20.32

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herzlichen Dank, dass diese wichtigen Themen nun den Weg ins Par­lament gefunden haben. Lange, lange hat sich eigentlich niemand getraut, etwas zu den Internierungslagern zu sagen, oder den Geschichten Glauben geschenkt, die Geflüchte­te erzählen konnten.

Doch vor rund zwei Jahren kam eine neue Dynamik, eine neue Wende in diese ganze Sache: Unabsichtlich geleakte Dokumente der Kommunistischen Partei in China bele­gen die Aussagen und geben Einblicke in das Grauen in Xinjiang. In den Unterlagen mit Unterschrift und Siegel wird sehr sanft formuliert, von Schulen, von Schülern, von Umer­ziehung ist die Rede – nicht von Haft, von grausamer Folter und Gefangenen, von totaler Überwachung, die weit über die Grenzen Chinas hinausgeht. Es handelt sich um Zen­tren, die keinen anderen Zweck erfüllen sollen als die gewaltsame Assimilation – ein Genozid, der vor den Augen der Welt stattfindet, und die Welt sieht noch immer still zu. Und ja, leider wirkt auch Österreich fast wie erstarrt vor der Weltmacht China.

Die Situation der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang sollte uns alle daran erin­nern, dass, wenn totalitäre Regime mit der Internierung bestimmter Menschengruppen beginnen, dies meist nur der erste Schritt in eine immer schlimmer werdende Unterdrü­ckung ist. Vielleicht ist die Welt aber auch einfach noch nicht bereit, diese Bilder richtig zu verarbeiten oder richtig zu verstehen – zu verstehen, dass sich rund eine Million Men­schen, die Dunkelziffer ist natürlich weitaus höher, in einer derartigen Gefangenschaft befinden. Aber gerade die Reaktion aus Europa sollte besonders sensibel gewählt sein, denn Straf- und Arbeitslager in der Sowjetunion sowie Konzentrationslager sind zwei erdrückende Kapitel unseres Kontinents, die nach wie vor dunkle Schatten werfen, dunk­le Schatten, welche mit totalitärer Menschenvernichtung experimentierten.

In weniger als einem Monat, genau am 8. Mai, gedenkt man in ganz Europa dem Tag der Befreiung und der Kapitulation des Nationalsozialismus, der das Ende einer totalitä­ren Terrorherrschaft für Millionen von Menschen bedeutet hat. In Erinnerung an diesen Tag hat man sich in Österreich auf ein: Nie wieder!, eingeschworen, damit niemand mehr auf der Welt jemals einen solchen Horror durchleben muss. Doch was sind diese Worte wert, wenn man hier jetzt schweigt und kommentarlos zusieht?

Über eine Million Menschen, abgeschnitten von jeglicher internationaler Kontrolle, abge­schirmt von einem Regime der Angst – und jetzt, wo spärlich Information nach außen dringt, passiert nichts!

Bereits im September 2018 veröffentlichte die Organisation Human Rights Watch einen Bericht, in dem sie festhält, dass es sich da um Verstöße gegen internationales Recht und um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt. Als damals zunehmend Kritik am Vorgehen Pekings aufkam, schuf das Regionalparlament Anfang Oktober 2018 nach­träglich eine Gesetzesgrundlage, die es erlaubt, extremistischen Personen in Ausbil­dungszentren eine Art Umerziehung zukommen zu lassen, was nichts anderes heißt als oder die Umschreibung ist für erzwungene falsche Geständnisse, Folter, das Verschwin­den einzelner Familienangehöriger, für Mord, schlichtweg Mord. Das alles sollte auch noch legalisiert werden!

Sehr geehrte Frau Ministerin! Es gibt so viele diplomatische Wege, um auf europäischer Ebene reagieren zu können, die chinesische Regierung aufzufordern, Journalistinnen und Journalisten freien und ungehinderten Zutritt in die Lager zu gestatten, damit diese berichten können, was dort tatsächlich passiert, sich dafür einzusetzen, dass Familien­mitglieder von verschleppten Personen zumindest über deren Verbleib Bescheid bekom­men, Beobachtern des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte Zutritt in die Regio­nen zu gewähren, auch im Sinne der Dokumentation und Aufklärung dieser schwerwie­genden Menschenrechtsverletzungen.

Jede Art von Sanktionen, und seien es auch nur verhaltene Sanktionen, seitens der EU und der USA wie auch die ausdrückliche Verurteilung dieses aktuell stattfindenden Völ­kermordes sind zu begrüßen. Jede Situation, in der die moralischen Kritikpunkte ge­genüber einem Regime, welches Menschenrechten mehr und mehr den Rücken zukehrt, angebracht werden können, sollte genutzt werden. Tragischerweise zeigt sich, dass ein wirtschaftlich wachsendes China nicht demokratischer, sondern zusehends totalitärer wird. Spätestens mit der Einführung einer unbegrenzten Amtszeit des chinesischen Prä­sidenten sollte uns klar sein, dass in naher Zukunft auch keine Liberalisierung in Peking zu erwarten ist.

Gut, es ist nicht die Aufgabe Österreichs, anderen Ländern Vorschriften zu machen, aber genauso wenig darf man einfach wegsehen oder, was noch schlimmer ist, aus diesem ganzen Leid auch noch Profit schlagen. Ich finde es extrem verstörend, wenn Unter­nehmen wie Apple, Nike oder Coca-Cola wirklich alles unternehmen, keine einzige Ge­legenheit auslassen, um politisch korrekt zu agieren, während sie in Washington oder in Brüssel Lobbying betreiben, um ein härteres Vorgehen gegen muslimische Sklavenar­beit zu verhindern. Diese drei und andere Großkonzerne profitieren von Zwangsarbeit in Massenlagern. Und auch die zauberhafte Hülle von Disney bekommt massive Kratzer – ein Konzern, der glaubt, Kinder können ohne Triggerwarnung nicht „Dumbo“ anschauen, der aber keine Bedenken dabei hat, den Film „Mulan“ vor den Toren eines Landes zu drehen, in dem Menschenrechte derart massiv verletzt werden. Nein, das ist kein Rah­men, der wirklich zur Geschichte passt.

Es macht mich betroffen, dass in den letzten Jahren zudem ein Trend eingesetzt hat, der uns allen zu denken geben sollte – ich habe ihn auch am Weltfrauentag erwähnt, der gar nicht so lange her ist –: Massenvergewaltigungen während des Genozids in Darfur, sexuelle Versklavung von jesidischen Frauen durch den Islamischen Staat und natürlich die berichteten Vergewaltigungen, Zwangsabtreibungen und Sterilisationen in diesen Lagern. Es trifft im Besonderen immer Frauen, wenn totalitäre – man kann es einfach nicht anders formulieren – Exzesse weiter zunehmen.

Aus diesem Grund finde ich die bescheidenen Sanktionen nicht ausreichend. Es ist mir unerklärlich, warum die EU kein Problem damit hat, Sonderkennzeichnungen auf Wa­renimporte aus israelischen Siedlungen zu fordern, aber das Gleiche nicht bei Importen aus China tun möchte. Der Konsument kann ja dann sein Konsumverhalten immer noch anpassen, nach der Kenntnislage der dortigen Gegebenheiten.

Abschließend kann man eines sagen: Menschenrechte befinden sich leider weltweit auf dem Rückzug und totalitäre Sichtweisen beginnen nach und nach salonfähig zu werden.

Vielleicht hofft man, dass man sich mit der Zeit irgendwie damit arrangieren kann oder dass alles besser wird, wenn man sich damit arrangiert, aber eines ist klar (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen): Während wir uns arrangieren, nehmen illiberale Kräfte weiter an Einfluss zu, und irgendwann sehen wir uns mit einer neuen Ära der Unmensch­lichkeit konfrontiert, der wir - -

Präsident Ing. Norbert Hofer: Das Schlusswort bitte!

Abgeordnete Pia Philippa Strache (fortsetzend): Ich möchte in diesem Zusammen­hang an Winston - -

Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, bitte das Schlusswort!

Abgeordnete Pia Philippa Strache (fortsetzend): Das habe ich verstanden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang an Winston Churchill erinnern, der zusammenge­fasst hat, wohin ein solches Appeasement, ein Appeasement totalitärer Staaten eigent­lich führt: Man füttert ein Krokodil in der Hoffnung, dass es einen selbst zuletzt frisst. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

20.40