10.48

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Das, was heute beschlossen wird, zeigt einmal mehr gut, dass die Regierung hochschulpolitisch ziemlich visionslos unterwegs ist. Diese Novelle ist ein Sammelsurium von verschiedenen Punkten, die im Laufe der letzten Jahre einge­bracht wurden – und das ist jetzt das Ergebnis.

Wir stimmen der Novelle im Ganzen nicht zu, einigen Punkten aber schon, weshalb wir da auch getrennte Abstimmung verlangt haben.

Zum Positiven: Unser Entschließungsantrag zum Ghostwriting wurde aufgegriffen und übernommen, das finden wir natürlich gut. Außerdem ist es wichtig, dass endlich eine ECTS-Gerechtigkeit in die Studien hineinkommt, das finden wir auch gut. Auch die Ein­trittstests für die Studierenden und das Universitätspersonal finden wir wichtig. Wir ha­ben seit Wochen darauf hingewiesen, dass endlich auch wieder mehr Präsenzlehre er­möglicht werden soll. Also auch bei diesem Antrag gehen wir mit.

Sonst weiß man aber de facto nicht, was Sie sich eigentlich von dieser Novelle verspre­chen – es fehlt der Mut, es fehlt die Vision. Sie sagen immer wieder, es ist ja nur eine kleine Novelle, aber Sie hätten hier die Gelegenheit und die Chance gehabt, wirklich geeignete Rahmenbedingungen für moderne Universitäten zu schaffen.

Wir hören immer wieder von Ihnen: Im internationalen Vergleich studieren die Studieren­den zu langsam, studieren die Studierenden zu wenig und schließen die Studierenden zu selten ihr Studium ab. – Ja, dann müssen Sie aber die Rahmenbedingungen verän­dern; es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass man zügig und erfolgreich studieren kann. Mit dieser Novelle schaffen Sie das sicherlich nicht.

Eines möchte ich klar ausdrücken, weil danach vermutlich gleich die ÖVP ausrücken und sagen wird, wir sind nicht für Verbindlichkeit: Wir sind ganz sicher für Verbindlichkeit im Studium, weil es einerseits um viel Steuergeld und andererseits auch um Lebenszeit von jungen Menschen geht. Was Sie aber vorschlagen – dieses Gezerre; Sie haben sich jetzt auf 16 ECTS-Punkte geeinigt –, ist eine Fantasiehürde. Aus einer Anfragebeant­wortung geht hervor, dass Sie überhaupt keine Ahnung davon haben, wie viele Studie­rende von diesen 16 ECTS-Punkten überhaupt betroffen sein werden. Sie vermischen mit Ihren No-Show-Vergleichen nämlich Studierende und prüfungsaktive Studien. (Bei­fall bei den NEOS.)

Ich weiß nicht, was Sie sich von dieser Regelung versprechen, aber sie hat mit Sicherheit keine Steuerungsfunktion, mit Sicherheit wird sich auch die Studienqualität nicht verbes­sern und mit Sicherheit werden dadurch auch nicht mehr Studien abgeschlossen – das sagen sogar viele Experten. Was uns gänzlich fehlt, ist, dass Sie auf die Lebensreali­täten von Studierenden eingehen: Weit über 60 Prozent der Studierenden sind berufstä­tig. Wir haben ein Teilzeitstudium vorgeschlagen – das haben Sie nicht aufgegriffen – oder ein endlich ausgebautes begleitendes Stipendienwesen, das seinen Namen auch wirklich verdient, damit nicht so viele Studierende arbeiten müssen und sie sich voll auf das Studium konzentrieren können.

Für moderne Universitäten braucht es Zugangsregelungen, eine ausreichende Studien­platzfinanzierung, die Aufstockung und Sicherstellung von Drittmitteln – ich erinnere zum Beispiel an den Fonds Zukunft Österreich – und natürlich auch nachgelagerte Studien­gebühren, weil genau die zum Beispiel die Verbindlichkeit im Studium erhöhen würden. (Beifall bei den NEOS.)

Mit Ihrer Novelle – Herr Kollege Taschner hat es ja ganz offen gesagt – werden die Uni­versitäten im Mittelfeld bleiben und sich nicht weiter nach oben verbessern – das ist auch eine Ansage. (Abg. Taschner: Nein, nein!) Wir stimmen dieser Novelle nicht zu.

Ich möchte jetzt folgenden Antrag einbringen, der auf die Kettenverträge abzielt, weil es auch dazu sehr, sehr viel Kritik gibt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung der Neuregelung des § 109 – Kettenverträge“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, die Auswirkungen der Novellierung des § 109 Universi­tätsgesetz auf die Karriereentwicklung von Forscher_innen und Lehrpersonal im Zusam­menhang mit den Universitäten zu evaluieren und dem Nationalrat spätestens acht Jahre nach Inkrafttreten der Regelung (am 1. Oktober 2021) einen Bericht über die Ergebnisse vorzulegen.“

*****

(Beifall bei den NEOS.)

10.52

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Evaluierung der Neuregelung des § 109 - Kettenverträge

eingebracht im Zuge der Debatte in der 89. Sitzung des Nationalrats über – TOP 1

Die Reform des § 109 Universitätsgesetz, die sogenannte "Kettenvertragsregelung", war seit Jahren überfällig. Kritik an der bisherigen Regelung wurde sowohl von den Arbeit­nehmer_innen als auch von den Universitäten geäußert. Erstere kämpften oftmals mit prekären Arbeitsverhältnissen, für letztere war die Situation in vielen Fällen zu unflexibel. Zudem war die bisherige Unterscheidung zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung bei der Gesamtdauer unmittelbar aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse europarecht­lich problematisch.

Ein einstimmig beschlossener Entschließungsantrag der Abgeordneten Claudia Gamon, Kolleginnen und Kollegen (466/A(E), XXVI. GP) zielte daher auf eine Novellierung der Kettenverträge ab. Diese Entschließung wird nun in der vorliegenden Novelle des Uni­versitätsgesetzes umgesetzt. Künftig können Arbeitsverhältnisse auf bestimmte Zeit grundsätzlich nur mehr einmalig bis zu einer Dauer von höchstens sechs Jahren befristet werden. Eine zweimalige Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse von Personen, die dem wissenschaftlichen oder künstlerischen Universitätspersonal angehören, ist bis zu einer Gesamtdauer von acht Jahren möglich. Unbeschadet der zulässigen Gesamtdauer von acht Jahren werden Arbeitsverhältnisse, die überwiegend zur Durchführung von Drittmittel- oder Forschungsprojekten abgeschlossen werden, bei der Feststellung der höchstzulässigen Anzahl von befristeten Arbeitsverhältnissen nicht berücksichtigt. Bei Lehrpersonal ist eine mehrmalige Verlängerung innerhalb von acht Studienjahren mög­lich. Zeiten als studentischer Mitarbeiter/studentische Mitarbeiterin bleiben für die höchstzulässige Gesamtdauer und die höchstzulässige Anzahl der Arbeitsverhältnisse unberücksichtigt, genauso wie die ersten vier Jahre eines Doktoratsstudiums.

Während das Ziel der Neuregelung des § 109, nämlich die Zurückdrängung prekärer Arbeitsverhältnisse an den Universitäten, weitestgehend begrüßt wurde, wurde insbe­sondere von Lehrbeauftragten und Forscher_innen mehrfach stark kritisiert, dass der Acht-Jahres-Deckel de facto einem lebenslänglichen Berufsverbot an einer Universität gleich käme. Je nach Fachgebiet könnte dies sogar dazu führen, dass gewisse Forsche­r_innen dem Standort Österreich komplett abhanden kämen - es sei denn, die Univer­sitäten böten künftig vermehrt unbefristete Verträge an. Es sei jedoch den Kritiker_innen zufolge nicht ersichtlich, inwiefern die Verstetigung von Arbeitsverhältnissen durch diese Novelle vorangetrieben werden könne, wo unbefristete Verträge an den Universitäten bereits jetzt Mangelware seien. Verstärkter Brain Drain aufstrebender Nachwuchsfor­scher_innen und Rückschläge für den Kompetenzaufbau an den Universitäten wurden in den Stellungnahmen mehrfach als potenzielle Folgen der Neuregelung genannt.

Im vorliegenden Gesetzesentwurf wurden mehrere Neuerungen als Reaktion auf diese Kritik aufgenommen. Zum einen wurden Übergangsregelungen geschaffen, zum ande­ren wurde die Entwicklung von Karrierepfaden als eine der wesentlichen Aufgaben der Universitäten definiert und in den Leistungsvereinbarungen ergänzt. Inwiefern diese gut gemeinten Regelungen den befürchteten Brain Drain wirklich aufhalten können, wird sich aber erst weisen. Aus diesem Grund wäre es hilfreich zu evaluieren, wie sich die Karrierewege von Forscher_innen und Lehrbeauftragten nach der Reform des § 109 verändern werden. Es soll daher eine Evaluierung inklusive Berichtspflicht an den Natio­nalrat - ähnlich wie bei der neu eingeführten Mindeststudienleistung - gesetzlich veran­kert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, die Auswirkungen der Novellierung des § 109 Universitäts­gesetz auf die Karriereentwicklung von Forscher_innen und Lehrpersonal in Zusammen­arbeit mit den Universitäten zu evaluieren und dem Nationalrat spätestens acht Jahre nach Inkrafttreten der Regelung (am 1. Oktober 2021) einen Bericht über die Ergebnisse vorzulegen."

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Faßmann. Ich darf ihm das Wort erteilen.