20.18

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der ja in der Langform „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ heißt, ist vor circa eineinhalb Jahren von der sozialdemokratischen Fraktion und den NEOS verlangt worden. Von Tag eins an war er Angriffen ausgesetzt, vor allem von der ÖVP, wobei es darum ging, dessen Ein­setzung und die Arbeit dort zu verzögern, das zu zensurieren, was sich der Untersu­chungsausschuss überhaupt ansehen darf, und um den Versuch, die Arbeit zu sabo­tieren – nicht nur durch die Art und Weise, wie die ÖVP-Abgeordneten im Untersu­chungsausschuss agieren, nicht nur durch die Vorsitzführung des Vorsitzenden Sobot­ka, sondern auch zum Beispiel durch die Art und Weise, wie vor allem die türkisen Minis­terien Akten nicht an den Untersuchungsausschuss geliefert haben.

Über ein Jahr mussten wir de facto über den Verfassungsgerichtshof mit Bundeskanzler Kurz, mit Bundesminister Blümel streiten und prozessieren, damit wir überhaupt die Ak­ten und Unterlagen aus dem Ministerium bekommen. Da wurde behauptet, es gibt gar keine. Selbst als der Verfassungsgerichtshof Bundesminister Blümel verpflichtet hat, zu liefern, hat er sich noch immer geweigert. Erst als der Exekutor in Person des Bundes­präsidenten Van der Bellen vor der Tür gestanden ist, hat er begonnen, Akten zu liefern, und hat diese natürlich in vollkommen rechtswidriger Weise als geheim eingestuft.

Bei Bundeskanzler Kurz ist es nicht viel besser. Der hat behauptet, es gibt überhaupt keine Akten und Unterlagen. Jetzt hat er begonnen, bevor auch bei ihm der Exekutor auftaucht, zu liefern, und siehe da, das, von dem er behauptet hat, dass es das gar nicht gäbe, gibt es offenbar. Zumindest sehen wir zum Beispiel bereits aus den ersten Liefe­rungen, dass Novomatic-Vorstand Neumann im Bundeskanzleramt ein und aus gegan­gen ist. Das, was bisher bestritten wurde, ist in Wahrheit in der Zwischenzeit schon be­wiesen.

Die Arbeit im Untersuchungsausschuss ist relativ einfach zu beschreiben. Es gibt vier Fraktionen, die zwar alle eine unterschiedliche Sicht auf den Untersuchungsgegenstand haben, die aber konstruktiv mitarbeiten. Es gibt aber eine Fraktion, die eigentlich nur durch Destruktivität auffällt, und das ist die ÖVP (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hafenecker), nicht nur vonseiten der Ministerien, sondern auch vonseiten der Abgeord­neten.

Und jetzt, da wir diese Akten und Unterlagen seit wenigen Tagen bekommen, geht es der ÖVP anscheinend darum, den Untersuchungsausschuss abzuwürgen, anstatt dass man den Untersuchungsausschuss seine Arbeit ordentlich abschließen lässt. Wir brau­chen diese zusätzlichen drei Monate, um diese Arbeit einfach ordnungsgemäß und sau­ber abzuschließen. Selbst die ÖVP hat noch vor wenigen Wochen zum Beispiel einen Antrag gestellt, dass es Chatauswertungen vom Handy des ehemaligen Vizekanzlers Strache geben soll. Die Justizbehörden haben gesagt: Machen wir gerne, blöderweise sind Schmid-Handy, Löger-Handy, Blümel-Handy, Fuchs-Handy, Pilnacek-Handy vorher dran, wir können das Strache-Handy auch gerne auswerten, aber da brauchen wir bis in den Herbst!

Da stellt sich natürlich die Frage: Geht es der ÖVP hier wirklich um Aufklärung? Dann müsste sie ja eigentlich der Verlängerung des Untersuchungsausschusses um diese drei Monate zustimmen, damit der Untersuchungsausschuss wirklich die Akten und Unterla­gen hat, um seine Arbeit auch abschließen zu können. Doch das, was wir hier erleben – in Wahrheit in den letzten Tagen –, ist, dass es zwischen der ÖVP und den Grünen offensichtlich die Übereinkunft gibt, diesen Untersuchungsausschuss abzuwürgen und ihn seine Arbeit nicht abschließen zu lassen. Die Begründungen, vor allem jene der Klubvorsitzenden Maurer, sind mehr als überraschend. In Wahrheit schlägt sie vor, dass das Parlament einen großen Schildbürgerstreich begehen soll. Sie schlägt nämlich vor, dass man im September circa eineinhalb Millionen Aktenseiten schreddert und dafür dieselben Akten womöglich im Jänner oder im Feber noch einmal anliefert. Wenn man den Untersuchungsausschuss einfach um drei Monate verlängern würde, dann wären wir im Oktober fertig und bräuchten diese Akten gar nicht mehr. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was soll das für eine Idee sein, eineinhalb Millionen Aktenseiten im September zu schreddern und dann darauf zu hoffen, dass sie im Jänner oder im Feber wieder geliefert werden, falls dann nicht wieder das Spiel von vorne beginnt, dass Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel dem Ausschuss, dem Parlament, dem Verfassungsgerichts­hof und dem Bundespräsidenten wieder die lange Nase zeigen, wie sie es das ganze letzte Jahr über gemacht haben, und wir wieder beginnen müssen, um jeden Akt und jede Unterlage aufs Neue zu streiten?! – Nein, für Schildbürgerstreiche sind wir nicht zu haben. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Die Motivation sowohl der ÖVP als auch der Grünen für diesen Schritt scheint meines Erachtens Angst zu sein (Abg. Stögmüller: Wovor sollen wir Angst haben?), Angst der ÖVP, dass die Liste von ÖVP-Funktionären, die Verdächtige, Beschuldigte oder Ange­klagte sind, noch länger wird, als sie ohnehin schon ist, und dass noch mehr Licht ins Dunkel kommt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stögmüller), nämlich darüber, wie die ÖVP in der Zeit der türkis-blauen Bundesregierung gegen Spenden, von denen Sie ge­nug kassiert haben, dann auch politische Gefälligkeiten, Postenbesetzungen und Geset­ze geliefert hat. (Abg. Hanger: Das sind permanente Unterstellungen!)

Wir sehen das genauso. Wir haben das hieb- und stichfest (Abg. Hanger: Du hast noch keinen einzigen Beweis auf den Tisch gelegt! Leg einmal einen Beweis auf den Tisch!) bei den Privatkliniken abgearbeitet. Jeder weiß das im Untersuchungsausschuss, jede Fraktion im Untersuchungsausschuss sieht das, nur Herr Hanger nicht. Er verwechselt den Untersuchungsausschuss mit einem Ernährungsausschuss, aber bitte, er kann sich natürlich auch um Ernährungsgewohnheiten kümmern (Heiterkeit bei der SPÖ), wir küm­mern uns um die Frage der Korruption und der Käuflichkeit der Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Grünen haben anscheinend Angst vor der Basis. Bevor überhaupt noch ein Antrag auf Verlängerung geschrieben ist, bevor dieser überhaupt noch eingebracht ist, haben die Grünen schon gesagt: Nein, die Diskussion existiert nicht, weil wir ihn ablehnen! – Das ist auch neu im Parlamentarismus, dass Parteien schon zu Anträgen Stellung neh­men, die noch nicht einmal geschrieben sind.

Anscheinend haben Sie Angst vor der eigenen Basis. Ich kann Ihnen sagen, diese Angst ist wohl berechtigt, weil wir alle wissen, dass die grüne Basis natürlich der Meinung ist, dass das, was man vor der Wahl sagt, nämlich dass es um Transparenz, um saubere Politik, um politische Aufklärung geht, für die Basis auch nach der Wahl gilt, und natürlich werden sich die Abgeordneten der Grünen die Frage stellen müssen, ob das für sie auch gilt. Wenn sie nämlich diesen Antrag, um drei Monate zu verlängern, ablehnen (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker), bedeutet das, dass sie sich auf die Seite jener stellen, die eigentlich nur schreddern wollen, die nur verbergen und verdunkeln und die Arbeit der parlamentarischen Aufklärung hier sabotieren wollen. (Abg. Gödl: Ihr tuts nur verna­dern!) Diese Entscheidung müssen Sie selber treffen, und die Verantwortung dafür müssen Sie auch tragen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Scherak. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Wenn Sie das tun, muss Ihnen auch eines klar sein: dass Sie das, was Bundeskanzler Kurz, und das, was Finanzminister Blümel in den letzten 14, 15 Monaten gemacht ha­ben, legitimieren – nämlich den Untersuchungsausschuss zu verzögern, die Akten rechtswidrigerweise zurückzuhalten, zuerst einmal zu behaupten, es gibt sie nicht, selbst die Verfassungsgerichtshofurteile zu ignorieren, die ihn verpflichtet haben, zu liefern, und erst als der Exekutor vor der Tür gestanden ist, dann noch rechtswidrig in Stufe 3 zu liefern. Sie legitimieren diese Vorgangsweise, die dazu geführt hat, dass wir jetzt gar nicht mehr die Zeit haben, all diese Akten, E-Mails und Unterlagen überhaupt seriös durchzulesen. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Fragen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Untersuchungsausschuss, die dort sehr konstruktive Arbeit leisten, ob das überhaupt geht, und die werden Ihnen sagen: Nein, das geht in dieser kurzen Zeit seriös natürlich gar nicht! – Und damit machen Sie jenen die Mauer, die die politische Aufklärung verhindern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Kollegin Krisper und ich (eine Tafel mit der Aufschrift „Jetzt unterstützen: bit.ly/IbizaUA­verlaengern“ auf das Rednerpult stellend) haben gestern Abend eine parlamentarische Petition eingebracht. Sie ist vor 4 Stunden online gegangen, und sie hat in diesen 4 Stun­den bereits mehr als 5 000 UnterstützerInnen – in 4 Stunden! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Und ich weiß, das sind nicht lauter Rote (Zwi­schenruf des Abg. Michael Hammer), und ich nehme an, das sind nicht lauter NEOS-Anhänger (Abg. Michael Hammer: Ich glaube, es sind schon alles Rote!), sondern da sind auch viele Grüne dabei, da sind wahrscheinlich von allen Parteien Unterstützer da­bei, denen die parlamentarische Aufklärung wichtig ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich fordere die Grünen ausdrücklich auf, den Weg zu gehen, den sie lange Jahre ge­gangen sind, nämlich den der parlamentarischen Aufklärung, und diesem Antrag hier zuzustimmen. Alle Zuseher ersuche ich, auch zu unterstützen, Sie sehen hier einge­blendet, unter welcher URL Sie diese Petition auf der Homepage des Parlaments unter­stützen können. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.29

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Hanger. – Bitte.