10.47

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Ja, Kollegin Blimlinger hat es natürlich ganz richtig gesagt: Das Gesetz ist wichtig. Es kommt spät, aber diesen Vorwurf kann ich Ihnen (in Richtung Bundes­ministerin Edtstadler) natürlich nicht machen, ganz im Gegenteil: Wir sind sehr froh, dass Sie dieses Gesetz jetzt vorbereitet haben. Ich bin auch dankbar für die Gespräche, die wir davor geführt haben – ich glaube, das war sehr wichtig. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir mit manchen dieser Dinge als Republik Österreich spät kommen, aber es ist gut, dass es jetzt beschlossen wird.

Richtigerweise wurde auch gesagt, es ist ein Gesetz, das in die Zukunft gerichtet ist – was aber nicht heißt, dass wir nicht trotzdem unsere Verantwortung haben, das ist ja auch angesprochen worden. Die nächsten Generationen müssen immer wieder die Vergangenheit lernen, weil das auch für uns so wichtig ist.

Wichtig ist auch ein weiterer Punkt, der angemerkt wird, nämlich der Dialog der Religio­nen; ich glaube, dass auch dieser wirklich wichtig ist. Das gegenseitige Abwerten von Religionen ist auf jeden Fall falsch. Deren Anhänger haben sich innerhalb der Gesetze zu bewegen, aber wenn das der Fall ist, dann haben wir natürlich den entsprechenden Respekt gegenüber den Religionen auszudrücken.

Ich möchte diesmal ganz bewusst nicht ein Buch eines Menschen, der Auschwitz oder eines der anderen Konzentrationslager überlebt hat, bringen, sondern ich habe eines von Topsy Küppers mitgebracht, und zwar deswegen, weil ich sie vor Kurzem im Radio ge­hört habe. Sie wird in wenigen Monaten 90 Jahre alt und sie hat vor Kurzem ein Buch heraus­gebracht, das „Nix wie Zores!“ heißt. (Der Redner hält das genannte Buch in die Höhe.)

Blicken wir auf das Leben von Topsy Küppers – auch das ist wichtig –: Sie wurde 1931 in Aachen geboren. Warum hat sie überlebt? – Weil sie mit ihrer Mutter nach Holland fliehen konnte und dort auf Menschen gestoßen ist, die sie beschützt haben, die sie versteckt haben. Sie wissen, in den Niederlanden war es damals ein Österreicher, es war Seyß-Inquart, der dort Reichskommissar war. Das heißt, egal, wo wir hinschauen, wir werden immer wieder auf unsere Geschichte gestoßen.

In diesem Buch sind sehr viele witzige Dinge enthalten, und weil es so gut passt – ich möchte hier niemanden beleidigen, aber es ist ja wirklich witzig, deswegen muss ich es sagen –, möchte ich eine Passage erwähnen. Sie schreibt nämlich: „Wenn Politikerinnen zum TV-Interview geladen werden, ist ihr erster Satz: ,Vielen Dank für die Einladung!‘“ et cetera.

„Und wieso merken Politiker und Politikerinnen nicht, wie lächerlich sie sind, wenn sie sich bei Journalisten einschleimen?“

Wie gesagt, das schreibt Topsy Küppers. – Schöne Grüße von ihr.

Ein wichtiger Punkt in dieser Gesetzesvorlage ist natürlich auch der Schutz jüdischer Einrichtungen, und da sind wir beim Thema Antisemitismus; das ist ja auch ange­sprochen worden. Dazu möchte ich schon ernst sagen: Ich hatte eigentlich gehofft, dass mit Jörg Haider die Zeit vorbei ist, in der es Politiker gibt, die einfach nur einen jüdischen Namen aussprechen und damit etwas auslösen wollen. Als das Ibizavideo heraus­gekommen ist und Herr Kurz Silberstein gesagt hat, fand ich das schon schrecklich. Ich glaube, wir müssen auch darauf achten, denn es gibt so viele Formen und so viele Möglichkeiten, nicht unbedingt selbst Antisemit zu sein, es aber zu befördern. Diese Sensibilität können wir, glaube ich, von jedem erwarten – und von jedem Politiker und von jeder Politikerin erst recht! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.)

Noch ein wichtiger Satz: Ich glaube, wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Schoah etwas Einmaliges ist. Es hat natürlich auch andere Genozide gegeben, aber was es nie wieder gegeben hat, war dieses einmalige Vorhaben, alle Menschen – um in dieser Sprache zu bleiben – bewusst auszurotten. Das war damals der Fall, und das dürfen wir auch nie vergessen, das müssen wir weitersagen. Wie gesagt, Topsy Küppers und viele andere haben überlebt, weil es Menschlichkeit gab.

In diesem Zusammenhang möchte ich jetzt noch einen Bogen zu heute spannen: Im letzten Außenpolitischen Ausschuss haben wir wieder über Flüchtlinge gesprochen, und Kollegin Kucharowits hat gesagt: Jetzt reden wir doch einmal untereinander, ob wir da nicht helfen können! Ich habe gesagt: Danke für die Anregung. Wenn wir in einem Ausschuss sitzen – und das ist, glaube ich, auch für die Zuseherinnen und Zuseher wichtig –, ohne Öffentlichkeit, können wir vielleicht doch offen miteinander diskutieren. Kollege Leichtfried ist auch darauf eingestiegen und hat gesagt: Reden wir darüber! Es gibt Familien in Österreich, die helfen wollen, und dort gibt es Familien, die dringend Hilfe brauchen. Vielleicht finden wir eine einfache, menschliche Möglichkeit, diese zu­sammenzubringen. Man kann ja dagegen sein – was ich schrecklich finde, aber im­merhin –, aber dass wir nicht einmal darüber reden, dass wir im Ausschuss nicht einmal darüber reden, wie wir im Kleinen Menschen helfen können, das fand ich dann doch enttäuschend. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Ich darf noch etwas zum Parlamentarismus sagen: Überlegen wir uns doch einmal, vielleicht in einer kleinen Gruppe, ob es nicht Möglichkeiten gibt, dass sich Menschen zusammensetzen, um da etwas bewegen zu können! Ich glaube, das ist auch unsere Aufgabe, das ist unser Auftrag. Und gerade wenn wir heute über Vergangenheit und Zukunft reden, reden wir doch bitte auch über Menschlichkeit und über die Form von Menschlichkeit, mit der wir miteinander durchaus etwas bewegen könnten. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister Edtstadler ist zu Wort gemel­det. – Bitte.