15.58

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Eines, das Ihnen gefallen wird, Herr Präsident! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Da soll noch einer sagen, man lernt nichts im Parla­ment! – Herzlichen Dank, Frau Kollegin Blimlinger, für diese Vorlesung – ich habe vor Kurzem mit meiner Tochter ein Referat über Maria Theresia vorbereitet –: Da waren Details drinnen, die habe ich nicht gewusst. Ich bin sehr dankbar dafür, und ich werde auch noch auf das Staatsarchiv zu sprechen kommen.

Kollegen Gerstl gratuliere ich auch sehr herzlich zu diesem jugendlichen Geburtstag – 60! – Da kann ich Ihnen sagen, ich wünsche Ihnen alles Gute, Sie haben noch einiges vor sich. Was uns auf jeden Fall auch verbindet, ist, dass wir uns – ich noch ein bisschen mehr – an viele Stationen in dieser Zweiten Republik schon erinnern.

Wenn wir schon von Geschichte reden: Ich könnte jetzt die Regierung Klaus II oder die Regierung Kreisky I aufzählen. Was möchte ich damit sagen? Die Geschichte der Zweiten Republik ist sehr wechselhaft, aber einmal mit ein bisschen mehr Vertrauen in die Politik, einmal mit ein bisschen weniger Vertrauen in die Politik – ausgelöst durch verschiedene Ereignisse, auch Skandale der beiden ehemaligen Großparteien. Eines aber sage ich jetzt ganz ernst: In so kurzer Zeit so die Politik zu beschädigen und so viel Vertrauen zu verlieren, das hat es noch nie gegeben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich freue mich über alle jungen Politikerinnen und Politikern hier, von allen Parteien – tolle Leute, herzlich willkommen –, aber dass junge Menschen, bevor sie an der Macht sind, schon so viel Hybris verbreiten, das ist einmalig. Ich verweise darauf, was wir von 2015, 2016, 2017 gelesen haben.

Ich muss Ihnen sagen, das führt auch zu traurigen persönlichen Erlebnissen. Ich habe vorhin kurz das Parlament verlassen und sehe vor mir eine Frau, die einen Kinderwagen schiebt. Ich schaue wirklich gern in Kinderwagen hinein, weil ich das Wunder Mensch und das Wunder Leben so faszinierend finde. (Abg. Rauch: ... ist mit dem Laptop spazieren gegangen!) – Es war Gott sei Dank ein Baby drin (Heiterkeit bei der FPÖ), aber allein, dass wir bei so wunderbaren Erlebnissen wie jenem, einen Kinderwagen und ein Baby zu sehen, an solche Straftaten denken müssen – und nun gelange ich gleich zum Schreddern –, das macht mich dann schon sehr traurig. (Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Dann wurde die Justiz angegriffen; ich möchte den Zusammenhang auch noch einmal erklären. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es gab im November 2019 Hausdurchsuchungen bei Herrn Schmid und bei ÖVP-Politikern; und im Jänner 2020 gab es ein sogenanntes Hintergrundgespräch – Auftrag: bitte schreiben –, bei dem Herr Kurz damals Jour­nalistinnen und Journalisten erzählt hat, das sei ein Netzwerk roter Staatsanwälte, die kommen alle aus dem BSA (Zwischenruf bei der ÖVP), da müsse man nun die Strafgesetze ändern, weil das ganz gefährlich ist, was die machen, und man müsse die Kompetenzen beschneiden. Ich habe vor Kurzem über Rumänien gesprochen. Liviu Dragnea hat auch versucht, die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft zu beschneiden, weil er verfolgt wurde. Da hat jemand schon gewusst, dass er einmal verfolgt werden wird. Ich habe nicht für möglich gehalten, was in diesem Land möglich war.

Nun gelange ich zu einer zweiten wesentlichen Einrichtung, nämlich zur Bundes­verwal­tung: Bei allem, worüber wir uns da und dort vielleicht beschweren wollen – dass etwas zu langsam geht, dass etwas nicht in Ordnung ist –, habe ich persönlich immer auf die österreichische Bundesverwaltung vertraut. Wir haben jedoch erlebt, dass da einfach Festplatten geschreddert werden. Wer die Anweisung gegeben hat, müssen wir noch klären. Wir wissen inzwischen, dass es unwahr ist – und auch der Innenminister hat etwas Unwahres gesagt –, dass sie von irgendwelchen Kopierern waren. Sie waren zu­mindest teilweise sehr wohl von Computern beziehungsweise von Laptops. Von wem? Was war drauf? – Wir werden es nicht mehr erfahren, aber – und da bin ich wieder bei dem Punkt – weil so viel Schreckliches passiert ist, traut man ihnen halt so viel zu.

Wenn ich bei der Verwaltung bleibe: Ja, in der SPÖ und in der ÖVP sind immer wieder politische Besetzungen vorgenommen worden, da sind die Kabinette gebildet worden und sie sind größer geworden. Es ist neu, dass ein Finanzminister 30 Kabinetts­mitglie­der – glaube ich – hat, dass überall in den Kabinetten immer mehr Leute sind, 80 Presse­sprecher! Gleichzeitig ist es auch neu, dass die Kabinettsmitglieder auch noch in die Verwaltung hineingehen, um dort wirklich alles politisch – nein, parteipolitisch! – zu kontrollieren. Auch das hat zu einem extrem starken Vertrauensverlust geführt. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Nun komme ich zu Herrn Kurz: Im Ausschuss war die Frage (Zwischenruf des Abg. Hörl), ob denn alles weitergegeben wurde (Zwischenruf des Abg. Strasser) – Mo­ment! –, weil das ja ins Staatsarchiv muss, Frau Kollegin Blimlinger. Ich habe heute selbst mit einem der Beamten dort gesprochen, der erklärt hat: Natürlich müssen die Kalender der Bundeskanzler eins zu eins, so wie sie sind, übergeben werden – und alle Bundeskanzler der Zweiten Republik und die Frau Bundeskanzlerin haben das gemacht. Was hat Herr Kurz gesagt? – Nein, das habe ich nicht gemacht, weil ja ich entscheide, was ich übergebe! – Falsch, schon wieder eine Falschaussage. Ich gebe zu, in diesem Fall war es vielleicht nicht vorsätzlich, in anderen Fällen auch. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Da ja auch von Back-ups die Rede war: Wir alle bekommen ja nun Informationen von verschiedenen Seiten, auf dieses und jenes aufzupassen. Mich wollte jemand treffen, der mir erklärt hat, es gibt natürlich Back-ups für alles, was im Bundeskanzleramt ge­schrieben und verschickt wurde. Diese Back-ups hat das Bundesrechenzentrum. Nun ist nur mehr die Frage: Wo werden sie körperlich aufbewahrt? Meine Information ist: angeblich im Bundeskanzleramt, vielleicht sind sie inzwischen ins Bundesrechen­zen­trum gekommen. Die zuständige Frau Bundesministerin ist leider nicht da, ich würde sie sehr gerne fragen: Wo sind all die Back-ups körperlich? Werden sie dann hoffentlich an den nächsten Ausschuss weitergegeben?

Die nächste Frage, Herr Vizekanzler – Sie können sie nicht beantworten, aber der Herr Bundeskanzler muss sie schon beantworten –, lautet: Soll unsere Verwaltung, von der wir noch immer hoffen, dass sie ordentlich funktioniert, wirklich teilweise von Leuten geleitet werden, die entweder der falschen Aussage vor dem Ausschuss oder auch der Untreue und Bestechlichkeit beschuldigt sind? Finden Sie das in Ordnung, dass Beschuldigte an wesentlichen, zentralen Stellen der österreichischen Verwaltung sind? Auch der zuständige Herr im Finanzministerium redet noch immer mit Journalisten und gibt noch Aufträge – vielleicht vergibt er auch Inserate, ich weiß es nicht, sie haben ja so viel Geld. Aber ist das wirklich notwendig? Könnte da nicht der Anstand auftreten und sagen: Liebe Kolleginnen, wenn jemand beschuldigt ist, dann kann er da doch selbst­verständlich nicht mehr mitarbeiten, so wie ja auch Sektionschef Pilnacek nicht mehr mitarbeiten kann!

Es geht darum – und das möchte ich ganz deutlich sagen –, wieder Vertrauen aufzu­bauen. Es sind auch andere Berufsgruppen beschädigt worden. Was können die hier­zulande ordentlich und gut arbeitenden Meinungsforscher dafür, dass sie jetzt alle schlechtgemacht werden? – Nein, da gibt es auch anständige, ich habe auch mit welchen zusammengearbeitet. So wie da gearbeitet wurde, ist allerdings Vertrauen verloren gegangen. (Abg. Strasser – ein Dokument in die Höhe haltend –: Zur ...!) Ich möchte es noch einmal sagen: Sie haben so viel Vertrauen beschädigt. Bitte fangen wir an, dass wir dieses Vertrauen zurückholen! Ich begrüße es sehr, dass der Bundes­kanz­ler heute in Brüssel ist – und er soll auch andere Auslandsreisen in Europa machen, weil unser Ansehen in Europa massiv gelitten hat.

Es scheint so, als würde der Vizekanzler nicken – er hat ja auch Kontakte. Unser An­sehen in Europa hat massiv gelitten, weil so viel Vertrauensverlust im Land eingetreten ist. Das finde ich so bedauerlich, da müssen wir alle gemeinsam handeln. Klubobfrau Meinl-Reisinger hat dazu gesagt: Wir haben die Hand gereicht. Ich möchte das von meiner bescheidenen Stelle aus auch sagen, ich habe es auch dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten gesagt: Machen wir es gemeinsam! Dann müssen wir aber auch Vertrauen aufbauen, die Unanständigkeit abstellen, die Unanständigkeit derje­nigen, die politisch mutmaßlich unanständig gehandelt haben – ich rede nicht vom Straf­recht, sondern ich rede von Politik; deswegen habe ich dieses Buch mitgebracht.

Ich sage das nur ganz bescheiden zum Schluss: Es ist eine tolle Biografie über Alois Mock (Zwischenruf des Abg. Strasser): „Ein Politiker schreibt Geschichte“. (Der Redner hält das Buch „Alois Mock. Ein Politiker schreibt Geschichte“ von Martin Eichtinger in die Höhe.) Ich möchte nur so viel sagen: Alois Mock hat allein mit seiner Europapolitik, als er in den 1970er- und 1980er-Jahren schon gesagt hat, wie wichtig Europa ist, Ge­schichte geschrieben, obwohl er nicht Bundeskanzler war. Sie können das nun auch umdrehen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

16.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Ein guter ..., war nur kein Witz!)