9.18

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Da­men und Herren im Hohen Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die diese Sitzung heute zu Hause vor den Bildschir­men verfolgen! Wir haben heute in der Aktuellen Stunde tatsächlich ein Thema, das nicht aktueller sein könnte: „Mit Klimaschutz aus der Krise“. Das ist ein guter Titel für eine der großen, und zwar wirklich großen, Herausforderungen, die im Moment vor uns stehen.

Es ist uns allen klar: Die Pandemie ist noch nicht vorbei, wir haben noch einiges vor uns. Sie bestimmt noch unser Leben, sie fordert uns noch im Alltag, aber wir halten zusam­men, wir kommen da durch – mit Durchhalten und Durchimpfen. Aber – auch das ist allen hier im Raum sehr bewusst – die Pandemie hat zu globalen wirtschaftlichen Aus­wirkungen, zu einem großen wirtschaftlichen Einbruch – den größten seit Jahrzehnten – geführt.

Viele Menschen, auch in Österreich, sind verständlicherweise um ihren Arbeitsplatz, um ihre Zukunft und um ihre wirtschaftliche Situation besorgt. Wir sind mitten in einer Wirt­schafts- und Arbeitsmarktkrise, es liegen enorme Aufgaben vor uns. Wir wissen, mit dem Fortschreiten der Impfungen wird es wieder bergauf gehen, wir wissen aber auch, dass sich das nicht von allein tut – das Bergaufgehen tut sich nicht von allein.

Es liegt an uns, den Weg aus dieser Krise zu gestalten. Es liegt an uns, diesen Weg aktiv zu planen. Es liegt an uns, werte Damen und Herren, an uns allen hier in diesem Raum, den Menschen in unserem Land Perspektive zu geben, Mut zu machen und auch selbst Mut am Weg aus dieser Krise zu beweisen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Auf dem Weg aus dieser Krise werden wir klug investieren und dadurch für sichere Ar­beitsplätze sorgen, für eine stabile Wirtschaft sorgen, aber auch für eine gute Zukunft auf unserem Planeten und in unserem Land. Wir stellen jetzt Weichen für die Zukunft, eine Zukunft nach der Pandemie, aber eine Zukunft, die Österreich auch verändern wird, die Österreich zu einem noch schöneren Land, zu einem noch klimafreundlicheren Land machen wird; eine grüne, eine lebenswerte Zukunft, ein Comeback für Österreich, das uns vor allem mit mehr Klimaschutz gelingt. Klimaschutz ist das beste Konjunkturpaket. Klimaschutz schafft heute die Arbeitsplätze von morgen. Klimaschutz ist ein Weg der Veränderung zu einem besseren Land, der Weg der Veränderung, der uns Sicherheit geben wird, der uns Halt geben wird. Klimaschutz ist der Weg in die Zukunft. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Auch ich möchte kurz auf einige wichtige Punkte eingehen: Die europäische Aufbau- und Resilienzfazilität, RRF im Vollen, der Wiederaufbaufonds, ist tatsächlich ein zentra­ler Baustein für das grüne Comeback in Europa, aber auch in Österreich. Wir als Bundes­regierung haben deswegen in den vergangenen Monaten sehr viel Zeit investiert, auch in intensiven Gesprächen mit der Kommission, damit uns die Umsetzung in Österreich gut und erfolgreich gelingt. Wir haben diesbezüglich ein wirklich gutes Paket vorgelegt, denn wir übertreffen die Ziele der EU im Bereich Klimaschutz deutlich, auch im Bereich der Digitalisierung. Mit 46 Prozent der Mittel, die in den Klimaschutz gehen – 100 Pro­zent der Mittel, die dem Do-no-significant-Harm-Prinzip folgen –, geht in Österreich ein gewichtiger Schub an Finanzmitteln in den Klimaschutz. Darauf können wir stolz sein, auch im europaweiten Vergleich. Das Ziel aber ist das eine, das Schöne sind die wirklich ganz konkreten Projekte, an denen wir Klimaschutz in unserem Land sehen und spüren werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was sind das für Projekte? – In der RRF investieren wir in saubere Busse in unserem Land. Wir haben derzeit noch 5 400 Dieselbusse in Österreich herumfahren. Diese wer­den wir sukzessive auf saubere, emissionsfreie Busse, auch im Sinne der Clean-Ve­hicles-Directive, der CVD-Richtlinie, umstellen. Das sind über 250 Millionen Euro, die in einen sauberen, in einen umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr gehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir führen einen Reparaturbonus für ganz Österreich ein. Das ist ein Projekt, das auch im Hohen Haus, im Umweltausschuss, schon mehrfach diskutiert wurde – jetzt kommt es. Ein sparsamer Umgang mit unseren Ressourcen ist gerade für den Erhalt unserer Umwelt, für eine intakte Natur, für den Schutz unseres Klimas von enormer Bedeutung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Die Grundidee ist ganz einfach: Wer künftig in Österreich repariert anstatt wegzuwerfen, wird auch finanziell profitieren. 130 Millionen Euro gehen in diese Maßnahme. Mit einem Reparaturbonus für bis zu 50 Prozent der Reparaturkosten von bis zu 200 Euro machen wir es möglich, in diese Kreislaufwirtschaft, in diese Reparaturwirtschaft, auch ganz konkret in lokale Reparatur­betriebe zu investieren. Einige Bundesländer haben schon vorgezeigt, wie das geht, wir setzen das jetzt bundesweit um. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir werden den Biodiversitätsfonds für mehr Artenvielfalt in Österreich um 50 Millionen Euro aufstocken. Das ist ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt, denn der Erhalt unserer Artenvielfalt ist unsere Lebensgrundlage. Eine intakte Natur ist unsere Lebensversicherung, die Basis, die wir brauchen, damit wir gesund leben können. Ge­sundes Wirtschaften, gesundes Leben ist nur auf einem gesunden Planeten möglich. Mit diesem zusätzlichen Geld investieren wir in den Schutz von Flächen, in die zusätzliche Außernutzungstellung. Wir werden Pilotprojekte zur Entsiegelung umsetzen, ein bun­desweites Biodiversitätsmonitoring einführen – ein Thema, das gerade in der Zivilgesell­schaft enorm wichtig ist –, in Gemeinden konkrete Projekte fördern, unsere Artenvielfalt fördern, Österreich, vielleicht ganz wörtlich, auch wieder zum Blühen bringen.

Wir sorgen mit 100 Millionen Euro ganz gezielt dafür, dass unsere Industrie klimafreund­licher wird. Der Umstieg auf klimafreundliche Produktionsweisen in der Industrie ist tat­sächlich eines der Kernthemen. Ein Budget für die industrielle Transformation war auch im Parlament immer wieder Thema und wurde mehrfach gefordert. Wir setzen auch das jetzt um, denn es braucht ganz konkret Geld, um ganz konkrete Projekte mit Demonstra­tionscharakter zu fördern. Das betrifft insbesondere den Umstieg von Erdgas oder Kohle auf den Einsatz von grünem Wasserstoff oder Strom. Das sind Projekte in österreichi­schen Vorzeigebetrieben, an denen wir alle sehen werden können, wie Industrie der Zukunft ganz konkret ausschaut. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir bauen klimafitte Ortskerne: Auch das finde ich ein ganz wunderschönes Projekt, weil gerade die Gemeinden in der Coronapandemie enorm gefordert sind und waren. Gerade die Gemeinden sind aber zentrale Hebel, zentrale Mutmacher und Umsetzerinnen im Klimaschutz. Mit 50 Millionen Euro gehen wir in das Themenfeld klimafitte Ortskerne, zum Beispiel mit einem Bonus bei den thermischen Sanierungen im Ortskern, der dazu dienen soll, die Ansiedelung von Betrieben auch in kommunalen Zentren zu fördern, das heißt, die Ortskerne zu stärken und damit auch den Flächenfraß, die Zersiedelung ein­zudämmen.

Wir haben auch – gerade das ist für die Gemeinden wichtig – in den Nah- und Fernwär­mebetrieben einen großen Digitalisierungsschub vor. Wir fördern auch Klimawandelan­passungsprojekte in den Ortskernen, denn gerade die Ortskerne sind im Sommer immer stärker von der Hitze betroffen. Da geht es auch um Entsiegelungen, genauso wie um Fassadenbegrünungen. In ganz Österreich wird man klimafitte, grüne und vor allem le­bendige Ortskerne sehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir investieren in die Forschung: Auch das ist ein ganz wichtiger Schwerpunkt, For­schung und Entwicklung sind enorm wichtig, damit uns umfassender Klimaschutz ge­lingt. Deswegen fördern wir die beiden Ipcei-Projekte, europäische Projekte zum Thema Wasserstoff und Mikroelektronik, damit wir auch hier in Österreich wirklich aktiv an den Zukunftstechnologien forschen und uns an europäischen Projekten beteiligen.

Das waren jetzt die Projekte  meine Highlights  aus der RRF, wir haben aber Klima­schutz als Jobmotor, Klimaschutz als Weg aus der Krise natürlich in ganz vielen Pro­jekten, die wir gemeinsam auch im letzten Jahr schon auf den Weg gebracht haben: Ausbau der Bahn und des klimafreundlichen öffentlichen Verkehrs; wir haben 17,5 Mil­liarden Euro im ÖBB-Rahmenplan für den Ausbau der Bahn, noch einmal eine halbe Milliarde Euro in der RRF. Wir bauen Fahrradwege, wir treiben den Umstieg auf E-Mo­bilität voran und wir gehen da mit vielen Arbeitsplätzen in genau diesen Branchen, im Bau zukunftsfitter Infrastruktur und einer zukunftsfitten Zulieferindustrie voran. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Sanierungsoffensive wurde schon genannt: Sanieren ist eine der vernünftigsten Maßnahmen, sowohl wirtschaftlich als auch von der Arbeitsplatzdynamik her, oft disku­tiert, auch mit den Gewerkschaften. Die Rechnung ist aber ganz einfach: In gut isolierten Gebäuden lebt es sich besser. In unsanierten Gebäuden verschwenden wir wertvolle Energie. Das ist nicht nur teuer für den Einzelnen, das ist auch schlecht fürs Klima. Durch Sanierungen, durch den Tausch fossiler Heizsysteme in erneuerbare, saubere Heizsys­teme lösen wir nicht nur über 4,5 Milliarden Euro an Investitionen aus, sondern wir schaffen damit auch 64 000 – 64 000! – krisensichere, krisenfeste, klimafreundliche, re­gionale Arbeitsplätze. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, EAG – in Verhandlung im Parlament –, bedeutet nicht nur ein großes Investitionsprogramm mit rund 1 Milliarde Euro für den Ausbau der Erneuerbaren, sondern in den kommenden zehn Jahren auch umgerechnet 30 Milliar­den Euro an Gesamtinvestitionen. Wir schaffen und sichern mit dem EAG aber auch 70 000 Arbeitsplätze. Es ist also ein Eckpfeiler, und zwar nicht nur für den Klimaschutz, für die Energiewende, sondern auch für zukunftsfitte, klimafreundliche Arbeitsplätze. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Klimaschutz bedeutet aber nicht nur klug investieren – auch das ist hier im Hohen Haus vielfach diskutiert –, sondern vor allem auch reformieren, Reformen anstoßen. Genau das fordert ja auch die Europäische Kommission von uns, damit wir die Mittel aus der RRF bekommen. Wir haben da einiges an Reformprojekten eingemeldet.

Für den Weg aus der Krise mit dem Klimaschutz ist die ökosoziale Steuerreform einer der zentralsten Punkte in diesem Plan, denn Klimaschutz braucht auch immer gute Rah­menbedingungen, ein passendes Steuersystem, das für den Klimaschutz wirkt, sodass sich Klimaschutz für alle lohnt. Mit der ökosozialen Steuerreform – sie tritt mit dem 1. Quartal 2022 in Kraft – tun wir in diesem Jahr genau das. Wir machen damit – und nicht weniger ist die Aufgabenstellung – den Klimaschutz zu einem relevanten Faktor in unserem Steuersystem und sorgen dafür, dass klimafreundliches Verhalten günstiger ist und klimaschädliches Verhalten einen gerechten Preis bekommt. Und dafür ist die öko­soziale Steuerreform ein Kernprojekt, ein Kernreformprojekt aus der RRF. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ja, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind unbestritten groß – am Arbeits­markt und in der Wirtschaft genauso wie beim Schutz unseres Planeten. Genau des­wegen brauchen wir aber den Mut, den ich am Anfang angesprochen habe. Genau des­wegen müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass wir den Menschen in Österreich eine Perspektive auf sichere Arbeitsplätze, auf eine stabile Wirtschaft und vor allem auf eine klimafreundliche, auf eine lebenswerte Zukunft bieten.

Wir als Bundesregierung haben mit der RRF den Weg beschritten, vorgezeigt, demons­triert: Ja, wir wollen da Vorreiter sein, indem wir die EU-Ziele noch einmal deutlich über­treffen, indem wir 46 Prozent der Mittel in den Klimaschutz investieren. Genau das ist nämlich jetzt vernünftig, denn klug investieren bedeutet genau das und macht es mög­lich, dass wir diese beiden Krisen gemeinsam angehen  und gemeinsam können wir sie am besten lösen. Mit mehr Klimaschutz gibt es mehr sichere Arbeitsplätze. Das ge­hört zusammen, und genau das ist jetzt die Devise. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben ein Jahr der Weichenstellungen, wir sind in einer Zeit der Weichenstellungen. Wir stehen vor vielleicht historisch großen Aufgaben. Mein Ziel ist aber, dass wir in ei­nigen Jahren alle gemeinsam auf diese schwierige Zeit zurückblicken und dann auch mit Stolz sagen können: Wir haben sie gut bewältigt.

Wir haben die Gesundheitskrise gut bewältigt, wir haben die Arbeitsmarkt- und Wirt­schaftskrise gut bewältigt und wir haben am Weg in die Zukunft die richtigen Entschei­dungen getroffen.

Ich weiß, dass uns das gelingen kann. Ich weiß das, weil gerade an diesem Tag – ganz aktuell –, heute Nacht die Einigung auf ein neues europäisches Klimaziel gelungen ist, ein Klimaziel von mindestens 55 Prozent Emissionsreduktion, das viele von uns vor ei­nem Jahr für unmöglich, für undenkbar gehalten hätten. Ich weiß, dass es uns gelingen kann, wenn wir alle an einem Strang ziehen, wenn wir den Klimaschutz ins Zentrum stellen, wenn wir den Mut beweisen, den jetzige und zukünftige Generationen von uns fordern. Dafür, genau dafür gilt es jetzt zu arbeiten und genau dafür werde auch ich weiterarbeiten. Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.33

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmucken­schlager. Die Redezeit, das ist bekannt, beträgt nun 5 Minuten. – Bitte sehr.