19.22

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abgeordneten Krainer, Hafenecker und Krisper, stellvertretend für die Fraktionen der Sozialdemokraten, der FPÖ und der NEOS, bringen heute das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend „Klärung von Korruptions­vorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“ ein.

Das Verlangen bringen wir ein, weil es notwendig ist. Notwendig ist es eigentlich schon aufgrund der Ergebnisse des Ibiza-Untersuchungsausschusses und weil dieser durch das vorzeitige Abdrehen auf Betreiben der ÖVP seine Arbeit nicht abschließen konnte; und notwendig ist es auch – das wurde in den letzten Tagen noch erweitert – aufgrund des Bekanntwerdens der Tatsache, dass die ÖVP, ÖVP-Vertreter mutmaßlich – wie es aus den Chats eigentlich für jeden, der die 104 Seiten liest und nicht wegwirft, klar ist – zugunsten des ehemaligen Kurzkanzlers Sebastian Kurz Steuergelder missbraucht haben, um ihm zu helfen, parteiintern die Macht zu ergreifen und auch Wahlen zu gewin­nen und in Wahrheit zu manipulieren.

Jeder, der die 104 Seiten der WKStA nicht einfach wegwirft, sondern tatsächlich liest, weiß, dass es so ist. Da steht alles drin. Nicht strafrechtlich – strafrechtlich machen wir hier gar nichts, das machen die Gerichte, die Staatsanwälte, das machen Richter –, poli­tisch, moralisch ist aber klar, was hier passiert ist, und das gehört untersucht, das gehört aufgeklärt, denn wir sehen: Es gibt da Sümpfe der Korruption in Österreich, die trocken­gelegt werden müssen. (Abg. Strasser: Die SPÖ!) Um genau zu wissen, welche Sümpfe trockengelegt werden müssen, muss jetzt genau untersucht werden, was die ÖVP da alles getan hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Deswegen sind der Untersuchungsgegenstand „das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021“ – das sind Beginn und Ende der Zeit, als Herr Kurz Kurzkanzler war – „sowie diesbezügliche Vorberei­tungshandlungen auf Grundlage und ab Beginn des ‚Projekts Ballhausplatz‘ auf Be­treiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer poli­tischen Büros, zu parteipolitischen Zwecken und die damit gegebenenfalls zusammen­hängende Umgehung oder Verletzung gesetzlicher Bestimmungen sowie der dadurch dem Bund gegebenenfalls entstandene Schaden“. Das ist der Untersuchungsgegen­stand.

Die sogenannten Beweisthemen, das heißt, was wir diesem Untersuchungsausschuss für einen Auftrag geben wollen, sind Folgende:

Die „Beeinflussung“ – vor allem – „von Vergabe- und Förderverfahren“: Da geht es um das, was wir jetzt auch in den Akten der WKStA sehen, nämlich um das Beauftragen von Studien und Umfragen zu mutmaßlichen Gunsten politischer Entscheidungsträger der ÖVP, die „Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politisch nahestehender Un­ternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel, indirekte Parteienfinanzierung zu tätigen“. Ge­nauso muss natürlich das Beinschab-„Österreich“-Tool untersucht werden, also wie ganz gezielt Meinungsumfragen in Auftrag gegeben, dann frisiert, manipuliert und dann veröffentlicht wurden – das alles nur für parteipolitische Zwecke der ÖVP.

Das nächste Beweisthema ist die „Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes“. Das ist ein Thema, mit dem wir im Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht fertig geworden sind. Wir wissen ja alle, wie die ÖVP zum Beispiel mit der Novomatic Einfluss auf die Casinos genommen hat, damit sie ihre Leute dort unterbringt.

Die „Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit“ ist ein ganz wichtiger Punkt, weil wir ja aufgrund des Ibiza-Untersuchungsausschusses gesehen haben, wie von Tag eins an – von Tag eins an! – der ÖVP zuzurechnende Personen begonnen haben, die Ermittlungen betreffend Ibiza zu beeinflussen, indem gewisse Ermittlungen unterbunden wurden, indem versuchte wurde – hier in Wahrheit rechtswidrigerweise –, nicht die WKStA zuständig sein zu lassen. Wir kennen ja alle die E‑Mails, die Chats, die es auch aus dieser Zeit gibt, die Herrn Pilnacek betreffen, der in der Zwischenzeit suspendiert wurde; und da hat auch der VfGH gesagt: Ja, diese Suspendierung ist zu Recht ergangen, weil dieser Mann wirklich unter Verdacht steht, dass er da rechtswidrig gehandelt hat oder jedenfalls in einer Art und Weise gehandelt hat, die eine Suspendierung rechtfertigt. Es geht hierbei um die Informationsflüsse betreffend Ermittlungen an Entscheidungsträger der ÖVP. Wir haben im Ibiza-Untersuchungsausschuss auch eine Reihe von Indizien dafür gefunden, dass vor allem vonseiten einerseits Pilnaceks und anderen, aber ande­rerseits auch der Polizei – hier vor allem von ÖVP-Vertrauensmann Holzer – Informa­tionen an die ÖVP gegangen sind. Wir wissen, dass es Verfahren wegen des möglichen Verrats von Hausdurchsuchungen gibt, nicht nur aktuell, sondern auch von früheren Hausdurchsuchungen. Es gibt also wirklich viel Arbeit – das muss man sagen –, die die­ser Untersuchungsausschuss haben wird.

Der letzte Bereich ist die „Begünstigung bei der Personalauswahl“. Da gibt es ja auch eine Reihe von Punkten, die im Ibiza-Untersuchungsausschuss erledigt wurden, aber andere sind offengeblieben. Das heißt, wir setzen in Wahrheit dort fort, wo die ÖVP ver­hindern wollte, dass weiter untersucht wird.

Ich kann aber auch gleich sagen, dass wir als Einsetzungsminderheit diesen Untersu­chungsausschuss möglichst kurz und konzentriert durchführen wollen. Das ist auch ein Angebot von uns, dass wir sagen: Wenn die Blockaden, die wir aus dem Ibiza-Untersu­chungsausschuss vor allem von der ÖVP kennen, nicht stattfinden, wenn es genug Sit­zungstermine gibt, nicht diese Sinnlosladungen, die als ÖVP-Tage in die Geschichte eingegangen sind, an denen permanent Menschen geladen worden sind, die keinerlei Beitrag leisten konnten, wenn die ÖVP die Befragungen nicht durch Geschäftsordnungs­debatten stört und zerstört und die Auskunftspersonen nicht - - (Abg. Hanger: Geh bit­te! – Abg. Scherak: Schau! Sie wachen auf!) – Jaja, sie sind eh munter! – Wenn also die Auskunftspersonen nicht alle plötzlich das Gefühl haben, sie müssen nicht mehr kommen, weil die ÖVP das abdreht, wie wir es ja am Ende erlebt haben, dann glauben wir, dass wir es – wenn es auch wirklich ausreichend Termine gibt – vielleicht sogar schaffen, im ersten Halbjahr 2022 fertig zu werden. (Abg. Belakowitsch: Das ist aber eher unwahrscheinlich!) Das ist unser Angebot. Natürlich müssen dazu auch die Akten und die Unterlagen kommen.

Also wenn das Bundeskanzleramt und das Finanzministerium, die das letzte Mal beson­ders säumig waren, jetzt gleich liefern und wir nicht wieder zum VfGH gehen müssen, nicht wieder eine Exekution durch den Bundespräsidenten einleiten müssen, die dann erst vom Landesgericht für Strafsachen durchgeführt werden muss, das heißt, wenn die ÖVP kooperiert, wie das an und für sich bei Untersuchungsausschüssen üblich ist, wie das vergangene Regierungen selbstverständlich getan haben, dann glauben wir, dass wir wirklich in einer vernünftigen Zeit fertig werden können. Das ist unser Angebot, ko­operativ diesen Ausschuss und diese Aufklärungsarbeit durchzuführen.

Ich kann aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss sagen, dass vier Parteien kooperiert haben, und zwar insofern, als sie, auch wenn sie nicht alle derselben Meinung waren, nicht alle dasselbe gedacht haben, konstruktiv mitgearbeitet haben, um den Untersu­chungsgegenstand abzuarbeiten. Wenn diese eine Partei, die da besonders gestört hat, dieses Mal auch konstruktiv mitarbeitet, dann, glaube ich, können wir wirklich im Juni fertig sein und den Bericht womöglich schon im Juli im Plenum haben. Das ist unser Angebot, dass wir das kurz und knackig und zügig durchführen.

Es tut für uns alle not, dass wir den Korruptionsvorwürfen nachgehen, die die ÖVP-Re­gierungsmitglieder betreffen, und dann auch klar aufzeigen, wo Korruption unserer Mei­nung nach passiert ist, und die entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen setzen, so­dass wir diese Korruption für die Zukunft verunmöglichen, und natürlich auch die politisch Verantwortlichen für diese Korruption benennen. Das ist die Aufgabe des gesamten Parlaments, nicht nur der Opposition, sondern von uns allen hier. Ich lade alle ein, sich konstruktiv zu beteiligen, weil die Kontrolltätigkeit des Parlaments genauso wichtig wie die Budgethoheit und genauso wichtig wie die gesetzgeberische Funktion ist. Das ist unsere Aufgabe, damit die Institutionen funktionieren.

Ich hoffe, dass die ÖVP das auch als ihre Aufgabe sieht. Es tut auch Ihnen gut, wenn Sie mithelfen, sauber zu machen, auch wenn es vielleicht eigene Menschen oder eigene Politikerinnen und Politiker betrifft. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.32

Präsidentin Doris Bures: Alle weiteren Rednerinnen und Redner in dieser Debatte haben eine Redezeit von 5 Minuten, aber Sie wissen das ohnedies.

Herr Abgeordneter Andreas Hanger, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.