14.54

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwälte! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Werte ZuseherInnen! Der Volks­anwaltschaftsbericht aus dem Jahr 2019 mit dem Titel „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung“ zeigt das auf, worüber wir hoffentlich mittler­weile alle Bescheid wissen.

Die Hauptprobleme, die im Bericht skizziert werden und an denen wir Grüne nun schon seit einem Jahr intensiv arbeiten, wurden auch von der BürgerInneninitiative, die wir im letzten Oktober hier behandelt haben, angesprochen. Die Kritik der BürgerInneninitiative bezieht sich auf die Kriterien, anhand derer die PVA Menschen mit Behinderungen Arbeitsfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeit attestiert.

Menschen mit Behinderungen – das geht aus dem Bericht hervor und wurde von einigen KollegInnen schon erwähnt – wird sehr schnell nach dem Verlassen der Schule die Arbeitsunfähigkeit attestiert. Damit werden ihnen weitere Chancen am Arbeitsmarkt verbaut.

Die Folgen sind der Besuch von Tageswerkstätten und Taschengeld statt Lohn. Zwar sind die Menschen dort unfallversichert, sie haben aber keine eigene Sozialver­siche­rung, keine eigene Pensionsversicherung und sie bleiben ein Leben lang BittstellerInnen im österreichischen System.

Die Durchlässigkeit der Tagesstrukturen ist dabei sehr gering. Lediglich ein Bruchteil der Menschen schafft es aktuell, diese zu verlassen und eine Arbeit am allgemeinen Arbeits­markt zu finden. Das muss sich ändern. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

Diese Kriterien orientieren sich ausschließlich am medizinischen Modell von Behinde­run­gen und nicht, wie von der UN-Behindertenrechtskonvention und uns Grünen gefor­dert, am sozialen Modell von Behinderungen. Dementsprechend bringen wir heute einen Selbständigen Entschließungsantrag ein, der sich an den Bundesminister für Soziales sowie an den Bundesminister für Arbeit wendet und unter anderem Folgendes beinhal­tet:

Die Feststellung der Arbeitsfähigkeit beziehungsweise Arbeitsunfähigkeit muss dem Paradigma des sozialen Modells entsprechen. Das bedeutet, die Kompetenz der ein­zelnen Person muss im Vordergrund der Begutachtung stehen und auch bestehende Unterstützungsstrukturen müssen mitgedacht und mitgeplant werden. Das bedeutet aber auch, dass die Feststellung einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einer Person nicht vorgesehen ist.

Im Frühjahr 2019 wurde auf Anregung des ATF-Beirats eine Studie zur Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit von Menschen mit Behinderungen in Auftrag gegeben. Sie ist an der Uni Klagenfurt in Auftrag gegeben worden und soll voraussichtlich im Herbst 2021 fertiggestellt werden. Aufbauend auf diese soll möglichst bald ein Gesamtkonzept zur Umsetzung dieser Maßnahmen erstellt werden.

Ich freue mich schon, diesen Antrag mit Ihnen allen im nächsten Ausschuss für Arbeit und Soziales zu diskutieren. Werte KollegInnen der Opposition: Das ist ein sehr kom­plexes Thema, wie Kollegin Grünberg schon gesagt hat, und wir werden das in diesem Ausschuss diskutieren. Deswegen bringen wir den Antrag auch so ein: damit wir ihn dann gemeinsam diskutieren können.

In der Arbeitsstiftung wurden auf Druck der Grünen Menschen mit Behinderungen auf­genommen und besonders berücksichtigt. Hierzu freue ich mich, bald vom zuständigen Arbeitsminister mehr darüber zu erfahren. Gesamt lässt sich aber eines festhalten: Die Stereotype über Menschen mit Behinderungen sitzen tief in den Köpfen der Menschen in Österreich.

Wenn Menschen ohne Behinderungen sich nicht vorstellen können, dass Menschen mit Behinderungen inklusiv beschult werden, danach eine Lehre machen, eine Ausbildung machen, Studiengänge besuchen und erfolgreich abschließen, politische Positionen besetzen, eine Firma gründen und so weiter, dann ist es meiner Meinung nach unter anderem unsere Aufgabe, hier von Best-Practice-Beispielen zu berichten, sie zu fördern und auszubauen, damit sie sich vorstellen können, was andere schon lange wissen und sehen.

Nehmen wir den Unternehmern die Angst vor der Verantwortung, Menschen mit Behin­derungen einzustellen! Die Beratungsstelle Wibs aus Innsbruck – das ist eine Bera­tungsstelle von Menschen mit Lernschwierigkeiten für Menschen mit Lernschwierig­keiten – hat schon vor vielen Jahren gesagt: „Den größten Teil der Verantwortung können Sie ruhig Menschen mit Behinderungen überlassen“. Wir aber müssen ihnen die Chance geben, diese Verantwortung auch wahrnehmen zu können! Ich habe auch heute wieder eine Liste mit Best-Practice-Beispielen mitgenommen; sie liegt bei mir hinten am Platz. Wieder einmal lade ich Sie auch ein: Kommen Sie auf mich zu! (Prä­sident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch meinen Dank an die Volksanwälte aus­sprechen, die mit ihrem wichtigen Bericht und Einsatz für Menschen mit Behinderun­gen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass wir immer wieder darüber diskutieren, denn das ist in unserem Land noch immer notwendig. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.59