13.35

Mitglied des Europäischen Parlaments Thomas Waitz (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin Edtstadler! Frau Ministerin Gewessler! Werte Abgeordnete! Wir hier im Haus teilen etwas, zumindest teilen wir das mit der Mehrheit der Abgeordneten: Viele von uns – die meisten – sind glühende Europäer. Es hat uns Frieden gebracht, Aussöhnung mit unseren Nachbarn, Wohlstand, einen Raum von Menschenrechten und von wirt­schaftlicher Prosperität.

Das bedeutet aber nicht, dass innerhalb der Europäischen Union alles wie am Schnürchen läuft, das bedeutet nicht, dass alles bestens ist. Wir haben in diesem Jahr der Covid-Krise durchaus einige Defizite erkennen können. Wir haben eine mangelnde Koope­ration der Staaten bei der Bekämpfung der Covid-Krise gesehen. Wir haben einen Flicken­teppich bei den Maßnahmen gesehen, unterschiedliche Grenzregime zwischen den Staaten. Wir haben gesehen, dass es unterschiedliche Testregeln beim Übertritt von einem Land in das andere gibt – der eine Test gilt so lange, der andere Test gilt so lange. Wir haben gesehen, dass es unterschiedliche Quarantäneregeln gegeben hat. Wir haben alle einen Flickenteppich von Lockdowns gemacht und dabei nicht unbedingt optimal agiert.

Auch bei der Beschaffung des Impfstoffes ist manches gut gegangen und manches nicht optimal gelaufen. Auch da, das haben wir gesehen, muss die Europäische Union schneller werden, da muss die Europäische Union effektiver werden.

Wir haben gesehen, dass wir uns in Abhängigkeiten von globalen Lieferketten befinden, und zwar in sehr sensiblen Bereichen. Wenn einmal 80 oder 90 Prozent der Antibiotika in China und Indien hergestellt werden und überhaupt nicht mehr in Europa, dann müs­sen wir uns Gedanken machen, wie wir vielleicht manche zentralen und strategischen Wirtschaftsbereiche wieder zurück nach Europa holen.

Wir haben gesehen, wie andere Mächte Einfluss auf unsere europäische Innenpolitik nehmen – China, Russland –, auch mit Impfstoffdiplomatie. Es hat uns geschadet, dass einzelne Nationalstaaten da aus der gemeinsamen europäischen Linie ausgeschert sind, und auch da haben wir gesehen, dass in der Außenpolitik immer noch Mängel zu beurteilen sind. Wir könnten global stärker auftreten, wenn wir in unseren außenpoliti­schen Auftritten mehr das Gemeinsame ins Zentrum stellen, unser gemeinsames Inter­esse, denn es wird uns nicht gelingen, mit kleinen Nationalstaatereien gegen unseren systemischen Rivalen China oder das aggressive Verhalten unseres Nachbarn Russ­land zurechtzukommen, dem etwas entgegenzusetzen, unser Modell der aufgeklärten Demokratie, der Menschenrechte, der freien Gesellschaft dem entgegenzusetzen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir sehen aber auch wesentlich mehr Abstimmungsbedarf, wenn es um die Frage der Klimakrise geht. Sie alle wissen, wir haben einen 750 Milliarden Euro schweren Recovery and Resilience Fund, also Wiederaufbaufonds, auf den Weg gebracht. Das klingt fürs Erste gut, das heißt aber noch lange nicht, dass durch diesen Aufbaufonds die gesetzten Ziele auch wirklich erreicht werden, das heißt nicht, dass automatisch gewährleistet ist, dass die lokale und regionale Ökonomie und Wirtschaft davon profitieren oder dass die Bürgerinnen und Bürger von diesem Geld tatsächlich etwas in ihren Geldtaschen sehen.

Das Beispiel Solaranlagen: Vor zehn Tagen war ich in Spanien. Spanien möchte 100 000 Hektar landwirtschaftliches Land mit Solaranlagen bedecken. Sie sehen hier einen Grünen, ich bin ein großer Fan der Solarenergie, nur sage ich: Bitte zuerst die Haushalte, zuerst alle Dächer, die Richtung Süden, Osten oder Westen schauen! Das bringt den BürgerInnen etwas, das verringert ihre Energierechnung oder schafft vielleicht sogar ein kleines Einkommen. Es bringt also nicht so wahnsinnig viel, das Geld einseitig an einzelne große, oft im Staatsbesitz befindliche Unternehmen zu verteilen. Wir müssen schon schauen, dass da auch die lokalen Handwerker, die lokalen Betriebe tatsächlich in den Genuss der Unterstützung kommen, denn das schafft die Menge an Arbeits­plätzen vor Ort und es schafft so etwas wie soziale Gerechtigkeit bei der Veränderung und dem Übergang unserer Wirtschaft zu einer CO2-neutralen Wirtschaft – und darauf müssen wir besser achten. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Zukunftskonferenz, die nun auf den Weg gebracht wurde, wird bereits seit einiger Zeit bei uns im Europäischen Parlament diskutiert – offen gesagt: eigentlich seit der Europawahl –, und es hat auch einige Zeit gedauert, bis wir zu dem Entschluss gekommen sind, diese Konferenz auf den Weg zu schicken. Das ist schade, denn wir haben nur mehr ein Jahr Zeit für einen Einbindungsprozess, und uns muss bewusst sein: Konkrete Lösungen werden am Ende dieses Einbindungsprozesses nicht stehen können, dafür ist die Zeit zu knapp.

Was wir aber machen können, ist, die Meinungen und die Mehrheiten, die Ideen und Hinweise der nationalen Parlamente, der regionalen Parlamente wie unserer Landtage, aber insbesondere von Bürgerinnen und Bürgern zu sammeln und zu konstruktiven Vorschlägen zusammenzufügen. Es gäbe durchaus einiges Positives, was dabei herauskommen könnte, zum Beispiel eine Stärkung der direkten Wahlmöglichkeit der Kommissionspräsidentin oder des Kommissionspräsidenten, vielleicht auch so etwas wie eine kleine Anzahl an Mandaten, die für nationale Listen vergeben wird. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.)

Ich will den Ergebnissen aber nicht vorgreifen. Es geht darum, dass wir zuhören, dass wir diese Vorschläge aufnehmen, und es wird unser aller Aufgabe sein – in den natio­na­len Parlamenten wie bei uns im Europäischen Parlament, im Rat und in der Kom­mission –, daraus Vorschläge zu machen, die unser gemeinsames Europa weiter voranbringen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.41

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.