Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Retten Sie 8.000 Arbeitsplätze in Steyr. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich, Herr Bundeskanzler!“ (1493/A(E)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selb­ständigen Antrages 1493/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Die Regierung missachtet ihren gesetzlichen Auftrag zur Standortsicherung

Bei MAN in Steyr sind aktuell 2.356 MitarbeiterInnen beschäftigt, zum Jahreswech­sel 2019/2020 wurde aufgrund einer Forderung der Betriebsräte vom MAN-Vorstand ein bis Ende 2030 gültiger Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag unterzeichnet.

Mit 30. September 2020 kündigte der MAN-Vorstand diesen Vertrag einseitig auf und kündigte in weiterer Folge an, das Werk in Steyr schließen zu wollen. Abseits davon, dass die Wirksamkeit dieser Aufkündigung in juristischer Hinsicht äußerst fragwürdig ist und vor Gericht zu klären sein wird, ist diese Vorgehensweise ein massiver Vertrauens­bruch gegenüber den fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Seit vergangenen Herbst kämpfen Betriebsrat, Gewerkschaft, Bürgermeister und die re­gionale Politik um den Erhalt des LKW-Produktionsstandortes Steyr und der mehr als 2.300 direkt von der Schließung bedrohten Arbeitsplätze, auch die staatliche Wirt­schaftskommission wurde von der Belegschaftsvertretung einberufen.

Parallel dazu bekundeten Investoren und Investorengruppe Interesse am „zur Dis­position“ stehenden Werk in Steyr. VW/MAN entschied sich jedoch frühzeitig dafür, nur mit einem einzigen Investor – Siegfried Wolf – Übernahmeverhandlungen zu führen. Auf­grund der schlechten Bedingungen für die Beschäftigten haben diese das vorliegende Angebot des Investors in einer Urabstimmung am 07.04.2021 mit einer Ablehnung von 63,9% klar zurückgewiesen.

Mit dieser Abstimmung begann ein neues Kapitel. Jetzt muss mit aller Kraft an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet werden. Der Ball liegt erneut bei VW/MAN: Die Kon­zernverantwortlichen sind gefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und alle vorliegenden Konzepte fair zu prüfen – inklusive jener, die einen starken Fokus auf grüne Technologien legen.

Österreich hat aufgrund der Corona-Krise bereits viele Arbeitsplätze verloren. Es muss mit aller Kraft verhindert werden, dass darüber hinaus industrielle Leitbetriebe mit großer regionaler Bedeutung aufgrund von renditegetriebenen Konzernentscheidungen für den Standort Österreich verloren gehen und damit Profitsteigerungen höheres Gewicht beigemessen wird als Investitionen in die Transformation in Richtung grüner Mobilität. VW erwirtschaftete selbst im Corona-Jahr 2020 einen Gewinn nach Steuern von rund 8,8 Milliarden Euro und fordert dennoch von ihrer Nutzfahrzeug-Tochter MAN eine ge­steigerte Rendite von 7 bis 8 Prozent!

Das ÖIAG-Gesetz sieht vor, dass der Staat – im konkreten Fall die ÖBAG – im Fall von MAN in Steyr bzw. an der Übernahme des Werkes interessierter Investoren und Inves­torengruppen über Maßnahmen wie beispielsweise eine Kapitalbeteiligung nachdenken müsste. Die SPÖ hat dies bereits mehrmals eingefordert!

Dazu seien einige Bestimmungen aus dem ÖIAG-Gesetz exemplarisch angeführt.

Auszug aus dem ÖIAG-Gesetz

§7 (1) Im Rahmen des Beteiligungsmanagements hat die ÖBAG unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen an der Sicherung Österreichs als Wirtschafts- und For­schungsstandort sowie an der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen auf eine Werterhaltung und Wertsteigerung der Beteiligungsgesellschaften Bedacht zu nehmen.

[…]

(4) Für den Erwerb an Anteilen an anderen Unternehmen, die für den Wirtschaftsstandort Österreich von besonderer Bedeutung sind, ist ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich, wenn dieser Erwerb nicht nach den Bestimmungen des Abs. 5 erfolgt. Hier­bei ist anzustreben, dass der Erwerb der Anteile von Vorstand und Aufsichtsrat des betreffenden Unternehmens unterstützt wird. Der Erwerb solcher Anteile sollte tunlichst nur vorübergehend und mit dem Ziel einer Wiederveräußerung in angemessener Frist erfolgen. Veräußerungen von nach diesem Absatz erworbenen Anteilen haben gemäß §§ 8 und 9 zu erfolgen.

(5) Unbeschadet des Abs. 4 ist die ÖBAG, entweder selbst oder über eine Tochtergesell­schaft, mit der Entwicklung und Bereitstellung von Instrumenten zur Stärkung österreichi­scher Interessen im internationalen Standortwettbewerb betraut. Zu diesem Zweck ist sie ermächtigt, Minderheitsbeteiligungen an für den Standort relevanten Unternehmen einzugehen sowie solchen Unternehmen Kredite, Garantien und sonstige Finanzierun­gen zur Verfügung zu stellen. Die Übernahme derartiger Beteiligungen oder Verpflich­tungen bedarf der Evaluierung und Zustimmung eines Beteiligungskomitees, welches bei der ÖBAG einzurichten ist. Das Beteiligungskomitee besteht aus zumindest fünf und höchstens neun von den Organen der ÖBAG unabhängigen Personen mit einschlägiger Erfahrung. Die fachliche und persönliche Qualifikation der Mitglieder hat den Bestim­mungen des Aktiengesetzes und den Regeln des Österreichischen Corporate Govern­ance Kodex für Mitglieder des Aufsichtsrates zu entsprechen […]

§ 7 Abs. 1, Abs. 4 sowie Abs. 5 des ÖIAG-Gesetzes sehen in einem Fall wie bei der MAN eigentlich einen gesetzlichen Auftrag der Regierung vor.

Studien zufolge hängen am MAN-Werk in Steyr in Summe sogar rund 8.000 Arbeitsplät­ze mit einer jährlichen Wirtschaftsleistung von knapp einer Milliarde Euro. Steyr ist einer der größten Automotive-Cluster in Österreich.

Wenn das kein Grund für die ÖBAG ist, zumindest zu erwägen, mit einer Minderheitsbe­teiligung einzusteigen, wann bitte dann?

Die Regierung versucht ihre Umfragewerte zu retten, statt die Arbeitsplätze in Steyr

Das Umfeld von Bundeskanzler und Finanzminister ist mit diversen Korruptionsermittlun­gen und Chat-Protokollen im türkisen Familienkreis beschäftigt.

Die Bundesregierung hätte viele Hebel in der Hand, um die rund 8.000 Arbeitsplätze in Steyr zu retten: Das beginnt mit dem Gewicht einer öffentlichen Ermahnung des Bun­deskanzlers an einen Weltkonzern wie VW, sich an den abgeschlossenen Standortsi­cherungsvertrag zu halten und geht bis hin zu einer öffentlichen Beteiligung über die ÖBAG. Die Regierung hat bisher keinen dieser Hebel in Bewegung gesetzt und im Kampf um die Arbeitsplätze in Steyr bisher mit Abwesenheit geglänzt.

Sie kümmert sich in der größten Wirtschaftskrise in der Geschichte der Zweiten Republik stattdessen lieber um ihre Selbstinszenierung. Mit pompöser Kulisse verkauft man als größtes Projekt des „Comeback Plans“ im Rahmen einer Regierungsklausur nach 14 Monaten Pandemie und Wirtschaftskrise die Auszahlung einer Investitionsprämie, die bereits im Jahr 2020 beschlossen wurde. Zu der angekündigten Aktion „Sprungbrett“, mittels derer bis Ende kommenden Jahres 50.000 Langzeitarbeitslose wieder in Be­schäftigung kommen sollen fehlen noch viele Details – es ist im Interesse der Be­troffenen zu hoffen, dass die Regierung dabei möglichst viele Anleihen am SPÖ-Modell „Aktion 40.000“ nimmt und die Aktion „Sprungbrett“ nicht genauso in der Versenkung verschwindet wie die bis heute nicht existierende „Corona-Arbeitsstiftung“.

Eine Regierung, die eine Maßnahme aus dem Vorjahr als größte Errungenschaft einer Regierungsklausur verkaufen muss und zu den drängendsten Problemen am Arbeits­markt nur eine Überschrift vorlegen kann: Das ist kein Comeback, das ist ein Abgesang.

Die Wahrheit ist konkret – in der Bekämpfung der Pandemie und der Wirtschaftskrise

Wenn man die letzten 14 Monate der Pandemiebekämpfung analysiert, so kommt man unweigerlich zum Schluss, dass in Österreich leider vieles nicht gut gelaufen ist.

Zögerliches Handeln der Bundesregierung zu Beginn der Krise hat viele Arbeitsplätze gekostet. Binnen weniger Wochen haben 200.000 Menschen ihren Job verloren. Im Herbst ist man völlig unvorbereitet in eine gigantische zweite Welle hineingestolpert. Österreich war im November phasenweise weltweit unter den Spitzenreitern bei Corona-Neuinfektionen. Der darauffolgende Zick-Zack Kurs bei Lockdowns und Öffnungen hat viele Menschen verunsichert. Bis heute befinden wir uns aufgrund der Verfehlungen im Herbst in einer Art Dauerlockdown - mal „soft“ mal „härter“.

Die Verfehlungen, die in der Bekämpfung der Pandemie gemacht wurden, können wir uns in der Bekämpfung der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise nicht mehr leisten. Die „Ergebnisse“ der Regierungsklausur lassen aber Böses erahnen. Wie schon in der Pan­demiebekämpfung setzt die Regierung auf Show statt auf konkrete Problemlösungen.

Seit Beginn der Corona-Krise hat die Regierung in Pressekonferenzen viel versprochen, aber kaum ein Versprechen termingerecht oder in auch nur annähernd vollem Umfang eingehalten: Beginnend mit dem medizinischen Personal, das zu Beginn der Corona-Krise monatelang auf die öffentlich versprochene ausreichende Schutzausrüstung war­tete bis hin zu jenen, die aktuell auf die längst versprochene Impfung warten.

Jetzt verspricht die Regierung also hunderttausende Jobs zu schaffen – es wäre aber besser, nicht über abstrakte Zahlen zu sprechen, sondern sich beispielsweise ganz kon­kret um die Rettung von 8.000 Arbeitsplätzen in Steyr zu kümmern.

Österreich zählt zu jenen Ländern in der EU, die im 4. Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahresquartal den stärksten Wirtschaftseinbruch zu verzeichnen hatten. Die Arbeits­losigkeit ist in Österreich seit Ausbruch der Pandemie doppelt so stark gestiegen wie in Deutschland.

Die SPÖ hat bereits mehrmals zur Unterstützung von Unternehmen, die von den Auswir­kungen der Corona-Pandemie wirtschaftlich hart getroffen wurden, aufgerufen und ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand gefordert.

Auch von Konzernentscheidungen oder veränderten Rahmenbedingungen in der Pro­duktionsweise und Arbeitswelt (z.B. Digitalisierung, klimaneutrale Produktion) betroffene Betriebe können durch ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand stabilisiert und bedrohte Arbeitsplätze erhalten werden.

Österreich verdient eine Regierung, die um jeden Arbeitsplatz kämpft, statt sich selbst zu inszenieren. Eine Regierung, die bereit wäre 210 Millionen Euro in die Rettung des von der Schließung bedrohten MAN-Standortes in Steyr zu investieren statt in zusätzli­che Regierungswerbung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend alle notwendigen Maßnahmen ein­zuleiten, den durch den VW/MAN-Konzern von der Schließung bedrohten LKW-Pro­duktionsstandort in Steyr zu erhalten und damit rund 8.000 Arbeitsplätze in der Region zu sichern. Dafür sollen alle zur Verfügung stehenden Instrumente, insbesondere auch eine mögliche Minderheitsbeteiligung gem. § 7 Abs 5 des ÖIAG-Gesetzes, eingesetzt werden.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs, 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragstel­ler Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Stöger als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Ge­schäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abge­ordneter.