9.49

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Ja, Kollegin Götze hat offensichtlich, weil der Frühling in der Luft liegt, auch ein paar Schmetterlinge im Bauch, weil es in dieser Regierung so wunderbar funktioniert und weil es auch so abgestimmt ist.

Ich möchte, bevor ich zum Hauptteil komme, mit drei Missverständnissen aufräumen – zum einen mit dem Missverständnis der Konstruktivität, Kollege Ottenschläger. Das ist nämlich ein eklatantes Missverständnis, denn ein Schulterschluss ist eurer Ansicht nach eine Sackgasse, und immer, wenn ihr uns – wenn ich dieses Beispiel bringen kann – knapp vor Mitternacht einen Verordnungsentwurf hinschmeißt und wir müssen ihn, sollten ihn um 9 Uhr adoptieren beziehungsweise apportieren, dann haben wir damit eine Schwierigkeit. Das ist keine Konstruktivität, und so stellt man sich vor allem in einer so schwierigen Krise Konstruktivität, um gemeinsam aus dieser Gasse herauszu­kom­men, auch nicht vor. (Beifall bei den NEOS.)

Das zweite Missverständnis, Herr Bundeskanzler, ist, dass Sie gesagt haben, wir zählen zu den Besten. Ja, Sie haben im Verhältnis am meisten ausgeschüttet, aber erklären Sie mir in Ihrer PR- und PK-Show – ich verstehe es schon bei den extrem betroffenen Branchen wie Tourismus, Handel, all diesen dienstleistungsnahen Branchen, die am Tourismus dranhängen –, warum bei diesen 32 Milliarden Euro auch Ausfallsboni, Zahlungen als Umsatzersatz für Windparks dabei sind, die im Dezember weniger Wind gehabt haben! Also da merkt man diese Planlosigkeit und da merkt man auch dieses Unverständnis. Gezielt und punktuell zu helfen wäre oft besser, als mit der Gießkanne durchs Land zu fahren. Das ist ein Missverständnis. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Matznetter.)

Das dritte Missverständnis ist, dass Türkis-Grün Wirtschaftskompetenz hätte. Ich will Ihnen das auch anhand Ihres Redebeitrags noch einmal vor Augen führen. Es ist keine Hilfe oder keine großzügige Hilfe, die Kurzarbeit so lange hinauszuziehen. Es ist aber auch ein Beitrag der Klein- und Mittelbetriebe, der Unternehmer, dass sie die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit beschäftigen, denn das kostet natürlich auch noch etwas, obwohl keine Umsätze da sind. Was will man denn für einen Umsatz machen, wenn man null Umsatz macht? – Da kann man nichts machen, aber man hat Kosten und man beschäftigt diese Mitarbeiter.

Betreffend das Missverständnis beim Umsatzersatz muss ich Ihnen auch Wirtschafts­kompetenz absprechen. Sie haben sehr wohl den Tourismus erwähnt, aber Sie haben nicht die mittelbar betroffenen Unternehmen erwähnt – und die mittelbar betroffenen Unternehmen sind Handel, die mittelbar betroffenen Unternehmen sind Textildienst­leister, die mittelbar betroffenen Unternehmen sind auch jene, die gar nichts mit dem Tourismus zu tun haben, aber bis heute noch keine Hilfen bekommen haben. Ich glaube, bevor ein Windpark Umsatzersatz für entfallenen Wind kriegt, sollte ihn der Sporthändler in Serfaus wohl allemal vorher kriegen.

Das letzte Missverständnis ist das, was Kollegin Götze jetzt auch gesagt hat, was Sie gesagt haben und was Herr Finanzminister Blümel gesagt hat: Er war nämlich aus­gesprochen stolz, dass wir im letzten Jahr wahnsinnig wenig Insolvenzen gehabt haben – minus 46 Prozent natürlich im Tourismus, minus 43 Prozent Insolvenzen im Handel. Dort ist am meisten geholfen worden, und das zeigt auch – und das wissen Sie –: Dort, wo am meisten geholfen wird, Herr Minister Kocher, das wissen Sie aufgrund Ihrer evidenzbasierten Arbeit, dort, wo am meisten geholfen wurde, sind auch die Insolvenzen am stärksten zurückgegangen. Daher brauchen wir etwas ganz anderes. Die Experten (Zwischenrufe der Abgeordneten Hörl und Pfurtscheller– ich weiß nicht, ihr zählt ja nicht zu den Experten – sagen ja, dass eine Insolvenzwelle auf uns zukommen wird. Was ist denn, Kollegin Götze, wenn die Stundungen auslaufen? Dann hat man eine Lawine vor sich! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ihr habt es noch nicht begriffen. Hört einfach den Experten zu! Diese Insolvenzwelle wird auf uns zu­kommen.

Daher brauchen wir drei wichtige Punkte, und jetzt ginge es noch einmal um die Part­nerschaft, um das Gemeinsame, um die Konstruktivität. Diese drei Punkte erwähne ich schon seit Oktober; bei euch heißt es dann einfach, gesagt ist noch lange nicht gehört – ihr wollt es auch nicht hören.

Diese drei Punkte sind: Wir müssen das Eigenkapital stärken – ein wichtiger Punkt –, vielleicht auch mit einer Aufwertungsbilanz. Der zweite Punkt ist: Wir brauchen Beteil­igungsfonds, wir müssen eine steuerliche Erleichterung für Risikokapital herbeiführen. Nicht der Staat soll sich irgendwo beteiligen, sondern wir sollten diesen Privaten ermög­lichen, mit einer KESt-Endbesteuerung zum Beispiel einen Beteiligungsfonds zu grün­den. Das Dritte ist: Wir brauchen ein modernes Insolvenzrecht nach dem Modell Chapter 11. (Beifall bei den NEOS.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Wir brauchen auch da die Beteiligung des Bundes. Die Banken beteiligen sich, der Arbeitgeber beteiligt sich natürlich, der Unternehmer beteiligt sich, aber auch der Bund muss sich daran beteiligen, wenn es darum geht, Nachlässe im Fall einer Insolvenz zu geben, was die Steuerstundungen, was die Sozialversicherungsbeiträge betrifft, nämlich - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf um den Schlusssatz bitten!

Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Ja, danke; es gibt noch eine Zugabe, Herr Präsident. (Heiterkeit bei den NEOS.)

Es ist nämlich das Wichtigste, und das muss ich schon auch noch betonen: Die Arbeit­geber schaffen diese Arbeitsplätze, und je mehr Insolvenzen es gibt, umso mehr Arbeitslose werden wir haben. Das ist ein wichtiger Punkt, den dürfen Sie nicht ver­gessen. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die folgenden Redner darauf aufmerksam machen, dass es eine wirklich fixe Redezeit gibt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Kocher. Auch für ihn gilt eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.