12.36

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mit­glieder der Bundesregierung! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit einem Telefonsymbol und der Aufschrift „Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800222555“, „www.gewaltschutzzentren.at“, „Polizei: 133“ auf das Rednerpult.) Sie hätten Ihre Meinung zum vergangenen Wochen­ende in einer 128. Pressekonferenz kundtun können. (Abg. Wöginger: Die SPÖ ver­teidigt das!) Heute ist Weltfrauentag, und Sie haben heute nur 7 Minuten für die Frauen übriggehabt. Das ist respektlos! (Abg. Michael Hammer: Schlechte Abschiedsrede als Frauenchefin! – Abg. Wöginger: Das ist überhaupt nicht wahr!) – Herr Kollege, genauso respektlos ist es, dass es bei unserer Erstrednerin Pamela Rendi-Wagner hier einen Lärmpegel gab, der seinesgleichen sucht. (Abg. Michael Hammer: Es ist gut, wenn Sie als Frauenchefin abdanken! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.) – Ja, ja. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche allen Frauen, die heute zuschauen (Zwischenrufe bei der ÖVP) – egal ob sie im Homeoffice sind, egal ob sie gerade mit ihren Kindern lernen, weil sie daheim sind; vielleicht sind Sie auch arbeitslos, liebe Frauen, vielleicht betreuen Sie gerade Ihre behinderten Kinder zu Hause –, einen wun­derbaren Weltfrauentag 2021! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

So wunderbar ist dieser Frauentag aber nicht, denn, Herr Bundeskanzler, von der Hoffnung allein können die Frauen nicht leben. Der Hoffnung, die Sie gerade bemüht haben, müssen Taten folgen. Die haben wir von Ihnen nicht gesehen, die haben wir von der Frauenministerin, die sich so ein bisschen in einem Dämmerschlaf befindet und jedes Mal die Heldinnen dieser Krise lobt, nicht gesehen. Wo sind die Taten, Frau Ministerin? Wir haben genug zu tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, wenn Ihr Mantra: Wir sind besser, wir sind moderner, wir sind schneller!, ist, so hat sich dieses Mantra längst überholt. Wir sind nicht besser, nicht schneller und nicht moderner, was Ihr Rollenbild, Ihr Frauenbild anlangt und was die Maßnahmen für Frauen in diesem Land betrifft.

Herr Bundeskanzler, wenn Sie wirklich Mut hätten – so wie Sie es schon einige Male getan haben, als Sie gesagt haben: Jetzt mache ich das zur Chefsache, jetzt will ich, dass es schneller geht! –, dann hätten Sie zu Arbeitsminister Martin Kocher sagen können: Martin, wir schnüren jetzt ein Arbeitsmarktpaket für Frauen, das für die nächsten drei Jahre sicherstellt, dass Frauen aus der Coronaarbeitsstiftung die Hälfte bekommen! (Abg. Pfurtscheller: Das hat er ja!) Warum drei Jahre, Martin? Wenn man eine Ausbildung macht, die zwei bis drei Jahre dauert, dann muss man auch von etwas leben können, dann müssen diese Frauen Schutz und die Möglichkeit auf ein Einkommen haben. (Abg. Michael Hammer: Warum regen Sie sich so auf?)

Wenn Frauen aber teilzeitbeschäftigt waren und 55 Prozent vom Teilzeitbeschäfti­gungs­gehalt als Arbeitslosengeld bekommen – Herr Bundeskanzler, Sie leben sicher anders –, dann sagen Sie mir bitte, wie diese Frauen mit ihren Kindern, wenn sie alleinerziehend sind, durchkommen sollen.

Wenn Sie den Bereich der Pflege zur Chefsache machen würden, dann hätten Sie Kollegen Anschober angerufen – der ist nämlich heute nicht da –: Rudi, machen wir doch endlich etwas für die Pflege! Schauen wir doch, dass wir Arbeitsplätze im Bereich der Pflege schaffen! – Sie telefonieren doch so gerne.

Sie hätten auch gerne den Herrn Finanzminister anrufen können und sagen können: Gernot, machen wir endlich ein Konjunkturpaket für Frauen, ein Konjunkturpaket, das wirklich hilft! (Beifall bei der SPÖ.)

Chefsache könnte auch sein, Heinz Faßmann, dem Bildungsminister, zu sagen: Wo sind die Laptops für die Kinder in diesem Land? Wieso haben noch nicht alle Schülerinnen und Schüler die Ausstattung, die sie brauchen?

Sie könnten auch mit Leonore Gewessler reden, Herr Bundeskanzler, und sagen: Wir brauchen einen New Deal im ländlichen Raum, genau für die Frauen! (Abg. Michael Hammer: Sagt die ehemalige Frauenministerin ...!) – Das wären Maßnahmen. Wir müssen die Mobilität ausbauen. Das 1-2-3-Ticket ist gut und schön, aber die Frauen müssen ja auch von A nach B kommen, wenn sie einen Arbeitsplatz annehmen wollen. Die Frauen müssen ab dem ersten Geburtstag ihrer Kinder auch einen Rechtsanspruch darauf haben, dass die Kinder gut in einer ganztägigen Schulform oder in einer anderen Bildungseinrichtung untergebracht sind. Da müssen Sie wieder Heinz Faßmann und die Landeshauptleute anrufen.

Ich glaube, die 350 Millionen Euro für Waldbesitzer – und womöglich -besitzerinnen – waren eine gute Sache, noch besser aber wäre, an Elli Köstinger zu appellieren und zu sagen: Nehmen wir noch einmal 350 Millionen Euro dazu und bauen wir den ländlichen Raum aus!, denn genau dieses Geld bekommen wir jetzt von der EU, wenn wir inno­vative Projekte anteasen, diese 3,3 Milliarden Euro. Da könnten wir schon einiges für die Frauen in Bewegung bringen. Auch das steht im Antrag. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: ... Wählervertreibung ...!)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie könnten aber auch an den Innenminister ap­pellieren und sagen: Karl, die Sicherheit von Frauen in diesem Land geht vor! (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker.) – Herr Bundeskanzler, wissen Sie überhaupt, dass die Polizei Frauen teilweise wegschickt, wenn sie hingehen und Anzeige erstatten wollen – weil keine Zeit ist oder weil sonst irgendetwas ist? Wo ist denn das Sicherheitskonzept? Wo ist denn die Täterarbeit? Wo ist denn das, was notwendig ist: die Prozessbegleitung?

Sie könnten auch die neben Ihnen sitzende Frauenministerin adressieren und sagen: Budgets erhöhen ist gut, aber, Susanne, machen wir doch endlich auch ein Gewalt­schutzpaket, das sich die Frauen verdient haben! – Es wären nämlich die 200 Millionen Euro, zu denen uns eigentlich der Europarat – wir haben unterschrieben – verpflichtet hat, damit wir häusliche Gewalt zurückdrängen, damit wir Prävention machen.

Ich habe das alles heute nicht von Ihnen gehört. Sie sagen: das Prinzip Hoffnung, danke, die Heldinnen und klatsch, klatsch. – Das ist zu wenig, Herr Bundeskanzler! Ent­schul­digen Sie, das ist zu wenig! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie könnten aber auch die Wirtschaftsministerin kontaktieren und sagen: Margarete (Rufe bei der ÖVP: Hallo! Hallo! – Heiterkeit bei der ÖVP), wir machen jetzt ein Paket, das sich gewaschen hat! – Wir brauchen nämlich für die Frauen, die im Homeoffice arbeiten, das Breitband vor der Tür. Wir müssen da schneller werden. Wir müssen den Frauen die Möglichkeit geben, daheim überhaupt arbeiten zu können. 5G soll keine Fantasie bleiben.

Und so könnte ich auch kulturschaffende Frauen nennen. Frau Staatssekretärin Mayer bemüht sich sehr, da könnte man aber auch noch mehr tun, wenn Sie es zur Chefsache machen würden. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

So viel Chef sind Sie aber nicht, Herr Bundeskanzler, sonst hätten Sie heute, am Weltfrauentag, den Frauenthemen nicht nur 7 Minuten gewidmet. Das ist bürgerliche Frauenpolitik: Eigenverantwortung. (Beifall bei der SPÖ.) Liebe Frauen, wenn ihr es nicht schafft, wenn ihr die Betreuung nicht mehr packt, gebt die Kinder halt in die Schule! – Das ist nicht Frauenpolitik, wie wir sie verstehen. Es war respektlos von Ihnen, Herr Bundeskanzler, wie Sie heute die Zeit genutzt haben, um nicht – nicht! – über Frauen zu reden. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.43

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte.