15.35

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben jetzt schon relativ viel über die Staatsanwaltschaften und auch un­terschiedliche Positionen zur Beurteilung von deren Arbeit gehört. Was ist aber eigentlich die Aufgabe der Staatsanwaltschaften? – Wenn man sich manche der VorrednerInnen anhört, könnte man meinen, dass sie sich nicht unbedingt die Mühe gemacht haben, das einmal genau zu hinterfragen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wir haben in Österreich das Prinzip des Anklageprozesses. Das bedeutet, dass Strafge­richte immer erst dann tätig werden dürfen, wenn es eine Anklage gibt, und weder selbst ermitteln noch selbst aussuchen, gegen wen sie Prozesse führen. Diese Anklagebehör­de ist die Staatsanwaltschaft, deren Aufgabe ist es, dass sie in Strafverfahren ermittelt, dass sie bei Verdachtsfällen ermittelt und dass sie ermittelt, ob tatsächlich eine Straftat vorliegen könnte oder nicht. Wenn sich dieser Verdacht dann erhärtet, macht sie eine Anklage und vertritt diese dann im Strafverfahren.

Es ist nicht die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, möglichst viele Verurteilungen zu be­kommen. Die Staatsanwaltschaften sind nicht in erster Linie die Gegner der Beschuldig­ten, sondern sie sind unabhängige Ermittlungsbehörden und sie haben in Verdachtsfäl­len in alle Richtungen zu ermitteln. (Ruf bei der ÖVP: So soll es sein, ja!) Sie tragen sowohl Belastendes als auch Entlastendes zusammen – und wenn sie nach gründlicher Durchführung dieser Aufgabe herausgefunden haben, dass sich ein Verdachtsfall nicht erhärtet, dann sind sie genauso erfolgreich gewesen, wie wenn es umgekehrt zur Ankla­ge kommt.

Aus unterschiedlichen Gründen haben viele Personen immer wieder ein Interesse am Ausgang von Strafverfahren, und all diese Personen möchten verständlicherweise gerne bewirken, dass die Ermittlungen in ihre Richtung gehen. Wenn dann auch noch Perso­nen beteiligt sind, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen, geht in Österreich in solchen Verfahren leider sehr oft der Weg zur Politik und es kommt zu unterschiedlichen Einfluss­nahmen. Genau das ist es, was in vielen prominenten Verfahren dann passiert: Es wird interveniert, es kommen Ermittlungsdetails an die Öffentlichkeit, es kommen Ermittlungs­details an die Medien. Das wiederum hat viel mehr Aufklärungsarbeit zur Folge. Wie kommt es dazu? Wie kann es das geben? Wo kommt das her? Das alles kostet zusätz­lich Zeit und bindet die Ressourcen derjenigen, die eigentlich die Ermittlungen führen sollten – und diese dauern länger und länger.

Unter anderem aus diesem Grund hat schon vor 20 Jahren unsere damalige Justizspre­cherin Terezija Stoisits den Vorschlag gemacht, die Weisungsspitze vom Amt der Justiz­ministerin/des Justizministers zu entkoppeln. Seit damals hat sich in der politischen Kul­tur sehr viel verändert. Die Justiz und die Justizgesetzgebung standen damals noch gar nicht so sehr im Zentrum der Tagespolitik, wie es derzeit der Fall ist. Auch wenn der bestmögliche Schutz vor politischer Einflussnahme eigentlich ein Grundanliegen aller politischen Parteien sein sollte, die die Demokratie ernst nehmen, sehe ich, dass diese Erkenntnis sich erst nach und nach durchgesetzt hat – zum Glück geschah dies nun zu einem Zeitpunkt, zu dem die politische Einflussnahme immer deutlicher und dreister ge­worden ist. (Beifall bei den Grünen.)

Nach vielen Verhandlungsschritten gab es in unterschiedlichen Konstellationen immer wieder Vorstöße für eine parteiunabhängige Weisungsspitze in der Staatsanwaltschaft. Bisher war die ÖVP leider immer felsenfest dagegen. Ich freue mich sehr, dass es da inzwischen einen Sinneswandel gibt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich freue mich, dass diese langjährige und so wichtige Forderung nun endlich eine Mehr­heit findet. Ich hoffe, dass wir auch ganz schnell in die Umsetzung kommen und ich sehe es als unsere Aufgabe, die Bedürfnisse der Justiz dabei bestmöglich zu berücksichti­gen – die Bedürfnisse derer, die tagtäglich in den Staatsanwaltschaften arbeiten und deren Arbeit wir klarer, effizienter und frei von politischer Einflussnahme ausgestalten wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Unsere Justiz braucht nicht mehr Kontrolle, sondern unsere Justiz braucht mehr Ruhe vor Beeinflussungen durch die Politik. Diese wollen wir ihr durch die politikfreie Wei­sungsspitze ermöglichen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Kugler.)

15.40

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte.