10.57

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Mit der Reichspogromnacht am 9. November 1938 begann die sichtbare Zerstörung jüdischen Lebens in Österreich. Synagogen, Friedhöfe, Ge­schäfte, Wohnungen wurden zerstört, niedergebrannt oder geplündert. Menschen wurden angegriffen, verletzt, verfolgt und letztendlich ermordet. Jahrzehntelang gereifter Antise­mitismus zeigte darin seine hässlichste Fratze. Die Schoah ist bis heute der größte Angriff auf jüdisches Leben in ganz Europa, auch in Österreich. Während in der Ersten Republik rund 200 000 Juden und Jüdinnen in Österreich lebten, sind es heute geschätzt nur mehr in etwa 10 000 bis 15 000. Die Ermordung und Vertreibung der Juden und Jüdinnen durch die Nationalsozialisten wirkt bis heute nach.

Seit September 2020 sind Nachkommen von emigrierten Juden und Jüdinnen einge­laden, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, dem heute ein weiterer folgt – in der Verantwortung und Anerkennung der Opfer und ihrer Rechte bis in die heutige Generation, und das ist gut und richtig und wichtig. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Engelberg.)

Dennoch: Dass es 76 Jahre nach Ende des Holocaust immer noch nicht selbstver­ständlich ist, dass die jüdische Bevölkerung in Österreich gefahrlos leben kann, sehr geehrte Damen und Herren, das ist wirklich bezeichnend. Man muss sich das einmal vorstellen: Jüdische Einrichtungen, ja sogar Kindergärten und Schulen müssen rund um die Uhr gesichert werden, damit es nicht zu gewalttätigen Übergriffen kommt!

Es ist schon angesprochen worden, der Antisemitismusbericht weist darauf hin, dass es wieder vermehrt zu antisemitischen Übergriffen kommt. Die Coronakrise und die Pro­teste dagegen führen zu einem eklatanten Anstieg von antisemitischen Verschwörungs­theorien. Das macht die Dringlichkeit, Antisemitismus aktiv zu bekämpfen, deutlich sicht­bar.

Der Nationale Aktionsplan ist dabei ein wichtiger erster Schritt. Wer aber, sehr geehrte Damen und Herren, über Antisemitismus spricht, darf zu Rechtsextremismus nicht schweigen, und wir fordern auch jetzt wieder, dass der im Regierungsprogramm ver­ankerte Nationale Aktionsplan gegen Rechtsextremismus endlich umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Setzen wir heute in unserer historischen Verant­wor­tung gemeinsam ein Zeichen, indem wir für die Absicherung unseres österreichischen jüdischen Kulturerbes aufstehen. Das ist ein kleiner Akt der Wiedergutmachung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Drozda. – Bitte.