12.27

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Gesundheitsminister! Natürlich wünschen wir Rudi Anscho­ber für seine Gesundheit ehrlichen Herzens das Allerbeste. Jetzt ist ein neuer Minister da, und ich muss sagen, es wurde Zeit. Was in den letzten 14 Monaten passiert ist: Da hat einfach gar nichts funktioniert. Bei der gescheiterten Beschaffung von Schutzmaterial im März des vergangenen Jahres, der Evakuierung von Ischgl, dem Ostererlass, den aufgehobenen Verordnungen, dem verschlafenen Sommer, der nach einer Woche ver­senkten Ampel und der katastrophalen Impfstoffbeschaffung hat das Gesundheitsminis­terium wirklich alles versemmelt. (Abg. Melchior: ... alles schlechtreden, oder? – Ruf bei der FPÖ: Maske auf!) – Kollege Melchior wird nachher sagen, was alles am Gesund­heitsministerium super war.

Sie haben jetzt die Chance auf einen Neustart, und da gibt es einiges zu tun. Wenn Klubobmann Wöginger sagt, wir sind Testweltmeister, dann sage ich: Wir sind deswegen Testweltmeister, weil wir beim Impfen maximal in der Regionalliga spielen. Schauen wir uns an: In Salzburg und in Vorarlberg sind von den Lehrern nur 45 Prozent zum Impfen gegangen. Da gibt es ein veritables Problem. (Zwischenruf des Abg. Melchior.) Wie soll das dann erst bei den bildungsfernen Schichten werden, wenn bei den Akademikern im öffentlichen Dienst so eine geringe Rate zum Impfen kommt? Die große Unruhe bei der ÖVP stimmt mich ein bisschen nachdenklich – das kann zwischen Türkis und Grün ja noch heiter werden. (Abg. Melchior: Ja, weil du einfach irgendetwas redest, faktenfrei!)

Jetzt kommen die Wochen, in denen mehr Impfstoff geliefert wird – endlich. Damit hat natürlich der Herr Bundeskanzler nichts zu tun, sondern das ist über die EU gegangen. Dann müssen wir uns fragen: Wie bekommen wir diesen zusätzlichen Impfstoff ver­impft? – Sie haben zu Recht auf Wien hingewiesen. Wien wird das hinbekommen, Vor­arlberg auch, Kärnten auch, aber das Bundesland Salzburg, das vorwiegend auf nieder­gelassene Ärzte setzt, wird mit dieser Menge nicht zurande kommen. Da wird es mehr brauchen als die niedergelassenen Ärzte. Es wird Impfzentren und Impfstraßen brau­chen, es würde auch die Apotheker brauchen, es würde die selbstständigen Pflegekräfte brauchen, die impfen, und es braucht in den Schulen auch die Schulärzte. Im Moment sind die Impfstoffe ab 16 zugelassen, sie werden bald ab 12 zugelassen sein, und dann kommen wir ohne die Schulen nicht in die Breite der Bevölkerung. Da werden wir alle Berufsgruppen brauchen, eben auch die selbstständige Pflege und die Apotheker. Ärzte­standesdünkel sind dann nicht gefragt, Herr Doktor.

Das führt zum Nächsten: Die Coronakrise hat eine katastrophale Datenlage im öster­reichischen Gesundheitswesen offengelegt. Am Anfang hat das Ministerium nicht einmal gewusst: Wie viele Spitalsbetten gibt es überhaupt? Als dann der Impfstoff da war, hat man im Ministerium für Pflege nicht gewusst: Wie viele Pflegeheime gibt es, wie viele Altersheime, und wo sind die überhaupt? Man hat nicht gewusst, wie viele Beatmungs­geräte es gibt. Wir wissen erst seit Kurzem, mit welchen Vorerkrankungen die Patienten mit Covid ins Spital kommen. Die PCR-Tests sind bis heute nicht in der Elga erfasst. – Wie soll die Wissenschaft arbeiten, wenn es keine Daten gibt? Die Mehrheit der Ärzte ist nämlich nicht ans Elga-System angeschlossen: die Kassenärzte schon, aber die Wahlärzte, die Schulärzte, die Militärärzte und die Amtsärzte nicht; und die Labore, die PCR-Tests machen, auch nicht.

Im Gesundheitsausschuss habe ich letzte Woche den Antrag eingebracht, dass die niedergelassenen Ärzte in Österreich nach dem ICPC2-Standard diagnostizieren, wie sie das im Primärversorgungszentrum bereits machen müssen, aber die anderen All­gemeinmediziner nicht. Da hat mir die ÖVP erklärt: Das ist alles viel zu bürokratisch! – Ein internationaler Standard, mit dem man sich international vergleichen kann, mit dem man zu den Daten auch international forschen kann, ist für die ÖVP zu bürokratisch. Ich bin gespannt, wie Sie das schaffen – da ist nämlich nun kein Platz für Klientelpolitik nach dem Wunsch der Ärztekammer, sondern da geht es um die Gesundheit der Menschen und um bessere Arbeit mit mehr Qualität.

Heute Früh waren Sie im „Morgenjournal“ zu hören, aber da wurden Sie natürlich von Radio Venezuela nicht gefragt: Was ist mit den Pensionen, Herr Sozialminister? – Da geht nämlich ein gewaltiges Loch auf; in vier Jahren geht das Pensionsloch um 31 Pro­zent auf 26,7 Milliarden im Jahr auf. (Abg. Kassegger: Versteht aber keiner!) Da würde ich dann auch gerne wissen, was Sie tun. Das sind nämlich die Lasten, die wir der jungen Generation hinterlassen. Wir hinterlassen nicht nur ein Desaster bei der Kinderpsycholo­gie und auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch bei den Pensionen. Dazu haben Sie in Ihrer Rede ebenfalls nichts gesagt.

Es gibt eine gewaltige Baustelle in der Pflege. Bei seinem Abgang hat Rudi Anschober gesagt, die Pflegereform ist fertig. Das glaube ich nicht, denn wenn sie fertig wäre, hätte er mindestens sechs Pressekonferenzen gemacht, in denen er sie uns präsentiert hätte. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

Schließlich haben Sie die Baustelle der Sozialhilfe, bei der neun Bundesländer immer noch mit neun Systemen vor sich hinarbeiten und der Minister zuschauen muss.

Der Gesundheitsminister ist nur in der Pandemie eine wichtige Figur. Wenn die Pande­mie dann überwunden ist – ich hoffe bald –, dann sind Sie als Gesundheitsminister wie­der der König ohne Land, wie es auch alle Ihre Vorgänger waren. Dann folgt der wirklich harte Job als Sozialminister. Wir strecken Ihnen für ein partnerschaftliches Zusammenar­beiten die Hand hin. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Leicht wird das nicht – und mit schönen Reden und Pressekonferenzen allein wird es nicht getan sein. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.32

Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubob­mann August Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Rauch.)