend erscheint mir: Operation Ballhausplatz – vom Aufstieg und tiefen Fall des Sebas­tian K.

Die Handlung ist relativ schnell erklärt. Kapitel 1: Projekt Sonnenkanzler. Die Schmähs der türkisen Spindoktoren, alles läuft nach Plan, der junge Sebastian ist endlich Kanzler dieses Landes. PR-Maschinerie und Inszenierung sind angelaufen, es braucht keine Ar­beit für die Bevölkerung, solange die Schlagzeilen stimmen – ein wahrer Sonnenkanzler, unser Sebastian.

Damit aber die Maschinerie läuft und überhaupt finanziert werden kann, braucht es ei­nes, und – das haben wir heute schon gehört – das ist Geld, Geld und nochmals Geld. Neue Ideen für Geld, ein neuer Stil, wenn Sie so wollen. Weil Herr Hanger Fakten ein­fordert: Es gibt Fakten zu diesem Geld! 48 Personen haben jeweils mehr als 10 000 Euro gespendet, die Summe der Spenden im Wahlkampf 2017 beläuft sich auf unglaubliche 4,4 Millionen Euro – und da spreche ich von den offiziellen Zahlen, denn was hinter den Kulissen geschieht, darf nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Das darf niemals an die Öffentlichkeit kommen, und das wird es nicht. Die Medien hat man nämlich im Griff, im Zweifel gekauft, und zwar mit Spendengeld – und im aller­schlechtesten Fall auch mit Steuergeld. Gar keine schlechte Idee, sehr geehrte Damen und Herren, das mit dem Steuergeld und dem Steuerzahler: So hat man wenigstens vonseiten der Türkisen die Bevölkerung in den Aufstieg des Sonnenkanzlers miteinge­bunden.

Es folgt Kapitel 2: das Erdbeben, das derzeit die Republik erschüttert. Gewitterwolken brauen sich über dem Sonnenkanzler zusammen, weil die Korruptionsstaatsanwalt­schaft ihm längst auf den Fersen ist. Der Noch-Finanzminister Gernot Blümel, der Le­bensmensch des Kanzlers, wird längst wegen Untreue, Bestechung, Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch als Beschuldigter geführt.

Sehr geehrte Damen und Herren, das muss man sich schon auf der Zunge zergehen lassen: Ein amtierender Finanzminister, der für das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher zuständig ist, wird als Beschuldigter geführt wegen vorgeworfener Un­treue, Bestechung, Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch!

Es folgt eine Hausdurchsuchung beim amtierenden Noch-Finanzminister, die Republik erwartet den sofortigen Rücktritt – doch weit gefehlt.

Es folgt Kapitel 3: der letzte Widerstand. Die Spindoktoren bieten alles auf, was sich mit Steuer- und Spendengeldern finanzieren lässt, Lohnschreiberlinge rücken zur Arbeit aus, die Suppe sei dünn. Kollege Gerstl wird ausgeschickt – er hat sich nicht als die beste Wahl entpuppt –: Der Täter sei nicht Blümel, sondern der Staatsanwalt, und – sehr geehrte Damen und Herren, ich weiß, selbst für die Leser von Fantasieromanen ist das schon sehr weit hergeholt – es ginge nur um eine SMS. Weitere Schutzbehauptungen folgen.

Diese Spins funktionieren aber nicht mehr, werte Damen und Herren von der türkisen ÖVP, denn im selben Moment platzt eine weitere Bombe: Der türkise Sonnenkanzler war selbst in mehrere Treffen und Frühstücke involviert! Wieder wartet ganz Österreich auf einen Rücktritt des Sonnenkanzlers und hofft auf den selbsternannten Anstand, doch der macht dem türkisen Sumpf die Mauer. Spätestens jetzt ist klar: Nach dem Einknicken in Asylfragen und dieser Mauer für den Futtertrog würde der Anstand die Grünen nicht mehr wählen.

Es folgt Kapitel 4: Kickl und die FPÖ sind schuld. Jetzt werden Sie sich fragen, worum es in diesem Kapitel geht – ganz einfach: Zu jeder Geschichte der türkisen ÖVP gehört der Satz, dass Kickl schuld sei, das ist so ähnlich wie mit anderen Sätzen der Spindok­toren und anderen Spinversuchen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn das in dieser Geschichte natürlich von den Fakten her nichts verloren hat, ist das Ganze schon sehr interessant, wenn man etwas weiter in die Tiefe geht, nämlich die Worte des Kanzlers damals: Kickl ist als Innenmi­nister nicht länger tragbar, weil Herbert Kickl zum Zeitpunkt der Entstehung des Ibizavi­deos FPÖ-Generalsekretär war und nicht gegen den eigenen Vizekanzler ermitteln könnte. Das hat er dazu genutzt, um eine Regierung zu sprengen.

Gegenwärtig, meine Damen und Herren, sieht man eine gewisse Ähnlichkeit: Herr Ne­hammer war damals ÖVP-Generalsekretär; er ist jetzt Innenminister und soll ermitteln. Es geht um seinen eigenen Kanzler und seine eigenen Parteifreunde, es geht um seine eigene Partei, mit dem einzigen Unterschied, sehr geehrte Damen und Herren, dass Heinz-Christian Strache den Restanstand hatte, den Hut zu nehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben es jetzt relativ leicht: Sie müssen nur die Maßstäbe von damals auf sich selbst anwenden und dasselbe machen, was Sie damals von Herbert Kickl gefordert haben, nämlich den Hut nehmen. Und weil das auch schon der x-te Grund ist, warum Nehammer in dieser Republik als Minister nicht mehr tragbar ist, darf ich folgenden Misstrauensantrag betreffend Versagen des Vertrauens gegen­über dem Bundesminister für Inneres einbringen:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das letzte Kapitel ist relativ leicht erzählt, es handelt sich nämlich nicht nur um einen Fantasieroman, es handelt sich um eine wahre Ge­schichte, um den Fall Blümel, um den Fall Kurz und seine türkise Truppe. Es geht um Unehrlichkeit, um Täuschung und um Machtmissbrauch, und es wird Zeit, dieses traurige Kapitel, das türkise Kapitel endgültig zu schließen. Game over, wie es Klubobmann Kickl treffend formuliert hat. Die Ära Kurz ist zu Ende. (Beifall bei der FPÖ.)

15.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

§ 55 GOG-NR

des Abgeordneten Abg. Michael Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage des Abgeordneten KO Her­bert Kickl und weiterer Abgeordneter betreffend Blümel hat sich verzockt – Das Spiel der ÖVP ist aus!

in der 83. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 16. Februar 2021

Im Mai 2019 wurde das sogenannte „Ibiza-Video“ veröffentlicht, in dem u.a. Aussagen des ehemaligen Vizekanzlers wie „Novomatic zahlt alle“ zu hören waren. In weiterer Fol­ge entwickelte sich eine öffentliche Diskussion, an der sich auch der Kanzler beteiligte, wie u.a. in der „Die Presse“ vom 20. Mai 2019 zu lesen war:

„Wie geht es weiter?“, fragte Kurz, um sogleich selbst die Antwort drauf zu geben: Er habe die „feste Überzeugung“, dass „vollständige Transparenz“ rund um die Causa „Ibi­za-Video“ sichergestellt werden muss. „Das haben sich die Österreicherinnen und Öster­reicher verdient.“ Da Kickl im Sommer 2017, als das Video aufgenommen wurde, FPÖ-Generalsekretär gewesen sei, sei dieser auch für die „finanzielle Gebarung hauptverant­wortlich gewesen“. (...) Seines Erachtens nach hätte „diese Gemengelage“ genügen müssen, damit Kickl zurücktrete, damit „eine lückenlose Aufklärung möglich ist“. Da es dazu nicht kam, werde Kurz Van der Bellen die Entlassung von Kickl als Minister vor­schlagen. Diesen Entschluss habe er Kickl persönlich und dem designierten FPÖ-Ob­mann Norbert Hofer in einem Telefonat mitgeteilt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass nun, da ÖVP Finanzminister Gernot Blümel als Beschuldigter in eben dieser Causa geführt wird, ÖVP Innenminister Karl Nehammer, dem Bundespräsidenten vom Bundeskanzler nicht zur Entlassung vor­geschlagen wurde. Wie Kickl bekleidete Nehammer wichtigste Parteiämter und gehörte unbestrittener Maßen zum inneren Führungskreis der „Türkisen“.

Von Jänner 2018 bis Jänner 2020 war er Generalsekretär der ÖVP und vom 9. Novem­ber 2017 bis zum 7. Jänner 2020 Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat.

Von 2016 bis Jänner 2018 war er Generalsekretär des ÖAAB. Er folgte damit in dieser Funktion August Wöginger nach. Im November 2016 wurde er zum Landesobmann des ÖAAB Wien gewählt. Seit April 2017 ist er Bezirksparteiobmann der ÖVP in Wien-Hietzing. Am 25. Jänner 2018 folgte er Elisabeth Köstinger und Stefan Steiner als ÖVP-Generalsekretär nach.

Seit 7. Jänner 2020 bekleidet er das Amt des Innenministers und befindet sich somit für die Aufklärung der Vorwürfe wider den Finanzminister in einer Schlüsselrolle. Legt man denselben Maßstab an wie einst bei Herbert Kickl, kann die Conclusio nur lauten, dass Nehammer in der Funktion des Innenministers nicht mehr tragbar ist.

Daher stellen unterfertigte Abgeordnete folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Misstrauensantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht und steht somit in Verhandlung, da er auch ordnungsgemäß unterstützt ist.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte.